Der Slogan "Cash is king" hat sich längst überlebt. Während bereits aus acht Euroländern die Ein- und Zwei-Cent-Münze verbannt wurde, geht es allmählich auch den Banknoten an den Kragen. Die Ausgabe des 500-Euro-Scheins endet laut EZB dieses Jahr. Experten rechnen damit, dass künftig auch die Anzahl kleinerer Scheine sinken wird, um die Menschen so sukzessive dazu zu bringen, ihre Einkäufe bargeldlos zu tätigen.

Während also die Gelddruckmaschinen immer mehr Rost ansetzen, gewinnen die Technologiefirmen, die sich mit digitalen Zahlungssystemen beschäftigen, an Schwung. Für einen Paukenschlag in der Branche sorgte jüngst die Google-Mutter Alphabet. Der Konzern bringt nämlich seine mobile Zahlungslösung "Google Pay" nach Deutschland. Damit sind nicht nur Online-Transaktionen möglich, sondern auch das Bezahlen per Smartphone im Laden. Selbst wenn das digitale Portemonnaie hierzulande noch ein Nischendasein fristet, Bitkom-Experte Julian Grigo glaubt, dass sich das mobile Bezahlen langfristig durchsetzen wird: "Das Smartphone ist einfach das Gerät, das wir immer bei uns tragen."

China als Vorreiter



Während erst sieben Prozent der Deutschen schon einmal mit dem Smartphone bezahlt haben, gehört Mobile Payment in China längst zum Alltag. Laut der Regierungsbehörde China Internet Network Information Center (CNNIC) nutzen bereits 502 Millionen Chinesen ihre Handys als Brieftasche. Die Platzhirsche im Reich der Mitte sind die beiden Plattformen Alipay von Alibaba und Wechat Pay von Tencent. Zusammen kommen sie auf einen Marktanteil von 92 Prozent.



Chinas Internetkonzerne expandieren derzeit verstärkt nach Europa, um ihren Kunden das mobile Bezahlen auch auf ihren Reisen ermöglichen zu können. Diesbezüglich verschärft Alipay aktuell seine Gangart auf dem alten Kontinent. Zählte das Unternehmen im vergangenen Jahr erst sechs europäische Länder, soll die Mobile-Payment-Lösung bis Ende 2018 bereits in 20 Ländern laufen. "Der Zahlungsmarkt verändert sich in Europa schnell", erklärt die Europa-Chefin Li Wang von Ant Financial. Deutschland haben die Chinesen bereits erobert. An diesem Punkt kommt Wirecard ins Spiel. In einer Kooperation mit dem Zahlungsdienstleister werden in Deutschland die Payment-Systeme von Alibaba und Tencent angeboten.

Über dessen voll digitalisierte mobile Bezahl-App "boon" laufen unter anderem auch Apple Pay und Google Pay. Diese App ist zugleich auch eine virtuelle Kreditkarte für das Onlineshopping, und seit Anfang des Jahres stehen sogar Peer-2-Peer-Funktionen (P2P) zur Verfügung. Damit können sich alle Nutzer Beträge in Echtzeit überweisen. Laut Wirecard handelt es sich bei boon um die am schnellsten wachsende Mobile-Payment-Lösung in Europa.

Das Potenzial ist Schätzungen zufolge enorm: Nach Angaben von Statista wird allein das europaweite P2P-Transaktionsvolumen bis zum Jahr 2022 um jährlich ein Fünftel zulegen.

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US-Konzerne wachsen kräftig



Die guten Wachstumsaussichten in Europa rufen noch weitere Unternehmen auf den Plan. Eines davon ist Paypal. Der Branchenprimus bei Online-Zahlungsdiensten stemmte jüngst seinen bisher größten Zukauf der Firmengeschichte. Für 2,2 Milliarden Dollar übernahm der US-Konzern den schwedischen Anbieter iZettle. Aber schon vor dem Zukauf sorgte der Bezahldienst für positive Schlagzeilen. Im ersten Quartal 2018 kletterte der Umsatz um 24 Prozent empor, der Nettogewinn sogar um ein Drittel. Damit fügt sich das Quartal perfekt in eine langjährige Wachstumsserie ein. 2016 legte der Nettogewinn um 14 Prozent zu, 2017 waren es 28 Prozent. Analysten gehen davon aus, dass sich das Ergebnis je Aktie bis 2020 im Schnitt um ein Fünftel verbessern wird.

Ein noch deutlich höheres Tempo schlägt Square an. Bei dem heimischen Konkurrenten, der von der Hard- und Software für die Zahlungsabwicklung bis hin zum Schreiben von Rechnungen ein breites Spektrum anbietet, rechnet der Konsens mit einem durchschnittlichen Plus von knapp zwei Drittel bis zum Jahr 2020. Allerdings ist der Titel nach der jüngsten Kursrally, die allein im laufenden Jahr für eine Steigerung des Unternehmenswerts von 77 Prozent sorgte, nicht mehr günstig. Auf die Watchlist gehört der Finanzdienstleister allemal, schließlich taucht Square als potenzieller Übernahmekandidat immer wieder in den Medien auf.

Ebenfalls ein "Beobachten"-Rating verleihen wir dem Börsenneuling Adyen. Der Aktienkurs des niederländischen Zahlungsspezialisten konnte sich am ersten Handelstag verdoppeln. Aktuell ist der Titel zwar wieder etwas zurückgekommen, allerdings bringt der Wirecard-Konkurrent immer noch 13 Milliarden Euro auf die Waage. Auch wenn Adyen über namhafte Kunden wie Facebook, Netflix oder auch Ebay verfügt, die Bewertung liegt damit nur rund ein Viertel unter der von Wirecard. Allerdings haben die Deutschen im vergangenen Jahr den mehr als dreieinhalbfachen Gewinn ausgewiesen und werden auch 2018 prozentual zweistellig wachsen.

Während wir bei Adyen Vorsicht walten lassen, sehen wir eine Einstiegschance bei Wirecard. Neben guten operativen Leistungen haben die Münchner auch Chancen, in der nächsten regulären Überprüfung der Indexzusammensetzung im September in den DAX aufzusteigen. Ebenfalls als Kauf stufen wir Alibaba ein. Für zusätzliche Fantasie bei den Chinesen sorgt der eventuell anstehende Börsengang des Alipay-Betreibers Ant Financial, bei dem Alibaba wiederum Großaktionär ist. Wie gut die Geschäfte bei Ant Financial laufen, zeigt ein Blick in die Bücher: Im Geschäftsjahr 2017/18 erzielte der Konzern einen Gewinnsprung von 65 Prozent auf 1,4 Milliarden Dollar.



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