NEW YORK (dpa-AFX) - Kinder weltweit essen immer mehr hochverarbeitete Lebensmittel - mit gefährlichen Folgen für Gesundheit, Wachstum und Psyche. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Unicef-Analyse, die zusammenfasst, wie sehr sogenannte ultra-verarbeitete Produkte (UPFs) den Alltag von Kindern und Jugendlichen bestimmen. Der Bericht baut auf einer kürzlich veröffentlichten Serie von Studien im medizinischen Fachjournal The Lancet auf, die die gesundheitlichen Risiken und die Rolle der Industrie bei der Verbreitung solcher Produkte detailliert aufarbeitet.

Kinder wachsen mit hochverarbeiteten Produkten auf

UPFs bestehen häufig aus einer Mischung aus Zucker, Salz, ungesunden Fetten, industriellen Stärken und zahlreichen Zusatzstoffen wie Emulgatoren, Farbstoffen oder Aromastoffen. Viele Kinder werden weltweit schon in den ersten Lebensjahren damit konfrontiert, heißt es in dem Bericht. Viele industriell hergestellte Beikostprodukte sind stark verarbeitet und selbst in extremer Armut lebende Kleinkinder konsumieren häufig süße Getränke: In 11 untersuchten Ländern waren es 10 bis 35 Prozent der unter Fünfjährigen.

Mit zunehmendem Alter steigt der Konsum weiter: 60 Prozent der Jugendlichen nahmen zuletzt mindestens ein süßes Produkt am Vortag zu sich. In vielen Industrieländern stammen über 50 Prozent der täglichen Kalorien aus UPFs.

Wie die Produkte Kindern schaden

Diese Lebensmittel seien für die Industrie zwar profitmaximierend, aber nicht kindgerecht, so die Analyse. Die Inhaltsstoffe verändern die Textur und verlängern die Haltbarkeit. Sie sollen Snacks, Frühstückszerealien, Joghurts oder Fertiggerichte so weich, süß oder aromatisch machen, dass sie möglichst leicht zu essen sind und Kinder immer wieder zu ihnen greifen.

Zu viel Zucker belastet neben den Zähnen vor allem den Stoffwechsel: Er löst eine starke Ausschüttung des Botenstoffes Insulin im Körper aus - was Fettansammlungen begünstigt und langfristig das Risiko für Diabetes erhöht. Zu viel Salz erhöhe Blutdruckrisiken und belaste die Nieren - besonders bei Kindern, so Unicef. Raffinierte Stärken lassen Blutzucker schnell ansteigen und wieder abfallen, was Heißhunger fördert. Zusatzstoffe wie Emulgatoren können das kindliche Mikrobiom stören und Entzündungen fördern.

Die Wirkung sei zweifach, heißt es in dem Bericht: UPFs fördern Übergewicht, weil sie viele dicht gepackte Kalorien haben und leicht zu überessen sind - und sie begünstigen gleichzeitig Mangelernährung, weil sie wenig Vitamine und Mineralstoffe liefern und vollwertige Lebensmittel verdrängen. Studien zeigen demnach zudem Verbindungen zu etwa chronischen Wachstumsstörungen, Depression, Hyperaktivität und Schulleistungsproblemen.

Teure Folgen für Familien und Gesellschaft

Der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher habe sich seit 2000 verdoppelt, und 2025 habe es erstmals mehr adipöse als untergewichtige Kinder gegeben, so Unicef. Obwohl UPFs an der Supermarktkasse oft billig wirken, seien sie langfristig teuer: Für viele Familien steigen die Kosten später indirekt durch häufigere Arztbesuche, höhere Ausgaben für Medikamente und Krankheiten, die mit schlechter Ernährung zusammenhängen.

Laut Unicef drohen Staaten Milliardenkosten durch chronische Krankheiten, Produktivitätsverluste und Gesundheitsausgaben. In China und Mexiko entsprächen die Lebenszeitkosten unbehandelter kindlicher Adipositas schon bis zu drei Prozent der gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung.

Warum Eltern kaum eine Chance haben

Das Problem läge nicht an falschen Entscheidungen einzelner Familien, sondern an aggressivem Marketing und einer von Konzernen dominierten Lebensmittelumgebung, schreibt Unicef. Die große Mehrheit der Jugendlichen weltweit sähe ständig Werbung für Softdrinks, Snacks oder Fast Food - selbst in Konfliktregionen. Schulen, Sportstätten und Kitas würden häufig durch Sponsoren-Deals mit UPF-Produkten geflutet.

Bereits die Lancet-Serie beschrieb, wie die Industrie Lobbying, zielgerichtete Forschung zur Verunsicherung, Rechtsdrohungen und politische Einflussnahme nutzt, um strengere Regeln zu verhindern.

Mögliche Lösungsansätze wären Unicef zufolge umfassende Werbeverbote, deutliche Warnhinweise auf der Vorderseite von Verpackungen sowie ein konsequentes Verbot von UPFs und Sponsoring an Schulen. Zudem plädiert der Bericht für Steuern auf zuckergesüßte Getränke und für Subventionen, die Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte erschwinglicher machen sollen. Auch strengere Vorgaben für Rezepturen - etwa weniger Salz und die vollständige Entfernung industrieller ungesunder Fette - sind Teil des Maßnahmenpakets./hae/DP/zb

Quelle: dpa-Afx