Die einzige sehr schnell verfügbare Alternative zu russischem Erdgas ist Flüssiggas. Die Branche steht deshalb vor einem Boom – und ist durch einen neuen BÖRSE ONLINE-Index für Anleger nun auch einfach investierbar. Von Carl Batisweiler

Drei Tage lang war Bundeskanzler Olaf Scholz mit seinem Vize Robert Habeck Ende August durch Kanada gereist, im Schlepptau zahlreiche Firmenchefs aus der deutschen Wirtschaft. Mit nach Hause brachten Scholz und sein Tross nicht nur Vereinbarungen deutscher Autohersteller, die sich wichtige Mineralien aus Kanada für Batterien und Elektroautos sichern konnten, sondern auch eine „Energiepartnerschaft“. Der mit Windkraft aus Neufundland und Nova Scotia produzierte „grüne“ Wasserstoff wird zwar frühestens 2025 nach Deutschland verschifft. Viel früher schon soll aber eine Flotte von Spezialtankern Kurs auf Deutschland nehmen und so hierzulande die Versorgung mit flüssigem Erdgas sicherstellen — nachdem Russland der Bundesrepublik mehr und mehr den Gashahn zudreht. Bis zu drei Milliarden Euro will — oder besser muss — Berlin binnen kürzester Zeit in neue Infrastruktur an der Nord- und Ostseeküste investieren, damit dort die Tanker den dringend benötigten verflüssigten Rohstoff anlanden können. Dass Deutschland in Sachen Flüssigerdgas (kurz LNG für Liquefied Natural Gas) nun so tief in die Taschen greift, liegt auch an jahrelangen Versäumnissen und Fehlern der Politik.

In den ganzen Diskussionen um eine frierende Nation im kommenden Winter, die explodierenden Gaspreise und die zusätzliche Belastung der Gaskunden durch eine Umlage hierzulande geht vollends unter, dass Gas als Rohstoff essenziell für viele Industriezweige ist — und das eben nicht nur in Deutschland, sondern auch global. Doch nicht überall ist es möglich oder wirtschaftlich sinnvoll, eine Gaspipeline zu den Verbrauchern zu legen. Entsprechend groß ist der Bedarf an speziellen Transportschiffen und -behältern, Häfen und Umschlagplätzen sowie Technologie zur Verflüssigung und Regasifizierung des Rohstoffs. Ein Industrieland wie Japan zum Beispiel ist allein schon durch seine Insellage auf LNG angewiesen, Unterseepipelines sind in dem Erdbebengebiet zu riskant. Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die Folgen verstärken die Nachfrage rund um LNG nur zusätzlich und machen den Aufbau neuer Transportnetze rund um den Globus notwendig.

Wer jetzt als Anleger auf Unternehmen aus der LNG-Branche setzt, ist also kein skrupelloser Kriegsgewinnler, sondern investiert in einen ohnehin bereits länger bestehenden Trend. Auch wenn viele Klimaschützer alles Fossile schon aus ideologischen Gründen zum totalen Tabuthema erklären, müssen sie einräumen, dass Erdgas als Energieträger im Vergleich zu Erdöl die wesentlich bessere Alternative ist. Bei der Verbrennung von Industriegas ist der CO2-Ausstoß viel geringer als bei Öl, zudem fallen auch deutlich weniger andere Emissionen wie Stickstoff oder Ruß an. Deshalb hat auch zuletzt die Europäische Union in ihrer neuen Taxonomie-Verordnung neben Atomenergie auch Erdgas als nachhaltig eingestuft.

Das hängt ebenfalls mit dem steigenden Strombedarf durch E-Autos oder andere Elektrifizierungen zusammen: Gaskraftwerke können im Gegensatz zu Atom- oder Kohlemeilern vergleichsweise schnell hoch- oder heruntergefahren und so an den jeweiligen Energiebedarf ange­passt werden. Angesichts des geforder­ten Ausbaus der erneuerbaren Energien funktionieren Gaskraftwerke auch stabil, wenn der Wind nicht oder viel zu stark weht, die Sonne nicht scheint oder beide Quellen gleichzeitig in der sogenannten Dunkelflaute ausfallen.

