Sparen ohne Askese: Wer bewusst konsumiert und hohe Sparquoten erreicht, schafft die Basis für FIRE – und gewinnt langfristig Freiheit. Teil drei der FIRE-Serie von Nils Jacobsen.

Wer FIRE erreichen will, muss Vermögen aufbauen. Doch das Herzstück der Bewegung ist nicht allein die Höhe der Rendite, sondern die konsequente Sparquote. Je mehr vom Einkommen übrigbleibt und investiert wird, desto schneller kann die finanzielle Unabhängigkeit Realität werden. 

Das bedeutet allerdings nicht, ein Leben voller Entbehrungen zu führen. Vielmehr geht es um die bewusste Unterscheidung zwischen echtem Verzicht und einem Konsumstil, der die eigenen Werte widerspiegelt.

Frugales Leben in der Praxis

Das Klischee, FIRE-Anhänger würden in kargen Einzimmerwohnungen hausen und jeden Cent zweimal umdrehen, greift zu kurz. Frugalismus meint nicht, sich alles zu versagen, sondern Geld gezielt einzusetzen. Wer bewusst konsumiert, spart oft dort, wo der Gegenwert gering ist, und investiert in Dinge, die wirklich zählen.

Konkret kann das bedeuten:

• Auf teure Statussymbole wie das neueste Auto zu verzichten, dafür aber regelmäßig in hochwertige Lebensmittel oder Reisen zu investieren.

• Fixkosten kritisch zu prüfen – etwa durch günstigere Versicherungen, bewusst kleinere Wohnflächen oder den Verzicht auf Abos, die kaum genutzt werden.

• Mobilität neu zu denken: Carsharing statt Zweitwagen, Fahrrad statt täglicher Kurzstreckenfahrt.

Der Effekt: Schon kleine Anpassungen summieren sich über Jahre zu fünfstelligen Beträgen, die ins Depot fließen können.

Verzicht oder bewusster Konsum?

Die psychologische Hürde besteht darin, Sparen nicht als Strafe, sondern als Gewinn zu begreifen. Verzicht bedeutet, etwas Wertvolles aufzugeben – doch viele FIRE-Anhänger erleben, dass weniger Konsum nicht weniger Lebensqualität bedeutet. Im Gegenteil: Wer bewusster konsumiert, schärft den Blick für das, was wirklich wichtig ist.

Ein Kinoabend mit Freunden oder ein Wochenendausflug kann mehr Glück stiften als das fünfte Paar Sneaker. Dieses Umdenken macht den Unterschied: Sparen wird nicht zur Last, sondern zum Instrument für Freiheit.

Die Macht der Sparquote

Mathematisch betrachtet ist die Sparquote der stärkste Hebel in der FIRE-Formel. Wer 30 Prozent seines Nettoeinkommens spart, erreicht bei durchschnittlicher Marktrendite nach etwa 25 Jahren finanzielle Unabhängigkeit. Bei 50 Prozent reduziert sich die Dauer auf gut 15 Jahre, bei extremen 70 Prozent sogar auf weniger als ein Jahrzehnt. 

Ein Beispiel:

Das Einkommen liegt bei 3.500 Euro netto

Sparquote: 50 Prozent = 1.750 Euro monatlich

Investition: in einen breit gestreuten ETF (MSCI World, S&P 500, Dax, u.a.) mit langfristig 6 Prozent Rendite p.a. nach Steuern

Ergebnis: Nach rund 17 Jahren liegt das Depot bei knapp 700.000 Euro – genug, um bei einer 4-Prozent-Entnahme über 2.000 Euro monatlich zu generieren.

Natürlich sind diese Berechnungen theoretisch. Inflation, Steuern oder Marktschwankungen können den Weg verlängern. Doch sie illustrieren, wie sehr die eigene Sparquote den Zeitplan bestimmt.

Psychologie: Dranbleiben über 10–20 Jahre

Die größte Herausforderung ist nicht der Start, sondern die Ausdauer. Wer über ein bis zwei Jahrzehnte hinweg konsequent sparen und investieren will, braucht mehr als Zahlen und Tabellen – er braucht eine klare Motivation und den Willen, stets am großen Ziel festzuhalten. 

Viele FIRE-Anhänger berichten von einer Art „zweiten Karriere“: der Karriere als Investor in eigener Sache. Das Depot wird zum Projekt, die wachsende Summe zum Gradmesser für Fortschritt und Selbstbestimmung. Dabei helfen Routinen wie monatliche Sparpläne, regelmäßige Kontrolle der Finanzen und das bewusste Feiern kleiner Meilensteine.

Doch auch Flexibilität ist entscheidend. Niemand muss über 20 Jahre asketisch leben. Viele gönnen sich gezielt Zwischenziele – eine längere Reise, eine berufliche Auszeit oder ein kleiner Luxus –, um motiviert zu bleiben. FIRE ist kein Sprint, sondern ein Marathon, und die psychologische Balance zwischen Sparen und Leben ist der Schlüssel, um durchzuhalten.

FIRE: Auf der Suche nach gewonnenen Zeit 

Der Weg zu FIRE führt also nicht notwendigerweise über Askese, sondern über bewusste (Spar-)Entscheidungen. Wer seine Ausgaben reflektiert, eine hohe Sparquote erreicht und dabei nicht den Blick für Lebensqualität verliert, legt das Fundament für finanzielle Freiheit. 

Es geht weniger darum, heute auf alles zu verzichten, als vielmehr darum, die Freiheit von morgen schon heute mitzudenken. FIRE bedeutet, die Kontrolle über Geld und Konsum (zurück) zu gewinnen – und sich selbst damit langfristig die wertvollste Währung zu schenken: Zeit.

Mehr über die FIRE-Journey lesen Sie an dieser Stelle immer am Sonntag. In der Serie ist bisher erschienen: 

1.) FIRE: Der Traum von der finanziellen Unabhängigkeit – das steckt hinter dem Investment-Megatrend

2.) FIRE: Warum finanzielle Freiheit vor allem Millennials und die Gen Z so stark anspricht

Übrigens: Einmal kaufen, liegen lassen und nie mehr verkaufen – laut Börsenguru André Kostolany eine ideale Strategie, um mit Aktien zu Reichtum zu gelangen. 30 Evergreen-Aktien hat die Redaktion von BÖRSE ONLINE im "Aktien für die Ewigkeit"-Index zusammengefasst.

Hinweis auf Interessenkonflikte: 
Der Preis der Finanzinstrumente wird von einem Index als Basiswert abgeleitet. Die Börsenmedien AG hat diesen Index entwickelt und hält die Rechte hieran. Mit dem Emittenten der dargestellten Wertpapiere hat die Börsenmedien AG eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, wonach sie dem Emittenten eine Lizenz zur Verwendung des Index erteilt. Die Börsenmedien AG erhält insoweit von dem Emittenten Vergütungen.