Die Volkswirte beurteilen die Lage der deutschen Wirtschaft wieder besser, vor allem der Ausblick auf 2023 hellt sich auf. Immer mehr Experten glauben, dass die Wirtschaft mit einem blauen Auge davonkommt. Von Wolfgang Ehrensberger
Die Perspektiven für 2023 sind so unsicher wie selten zuvor: Kommt die China-Krise wieder zurück? Sind die Lieferengpässe wirklich überwunden? Ist der Inflationshöhepunkt überschritten? Wie restriktiv bleibt der Zinskurs der Notenbanken? Rutscht Deutschland im Winterhalbjahr in eine Rezession? Und nicht zuletzt: Wie geht es im Russland-Ukraine-Krieg weiter?
Wie bewerten die Experten die deutsche Wirtschaft?
Die im Ökonomen-Barometer von €uro am Sonntag befragten Volkswirte haben in der Dezember-Umfrage mit einem klaren Trend darauf geantwortet. Schon die Einschätzung der aktuellen Wirtschaftslage in Deutschland fällt mit 34,6 Punkte um fast neun Prozent besser aus als im Vormonat (31,9). Die Prognose für die kommenden zwölf Monate liegt mit 27,4 Punkten sogar um 23,4 Prozent über dem Vormonatswert. Damit hat sich die Aufhellung aus dem November auch im Dezember fortgesetzt — wenngleich die Barometer-Werte noch weit unter der 50-Punkte-Linie liegen, die Stagnation anzeigt, also den Übergang in eine wachsende Wirtschaft.
In der Dezember-Umfrage geben die Ökonomen zudem regelmäßig eine Prognose für die Entwicklung der wichtigsten wirtschaftlichen Kennziffern für 2023 ab. Demnach erwarten rund 56 Prozent der Teilnehmer, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr im Bereich zwischen null und einem Prozent wächst.
Kommt 2023 die Rezession?
27 Prozent rechnen dagegen mit einem Schrumpfen der Wirtschaft zwischen null und minus einem Prozent. Weitere zehn Prozent glauben an einen stärkeren Einbruch von minus ein bis minus zwei Prozent.Bei der Inflationsrate (November: 10,0 Prozent) erwarten 60 Prozent der Teilnehmer einen Wert von sechs bis acht Prozent; 31 Prozent zwischen vier und sechs Prozent, und ein Zehntel der Teilnehmer geht von acht bis zehn Prozent Inflation aus (siehe Grafik). Die Arbeitslosenquote von zuletzt 5,3 Prozent im November werde sich wiederum auch 2023 auf diesem Niveau bewegen, erwarten mehr als zwei Drittel der Befragten.
Doch der weltgrößte Vermögensverwalter erwartet sogar eine jahrelange Rezession.
Experten werden optimistischer
„Mit einer Eintrübung im Jahr 2023 ist zu rechnen“, erklärt beispielsweise Martin Leschke von der Universität Bayreuth. „Aber Deutschland könnte knapp an einer Rezession vorbeischliddern und sogar ein geringes Wachstum hervorbringen.“Die Ergebnisse des Ökonomen-Barometers decken sich mit den jüngsten Prognosen der deutschen Forschungsinstitute. So rechnete das Ifo-Institut bereits mit einem milden Verlauf der Winterrezession. Die Wirtschaftsforscher vom DIW veröffentlichten am Mittwoch eine Prognose, nach der sich die Aussichten ebenfalls aufhellen. „Die Wirtschaftsleistung dürfte im Winterhalbjahr etwas zurückgehen, eine schwere Rezession wird jedoch zunehmend unwahrscheinlicher, und die konjunkturellen Aussichten sind vorsichtig positiv“, heißt es beim DIW. „Für allzu großen Optimismus ist es dennoch zu früh“, warnte DIW-Konjunkturexperte Guido Baldi. Denn die globalen Risiken seien weiter hoch, nicht nur mit Blick auf die weitere Entwicklung des Kriegs in der Ukraine.So werde die deutsche Wirtschaft wohl immer mehr durch die abgekühlte Weltwirtschaft belastet. Auch die Pandemielage in China sei unübersichtlich. Nach der abrupten Abkehr von den strikten Eindämmungsmaßnahmen könnte es im bevölkerungsreichsten Land der Welt eine enorme Infektions- und Krankheitswelle geben, die womöglich auch die Probleme bei den Lieferketten wieder verstärke. Zudem könne die straffere Geldpolitik der EZB die Konjunktur im kommenden Jahr etwas abbremsen.
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Dieser Artikel erschien zuerst in Euro am Sonntag 52/2022. Hier erhalten Sie einen Einblick ins Heft.