Auch wenn auf lange Sicht der Bedarf an Gas — und damit auch an LNG — als Energieträger zum Heizen (vor allem im privaten Bereich) oder für die Strom­erzeugung schon aus Gründen des Kli­maschutzes sinken wird — die Industrie kann auf den Rohstoff nicht verzichten. Denn mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Erdgasverbrauchs geht laut dem Bundesverband Energie­ und Was­serwirtschaft (BDEW) auf die Industrie zurück. Der Verband schätzt das kurzfris­tige Ersatz­ oder Einsparpotenzial dieses Wirtschaftszweigs in Deutschland auf nur acht Prozent ein.

„Eine hohe Gasintensität haben vor al­lem die Glas­ und Keramikindustrie, die Papierindustrie, die Metallverarbeitung, die Grundstoffchemie, Ernährung sowie Düngemittel“, stellen die BDEW-Experten in einer Studie fest. Das liegt unter ande­rem daran, dass diese Branchen auch aus Klimaschutzgründen in den vergangenen 20 Jahren mit gewaltigen Investitionen ihre Produktion von Öl auf das weniger CO2­-lastige Gas umgestellt haben. Selbst wenn hier theoretisch auf andere Energie­ quellen umgestellt werden könnte — mehr als 30 Prozent des industriellen Gasver­brauchs entfallen hierzulande allein auf die Chemie. Die Branche allerdings nutzt weltweit Erdgas als Rohstoff für ihre Pro­dukte und kann Gas beziehungsweise die in ihm enthaltenen Kohlenstoffverbin­dungen somit nicht substituieren.

Der neue LNG-Index von BÖRSE ONLINE und €URO

Zusammen mit den Kollegen unseres Schwestermagazins €uro hat die Redaktion von BÖRSE ONLINE ein neues Börsenbarometer entwickelt, mit dem Anleger einfach und bequem von der steigenden Nachfrage in der Flüssiggasbranche profitieren können. Der BO-Flüssiggasindex setzt auf 20 Aktien rund um die Wertschöpfungskette Liquefied Natural Gas (LNG), von denen einige schon im Text vorgestellt wurden.

Bei der Auswahl der Titel für den Index wurde auch auf eine breite regionale Streuung der Unternehmen geachtet, denn laut einer Studie von Shell werden — trotz der aktuell rasant steigenden Nachfrage aus Europa — zum Beispiel gut drei Viertel der künftigen zusätzlichen LNG-Nachfrage in Asien erwartet, da etwa Länder wie Japan, Indonesien oder die Philippinen wegen ihrer Insellagen und der Gefahr von Erdbeben oder Vulkanausbrüchen keine große Pipelinestruktur für normales Erdgas aufbauen können.

Russische und chinesische Aktien des Sektors fanden wegen der hohen geopolitischen Risiken und mangelnder Transparenz der Unternehmen wie etwa Gazprom keine Berücksichtigung im Index.

Alle 20 Aktien des Index sind zu Beginn gleich gewichtet. Einmal pro Jahr wird das Portfolio dann neu angepasst (Rebalancing). Ausgeschüttete Dividenden werden berücksichtigt. Alphabeta Acces Products hat bereits ein Zertifikat auf den BÖRSE ONLINE-Flüssiggasindex aufgelegt, das sofort handelbar ist. Zudem gibt es von Morgan Stanley zwei Hebelprodukte für spekulative Anleger (siehe unten stehende Tabelle), wobei das erste Mini Future Long eher moderat ausgerichtet ist, während das zweite sich an sehr risikofreudige Investoren wendet. Weitere Infos zum Index und Anlageprodukten, die sich auf ihn beziehen, erhalten Sie im Internet unter boerse-online-invest.de/fluessiggas.

Enthaltene Werte
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Den vollständigen Artikel zum Megatrend Flüssiggas samt einer Analyse aller Einzelaktien finden Sie im BÖRSE ONLINE Magazin Ausgabe 35/2022

Hinweis auf Interessenskonflikte: Der Preis der Finanzinstrumente wird von einem Index als Basiswert abgeleitet. Die Börsenmedien AG als alleinige Gesellschafterin der Finanzen Verlag GmbH hat diesen Index entwickelt und hält die Rechte hieran. Mit dem Emittenten der dargestellten Wertpapiere, Alphabeta Access Products Ltd. und der Morgan Stanley & Co. International plc, hat die Börsenmedien AG eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, wonach sie dem Emittenten eine Lizenz zur Verwendung des Index erteilt. Die Börsenmedien AG erhält insoweit von Morgan Stanley & Co. International plc Vergütungen.