LUXEMBURG (dpa-AFX) - Als Bekleidungshändler, der seine Ware online verkauft, zählt die Global Fashion Group (GFG) derzeit zu den Gewinnern der Pandemie. An der Börse zumindest ging es im vergangenen Corona-Jahr mit dem Papier steil aufwärts. Doch wie bei vielen Internet-Playern wirft das starke Wachstum unter dem Strich noch keine schwarzen Zahlen ab. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen und was die Aktie macht:

DAS IST LOS BEI GFG:

Der in Begleitung der Investoren Kinnevik aus Schweden und Rocket Internet im vergangenen Jahrzehnt geschmiedete Online-Modehändler konzentriert sich mit der russischen Plattform Lamoda, Dafiti in Lateinamerika, Zalora in Südostasien und The Iconic in Australien mehrheitlich auf Schwellenländer. GFG verkauft über seine vier Plattformen eigene Produkte sowie lokale und internationale Marken, verdient aber auch als Marktplatz für andere Händler. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der aktiven Kunden kräftig an auf zuletzt mehr als 16 Millionen.

Gemessen an der Marktkapitalisierung und den Umsätzen ist GFG so etwas wie die kleine Schwester des erfolgreichen deutschen Internethändlers Zalando , dessen Historie ebenfalls eng mit Kinnevik und Rocket Internet verbandelt ist. Doch während Zalando auch unter dem Strich profitabel arbeitet, muss sich die erst 2019 an die Börse gegangene und nun im SDax notierte GFG in diesem Punkt noch beweisen.

In den vergangenen beiden Jahren machte das in Luxemburg ansässige Unternehmen unter dem Strich jeweils noch mehr als 100 Millionen Euro Miese. Immerhin reduzierten sich die Verluste zuletzt nahezu stetig, und 2020 war das erste Jahr, in dem der Konzern auf bereinigter Basis ein positives operatives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen ausweisen konnte. GFG-Chef Christoph Barchewitz sah sein Unternehmen daraufhin zumindest im Tagesgeschäft dauerhaft in den schwarzen Zahlen angekommen. Im ersten Quartal fiel das bereinigte operative Ergebnis allerdings negativ aus, der operative Verlust wurde aber im Vergleich zum Vorjahr fast halbiert.

Die Corona-Krise hatte das Wachstum des Unternehmens im vergangenen Jahr befeuert, weil die Kunden wegen geschlossener Läden auf das Internet auswichen. Nachdem das Management zunächst im Frühjahr seine Prognose zurückgezogen hatte, wurde es im Jahresverlauf zunehmend optimistischer. Der vom Unternehmen als Referenzkenngröße zitierte Nettowarenwert - also der summierte Wert aller verkauften Waren nach Liefergebühren und erwarteten Rücksendungen - stieg letztlich im Gesamtjahr 2020 um gut zehn Prozent auf fast zwei Milliarden Euro.

Dabei birgt das Schwellenländergeschäft Risiken und Vorteile zugleich. Wechselkurskapriolen etwa fraßen nach der Umrechnung in Euro im vergangenen Jahr fast das gesamte Umsatzplus wieder auf. Andererseits sieht GFG in den Schwellenländern großes Potenzial, denn die Online-Durchdringung in den dortigen Märkten war bisher vergleichsweise gering.

Das Management geht zudem davon aus, dass die Pandemie das Shopping im Netz nicht nur befeuert hat, sondern dass dieser Digitalisierungstrend kaum noch rückgängig zu machen ist. Wie zum Beweis berichtete der Konzern zuletzt zum ersten Quartal von einem erheblichen Anstieg der Käufe in jenen Märkten in denen - anders als in Europa - bereits die Corona-Beschränkungen weggefallen waren. So kauften etwa in Australien die Kunden wieder "schickere Ausgehkleidung", während auch die während des Lockdowns gefragten Kategorien weiter gut liefen.

Nach mehreren Finanzierungsrunden in den vergangenen Jahren holte sich der Onlinemodehändler im Frühjahr über eine 375 Millionen Euro schwere Wandelanleihe erneut frisches Geld für sein weiteres Wachstum. Barchewitz & Co wollen in ihren Märkten jeweils die Nummer eins sein und das Nettotransaktionsvolumen in den kommenden sieben bis neun Jahren auf zehn Milliarden Euro steigern. Gleichzeitig will das Management die Kosten drücken, um profitabler zu werden. Dafür sollen etwa Prozesse optimiert und Gelder in Technologie und Lieferstruktur investiert werden.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Noch wird die GFG nur von einer Handvoll Analysten beobachtet. Bei den vier im dpa-AFX Analyser vertretenen Experten, die sich seit Mai zum Unternehmen geäußert haben, stehen drei Kaufen-Stimmen einem Halten-Votum gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 16 Euro und damit um etwa 30 Prozent über dem aktuellen Aktienkurs.

