Die Aussicht ist verlockend. Tausendfach größere Datenmengen als bisher werden mit einer ultrakurzen Reaktionszeit von nur einer Millisekunde durch die Mobilnetze gejagt. Mit dem neuen Funkstandard 5G werden neue Indus­trien und Dienstleistungen entstehen, sagen Experten. Erstmals wollen auch Konzerne diese Technologie auf ihrem Gelände aufbauen und betreiben, hierzulande etwa der Chemieriese BASF und die drei großen Autobauer BMW, Daimler und VW.

Die dafür notwendigen lokalen Frequenzen sollen die Unternehmen ohne Auktion bei der Bundesnetzagentur erwerben. "Diese privaten Netze werden nachgefragt und so wird am Ende auch das Spektrum dafür bereitgestellt", ist Rajeev Suri, Chef des Mobilfunknetzausrüsters Nokia, überzeugt. Weniger zuversichtlich zeigen sich Konkurrenten wie Nokia und Ericsson auf dem aktuellen Mobile World Congress in Barcelona indes beim Tempo für den öffentlichen Ausbau von 5G in weiten Teilen Europas.

Die Kluft werde hier immer größer, heißt es in Barcelona: Da seien fortschrittliche Regionen wie die USA, China, Südkorea, Australien oder Skandinavien, wo bereits 5G-Netze eingerichtet werden, und es gebe die Länder auf dem alten Kontinent, einschließlich Deutschland, die mit der Zuteilung der 5G-Lizenzen weit ins Hintertreffen geraten. Zusätzlich belastet wird die Stimmung in der Branche durch die Klagen der großen Netzbetreiber gegen die Modalitäten der für den 19. März angesetzten ersten 5G-Auktion.

Störenfried aus dem Taunus

Für Ärger bei den etablierten Netzbetreibern Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica sorgt der aus ihrer Sicht dreiste Vorstoß von Unternehmer Ralph Dommermuth, der den Telekomdienstleister 1 & 1 Drillisch in letzter Minute als vierten Bieter um 5G-Lizenzen ins Spiel brachte. Die Riesen stört, dass die Bundesnetzagentur Dommermuths Firma den Zugang zum milliardenschweren Netzbetreibergeschäft mit wesentlich geringeren Auflagen gewährt (siehe unten). Im Januar hatte der Telekom- und Webdienstleister aus Maintal bei Frankfurt für die bevorstehende Auktion eine Kreditlinie von 2,8 Milliarden Euro aufgenommen. Dommermuth ist in der Branche dafür bekannt, mit spitzem Bleistift zu rechnen. An der Börse sehen Anleger die Beteiligung von 1 & 1 Drillisch an der Auktion, anders als die meisten Analysten, bisher weiterhin als schwer kalkulierbares Risiko.

Dommermuth ist sich indes sicher: "Mit 5G wird ein neues Kapitel des Mobilfunks aufgeschlagen. Das verspricht ein gutes Geschäft zu werden. Da wollen wir dabei sein, auch wenn heute niemand weiß, was alles auf unsere Branche zukommt." Die Spekulationen über deutlich höhere Auktionserlöse durch einen weiteren Bieter schrecken den Macher nicht. Überall in Europa, wo 5G-Versteigerungen durchgeführt wurden, seien die Preise am Ende überschaubar geblieben, "auch dort, wo vier und mehr Anbieter geboten haben", sagt der Unternehmer.

Das Bundesfinanzministerium schätzt die Erlöse der Auktion auf fünf Milliarden Euro. Experten erwarten bis zu zwölf Milliarden. Das wäre noch weit entfernt von den 50,8 Milliarden Euro, die der Staat im Jahr 2000 bei der Auktion der UMTS-Lizenzen einnahm. Auf der Messe in Barcelona zeigten 5G-Ausrüster wenig Verständnis für das Taktieren der Telekoms in Deutschland: Der künftige Markt, so die Industrie, sei groß genug für alle. Das zusätzliche Umsatzpotenzial schätzen Experten bis 2025 auf jährlich bis zu 500 Milliarden Dollar.

Der neue Standard ist notwendige ­Voraussetzung für die Digitalisierung der Produktion, also den Anschluss von Maschinen und Komponenten an das Internet. Die Zahl der Geräte, die in Unternehmen und auch in Haushalten etwa zur Steuerung und Übertragung von Daten mit dem Web verbunden sein werden, soll sich laut Schätzungen bis 2025 weltweit von sieben auf 100 Milliarden vervielfachen. Das mobile Web hat die Lebensgewohnheiten der Menschen weltweit verändert. Hierzulande setzte die Telekombranche nach aktuell verfügbaren Zahlen 2017 mehr als 26 Mil­liarden Euro im Mobilfunk um. Das Geschäft mit Daten brummt. Über die Funknetze wurden fast 1400 Millionen Gigabyte transportiert, zum Vergleich: 2005 waren es 0,2 Millionen.

