Die Letzten werden die Ersten sein. Frei nach diesem Motto greifen Anleger bei den Losern der vergangenen Monate zu, nachdem der überraschend moderate Anstieg der US-Verbraucherpreise im Oktober die Hoffnung auf moderatere Zinsschritte der Notenbank schürt. Im Dax gewinnen die Aktien des Online-Händlers Zalando binnen 24 Stunden gut 20 Prozent.  

.Die Stimmung an Europas Börsen bleibt zum Wochenausklang gut. "Das Zinsgespenst hat Reißaus genommen", sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst CMC Markets laut Reuters. Nach einer überraschend stark auf 7,7 Prozent gesunkenen US-Inflation gehen Anleger von einem gedrosselten Zinstempo der Notenbanken aus. "Wenn der Preisauftrieb in den kommenden Monaten weiter an Fahrt verliert – und diese Zukunft preist der Markt jetzt ein – werden sowohl die Europäische Zentralbank als auch die US-Notenbank spätestens im Frühjahr eine Pause im Zinserhöhungszyklus einlegen", sagte Stanzl. 

Wenn die Notenbank Fed die Zinsen weniger stark anhebt, würden vor allem die als wachstumsstark und zinssensibel geltenden Papiere aus der Technologiewelt profitieren. Dazu gehört auch Online-Modehändler Zalando. Vom Jahreshoch im Januar bei 73,74 Euro ging es bis September im Jahrestief bei 19,18 Euro etwa 54 Prozent abwärts. 

Von den Tiefständen hatte sich der Dax-Wert seitdem bereits erholt. Und die jüngsten US-Inflationsdaten lösten nun eine Kursrally aus. Von 26,28 Euro um 14.29 Uhr unmittelbar vor Verkündung der US-Verbraucherpreise am Donnerstag ist die Zalando-Aktie bis Freitag-Mittag um gut 20 Prozent auf 31,67 Euro hochgeschossen. Zur Vollendung einer technischen Umkehrformation bedarf es nun nur noch der nachhaltigen Überwindung der 200-Tage-Linie. Diese verläuft aktuell bei 34,21 Euro. Darüber wäre die charttechnische Luft frei bis 40 Euro. 

Zalando (WKN: ZAL111)

Analysten auf dem Holzweg?

Es wird wohl nicht lange dauern bis auch die Analysten ihre Kursziele wieder nach oben anpassen. Zuletzt gab es reihenweise Korrekturen abwärts. So hat die britische Investmentbank Barclays das Kursziel für Zalando nach den Quartalszahlen am 4. November von 27 auf 25 Euro gesenkt und die Einstufung auf "Equal Weight" belassen. Der Online-Modehändler habe erwartungsgemäß abgeschnitten, schrieb Analystin Emily Johnson vor einer Woche. Sorgen machten ihr allerdings die schwachen Geschäftstrends im Oktober und die nötigte, zumindest bescheidene Erholung des Bruttowarenwerts im Schlussquartal, um die Jahresziele zu erreichen. 

Deutsche Bank Research hat das Kursziel für Zalando von 29 auf 28 Euro gesenkt, die Einstufung aber auf "Buy" belassen. Das operative Ergebnis (Ebit) sei besser als von ihm erwartet ausgefallen und der Call sei von Selbstbewusstsein geprägt gewesen, schrieb Analyst Adam Cochrane in einer Studie am vergangenen Freitag. Aufgrund der sinkenden Marketingausgaben habe er jedoch seine Umsatzprognose für 2023 reduziert. 

Auch die US-Bank JPMorgan hat das Kursziel für Zalando reduziert - und zwar von 34 auf 31 Euro. Die Einstufung beließ Analystin Georgina Johanan auf "Neutral". Der Online-Modehändler habe zwar die Erwartungen weitgehend erfüllt und den Ausblick bestätigt. Das Umsatzziel beinhalte allerdings einen Anstieg im Schlussquartal, während die branchenweit hohen Lagerbestände Risiken für die Bruttomargen beinhalteten, die möglicherweise 2023 anhielten. Johanan senkte daher ihre Prognose für das operative Ergebnis (Ebit) des kommenden Jahres um zwölf Prozent. 

BÖRSE ONLINE hält die Zalando-Aktie derzeit nur auf einer Watchlist, nachdem der Wert vor einigen Wochen bei 27 Euro unter die Stop-Loss-Schwelle fiel. (Mit Material von dpa-AFX)