Volker Bosse von der Baader Bank gehört derzeit zu den Optimisten und empfiehlt das Papier als Kauf. Nach der Vorlage der Quartalszahlen im Mai lobte er vor allem den gestiegenen Anteil des Partnerprogramms am Nettowarenwert. Dieses Geschäftsfeld sieht der Experte als den künftig größten Profitabilitätstreiber für die GFG. Auch von der Umsatzentwicklung zeigte er sich positiv überrascht.

Auch Richard Edwards von der US-Investmentbank Goldman Sachs sieht in der Verbindung zu anderen Verkäufern das wichtigste Potenzial. Für globale Marken sei die GFG ein wichtiger Partner in Schwellenländern, konstatierte er, da das Unternehmen über ein starke Infrastruktur verfüge. Dabei gelinge es der Firma, ihre Services über verschiedenste Kanäle zu Geld zu machen, von Partnerprogrammen über Vermarktungsangebote bis hin zu ersten Projekten mit gemeinsamer Beschaffung der Waren.

Für Michael Benedict von der Privatbank Berenberg ist die GFG-Aktie eine der interessantesten Anlagen im Sektor. Den kräftigen Kursrutsch der Aktie im Mai sah er als interessante Einstiegsmöglichkeit in das Papier.

Morgan-Stanley-Analystin Miriam Adisa hadert hingegen vorerst noch mit den Effekten der Pandemie auf den Internet-Händler. Sie wartet noch auf Anzeichen, dass das hohe Wachstum des Nettowarenwerts beibehalten werden kann. Als Pluspunkt hebt sie allerdings hervor, dass GFG sich schwerpunktmäßig auf Märkte konzentriere, in denen der Internet-Handel noch wenig stark verbreitet sei.

DAS MACHT DIE AKTIE

Waren die Vorbereitungen zum Börsengang und das eigentliche Handelsdebüt der GFG im Juli 2019 noch schwach ausgefallen - der erste Handelstag endete mit einem Kurs fast zehn Prozent unter dem Ausgabepreis von 4,50 Euro - hat sich das Investment für Aktionäre der ersten Stunde inzwischen allemal gelohnt. Seit damals hat der Kurs auf mehr als das Zweieinhalbfache zugelegt, womit auch der Buchwert der Investoren Kinnevik und Rocket massiv gestiegen ist. Die Schweden sind mit rund 37 Prozent an der GFG beteiligt, der Start-up-Brutkasten Rocket Internet hält etwa 15 Prozent.

Zu verdanken haben die GFG-Investoren die Vervielfachung ihres Einsatzes bisher vor allem dem Corona-Jahr 2020, das dem Papier reichlich Leben einhauchte. Im Jahr des Börsengangs 2019 war die Aktie hingegen nicht aus den Startlöchern gekommen - im Gegenteil: Bis zum Corona-Crash der Börsen war das Papier beständig auf Talfahrt gewesen und am Tiefpunkt im April 2020 weniger als einen Euro wert. Von dort ließ der anschließende Hype um den Corona-Gewinner den Kurs bis Jahresende auf das Zehnfache anschwellen, im Gesamtjahr stand letztendlich ein Plus von fast 320 Prozent zu Buche.

Nicht ganz so gradlinig aufwärts verlief es bisher in diesem Jahr, die Papiere haben bereits einige Höhen und Tiefen gesehen. Dennoch ist auch die bisherige Bilanz für 2021 klar positiv, seit Jahresbeginn hat das Papier mehr als ein Viertel an Wert hinzugewonnen. Einen starken Kurseinbruch durchlebten die Aktionäre der GFG jedoch von Ende April bis Mitte Mai, als es auch anderen Corona-Profiteuren wie etwa dem Kochboxenversender Hellofresh und dem Essenslieferdienst Delivery Hero an der Börse an den Kragen ging.

Die anschließende Erholungsrally beförderte die GFG-Papiere vom Mai-Zwischentief bei rund 9,60 Euro um etwa ein Drittel nach oben bis auf 12,85 Euro Mitte Juni. Zuletzt rutschte das Papier wieder etwas ab. Aktuell kommt die GFG auf eine Marktkapitalisierung von etwa 2,7 Milliarden Euro - und ist verglichen mit Zalandos Börsenwert von knapp 27 Milliarden Euro definitiv noch ein Zwerg./tav/men/zb

Quelle: dpa-Afx