Die neuen Krebskiller bedienen sich des körpereigenen Immunsystems, um Krebszellen auszuschalten. Dabei greifen sie genau die Moleküle an, mit deren Hilfe es die Tumore bislang geschafft haben, sich vor der Enttarnung durch das Immunsystem zu schützen. Sogenannte Checkpoint-Inhibitoren spielen hier die Schlüsselrolle: Sie heben zentrale Mechanismen der Immununterdrückung auf und mobilisieren auf diese Weise den Angriff auf die Tumorzellen.

Etwa bei bösartigem Hautkrebs. Bei bis zu 80 Prozent aller Patienten erzielen die neuen Heilmittel in klinischen Tests ein zeitliches oder dauerhaftes Nachlassen der Krankheitssymptome. 20 Prozent aller Patienten mit metastasierendem Melanom haben inzwischen eine Überlebenszeit von zehn Jahren. Fortschritte, wie sie noch vor Jahren undenkbar schienen, meint etwa auch Krebsforscher Dirk Jäger, Leiter der Medizinischen Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen in Heidelberg: "Bei einer signifikanten Anzahl von Patienten kann es in Zukunft möglich sein, Krebs in ein langfristig kontrollierbares Krankheitsstadium umzuwandeln. Checkpoint-Inhibitoren können bei einigen Tumoren die herkömmlichen Behandlungsmethoden als Erstlinientherapie ablösen - allein oder in Kombination mit anderen Medikamenten."

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Kombi-Therapien im Fokus

Und die Zeit drängt: Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass die Zahl der jährlich neu diagnostizierten Krebserkrankungen von 12,7 Millionen im Jahr 2008 auf 21,4 Millionen im Jahr 2030 zunehmen wird. Für Wissenschaftler und Investoren gibt der Fachkongress der American Society of Clinical Oncology, kurz ASCO, den besten Überblick, welche Therapien das Zeug dazu haben, bei Wirkprofil und Lebensqualität für die Patienten neue Akzente zu setzen. Vom 29. Mai bis zum 2. Juni findet das diesjährige Schaulaufen der Branche in Chicago statt.

Bei der Präsentation neuester Studienergebnisse mit Checkpoint-Inhibitoren werden Pharmakonzerne den Ton angeben. "Roche zählt vermutlich zu den Gewinnern der ASCO 2015", erklärt Harald Schwarz, Geschäftsführer der Fondsberatung Medical Strategy. Vielversprechend seien vor allem die klinischen Resultate bei Lungenkrebs. Dort aktivieren sogenannte PD-L1-Hemmer die T-Zellen der Immunabwehr: "Bei einer Studie in Kombination mit Chemotherapie sprachen 67 Prozent der Patienten auf die Behandlung an. Das wäre ein deutlicher Fortschritt gegenüber der aktuellen Standardtherapie mit dem Medikament Opdivo. Roche hat kürzlich zwei Studien in der klinischen Endphase III begonnen, deren Ergebnisse 2018 und 2019 erwartet werden."



Die Zukunft gehört vor allem Kombinationstherapien, die zeitgleich mehrere Signalwege für das Wachstum in den Tumorzellen blockieren. Gespannt werden die Teilnehmer der ASCO 2015 vor allem die Studienergebnisse der Pharmakonzerne Bristol-Myers Squibb, Merck, AstraZeneca und Pfizer verfolgen. Gelingt der Durchbruch, würde das in Zukunft auch die Behandlung bei anderen Krebsarten voranbringen. Doch der medizinische Fortschritt hat seinen Preis: Für einzelne neu zugelassene Krebsmittel liegen die jährlichen Behandlungskosten pro Patient bisweilen bei über 100 000 US-Dollar. Allein in der Immunonkologie beziffern Branchenexperten das Marktpotenzial für neue Produkte in den kommenden Jahren auf bis zu 35 Milliarden US-Dollar.

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Krebskiller fürs Depot

Bei den Biotechs, die auf der ASCO 2015 Glanzpunkte setzen könnten, bieten sich vor allem Firmen an, die bereits mit zugelassenen Heilmitteln Umsätze erzielen und Gewinne schreiben. Dazu zählt Branchenschwergewicht Amgen. Gespannt erwarten Anleger hier vor allem neueste Studienergebnisse für die beiden Arzneien Kyprolis und Vectibix, die bereits Milliardenumsätze erzielen. Medivation hat mit Xtandi gegen Prostatakrebs den Sprung in die Gewinnzone geschafft und ist dabei, die Anwendungsgebiete zu erweitern. Der Absacker nach den jüngsten Quartalszahlen, bei denen Medivation auf der Gewinnseite leicht unter den Erwartungen blieb, bietet derzeit eine gute Einstiegschance.

Zu den aussichtsreichsten Krebsspezialisten unter den europäischen Biotechs zählt Genmab aus Dänemark. Die Firma ist schwerpunktmäßig in Therapien gegen Leukämie unterwegs und schreibt dank der Zulassung ihres ersten Produkts bereits schwarze Zahlen. Zudem gilt Genmab als Übernahmekandidat. Noch einen Tick spekulativer ist das US-Unternehmen Celldex, das mit seinem ersten Hoffnungsträger zur Behandlung von bösartigem Gehirntumor unmittelbar vor dem klinischen Durchbruch stehen könnte.

Kandidaten für die Watchlist sind dagegen Biotechs wie Juno Therapeutics, Kite Pharma oder Bluebird, die sich auf genveränderte T-Zellen-Therapien spezialisiert haben. Dieser sogenannte CART-Ansatz zeigt bislang vor allem bei Leukämiepatienten, die wieder rückfällig werden, hohe Heilungsraten. Welche Therapien am Ende das Rennen machen werden, ist zurzeit aber noch offen.

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