In den USA baut die Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile US, bereits ihr landesweites 5G-Netz aus. T-Mobile- Chef John Legere will Amerikas drittgrößten Mobilfunker damit auch als Vorreiter der Technologie präsentieren, die die USA im Zukunftsmarkt voranbringen würde. Legere will schließlich die geplante Fusion mit Sprint bei den Behörden ins rechte Licht rücken.

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5G - Funktechnik und Perspektiven

Mit bis zu 10.000 Megabit pro Sekunde können über 5G weitaus größere Datenmengen um ein Vielfaches schneller transportiert werden. Bei der fortschrittlichsten Variante des aktuellen Standards sind nur bis 1.000 Megabit pro Sekunde drin. Dank einer großen Bandbreite ist 5G mit einer Internet-Standleitung vergleichbar. Es wird ein Netz, das riesige Datenmengen ohne Schrecksekunde transportiert: Bloß eine Sekunde dauert das Laden eines Films mit 1,8 Gigabyte Daten.

Die Reaktionszeit der Netze ist deshalb äußerst kurz: eine Millisekunde. Zum Vergleich: Ein Wimpernschlag dauert 300 Millisekunden. Damit taugen die Netze für den Datentransport in der digitalisierten Fertigung der Industrie 4.0 und für die Vernetzung von Geräten und Fahrzeugen, etwa von autonom gesteuerten Autos. Praktisch läuft das bereits in der Kupfermine des Konzerns Boliden in Schweden. In der Nähe des Polarkreises fräsen Bohrer bis zu 17 Meter tiefe Löcher und werden per Kameras und Sensoren über ein 5G-Netz gesteuert. In Deutschland ist die Versteigerung der 5G-Lizenzen für den 19. März geplant. Die Auflage: Bis 2022 sollen 98 Prozent der Haushalte, alle Autobahnen, wichtige Bundesstraßen und die Schienenwege über Internetgeschwindigkeiten von 100 Megabit pro Sekunde verfügen. Neueinsteiger 1 & 1 Drillisch müsste bei dem 3,6-GHz-Band für 5G bis 2025 nur 25 Prozent der Haushalte erreichen.

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Investor-Info

1 & 1 Drillisch
Mutiger Angreifer

Für den Mittelständler ist das Netzbetreibergeschäft riskant. Chef Dommermuth und Finanzvorstand André Driesen sind jedoch langjährige Branchenkenner. Mit einem Kredit über 2,8 Milliarden Euro und geschätzt 3,2 Milliarden Euro an operativen Mittelzuflüssen 2019 ist die Firma für die 5G-Auktion und die anschließenden Investitionen gut gerüstet. Der Chart spiegelt das Risiko wider und bildet einen Boden aus. Mutige Anleger setzen darauf, dass sich 5G langfristig lohnt.

Empfehlung: Kaufen.
Zielkurs: 45,00 Euro
Stoppkurs: 29,00 Euro

Deutsche Telekom
Vorteil USA

Sollte 1 & 1 Drillisch 5G-Lizenzen ergattern, wäre Deutschlands Marktführer davon kaum betroffen, sagen Experten. Die wachstumsstarke Tochter T-Mobile US liefert inzwischen 46 Prozent des Umsatzes. Die 5G-Technologie sollte das Wachstum der Tochter im Firmenkundengeschäft erhöhen. Langfristig aussichtsreicher Dividendentitel.

Empfehlung: Kaufen
Zielkurs: 17,00 Euro
Stoppkurs: 12,00 Euro

Ericsson
Auf Wachstumskurs

Zehn größere Aufträge für 5G-Netze hat der Netzwerkausrüster Ericsson bisher ergattert. Anders als Nokia rechnet Ericsson nicht mit einem schwächeren Geschäft in der ersten Jahreshälfte. Die Restrukturierung verbessert die Profitabilität des zweitgrößten Netzwerkausrüsters kontinuierlich. 2018 haben die Schweden mit 140 Millionen Euro die Gewinnschwelle überschritten, 2019 werden 1,1 Milliarden Euro Gewinn erwartet. Spekulativ.

Empfehlung: Kaufen
Zielkurs: 10,00 Euro
Stoppkurs: 6,40 Euro