Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien am 06.12.2018 in Heftausgabe 49/2018

Ein Buchverlust von 162 Milliarden Euro binnen vier Wochen - das Kursdesaster der Apple-Aktie im November zeigt, wie drastisch der jüngste Ausverkauf an den Aktienmärkten war. Betroffen waren vor allem zyklische Branchen - jene also, die über Jahre hinweg für ein wahres Kursfeuerwerk gesorgt hatten. Wieder angesagt hingegen waren vermeintliche Langweiler aus defensiven Branchen wie IT oder Gesundheit, etwa die Deutsche Telekom oder der Schweizer Pharmakonzern Novartis.

Die Stimmung unter den Investoren bleibt rund um den Globus auch weiterhin gedrückt. Von positiven saisonalen Effekten wie der Jahresendrally, mit der insbesondere Fondsmanager ihre Performance noch aufhübschen wollten, ist aktuell nicht viel zu sehen. Stimmungskiller sind in erster Linie makroökonomische Unsicherheitsfaktoren.

Ausverkauf nähert sich dem Ende



Dabei liefern viele Unternehmen im operativen Geschäft weiterhin Argumente, dass sich das Wachstum 2019 und darüber hinaus fortsetzen kann, wenn auch in leicht abgeschwächter Form. Die meisten Finanzexperten sind sich einig, dass mit den jüngsten Kursabschlägen geringere Wachstumserwartungen eingepreist sind. Gerade Titel aus konjunktursensiblen Branchen sind wieder auf das Kursniveau von 2016 zurückgefallen. Das gilt aber auch für Unternehmen aus dem Konsumgüterbereich, die als Nutznießer der guten Konjunktur und des boomenden Arbeitsmarkts gelten.

Jakub Hodek, Fondsmanager bei der in München ansässigen Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz, macht für die aktuelle Marktschwäche vor allem zwei Faktoren verantwortlich: "Bei ihren Ausblicken in der jüngsten Berichtssaison haben die Technologieschwergewichte ungeachtet ihrer weiterhin hohen Wachstumsdynamik die Investoren enttäuscht." Zu hohe Gewinnerwartungen seien in den Kursen eingepreist gewesen. Dabei spreche gerade in den USA die Tatsache, dass im S & P 500 Index das Gewinnwachstum im Schnitt branchenübergreifend bei 26 Prozent lag, für eine robuste Konjunktur.

Wie Hodek sieht auch Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank, den Boden langsam erreicht: "Mit der jüngsten Äußerung der US-Notenbank Fed im Hinblick auf eine moderate Anhebung der Leitzinsen im kommenden Jahr hat sich die Angst vor höheren Zinsen deutlich verringert." Was die europäische Schuldenpolitik im Konflikt mit Italien und den Handelskonflikt zwischen den USA und China angeht, stünden die Regierenden in der Bringschuld. "Zeigen sich erste Anzeichen eines Tauwetters, wird die Stimmung für Aktienkäufe wieder positiver, zumal es weiterhin keine richtigen Anlagealternativen zu Aktien gibt." Einen Schritt in die richtige Richtung gab es auf dem G-20-Gipfel: US-Präsident Donald Trump und Chinas Pendant Xi Jinping erzielten eine vorläufige Einigung im Handelsstreit. So kommt China den USA wohl bei den Autozöllen entgegen. Dafür wollen die Nordamerikaner die angedrohte Erhöhung von Importzöllen vorerst aussetzen. Die Börsen legten kräftig zu.

Wo sich der Einstieg lohnt



Besonders gut sind die Renditechancen bei Unternehmen, bei denen es zuletzt nicht rund gelaufen ist, die aber im nächsten Jahr und darüber hinaus auf der Gewinnseite durchstarten werden. Was die Gewinnentwicklung angeht, sollten Anleger verstärkt auf europäische Unternehmen setzen, die weiterhin einen Bewertungsabschlag zu ihren US-Wettbewerbern aufweisen, aber im kommenden Jahr die Erträge wohl stärker steigern werden (siehe Infografik Seite 2 Mitte). Die Investmentkriterien in der Aufzählung rechts geben eine Orientierungshilfe, worauf es jetzt bei der Auswahl potenzieller Überflieger von morgen ankommt.

Mögliche Kaufkandidaten, die wir auf den folgenden Seiten vorstellen, sind in den unterschiedlichsten Branchen zu Hause. Aussichtsreich sehen wir auch wieder Unternehmen wie Krones, die BÖRSE ONLINE nach Gewinnenttäuschungen zunächst herabgestuft hatte. Koenig & Bauer und Henkel-Vorzüge wiederum sind etwas unglücklich unter unsere Stoppkurse gefallen, liefern aus fundamentaler Sicht auf dem aktuellen Bewertungsniveau jedoch weiterhin Kaufargumente. Zumal es bei Henkel noch die günstiger bewertete Stammaktie gibt, die weniger volatil ist. Eines haben unsere Favoriten gemeinsam: Es sind keine Sprinter. Nur wer bereit ist, die Aktien über mehrere Jahre zu halten, wird am Ende auch Spaß an seinen Investments haben.

Auf Seite 2: Markterwartungen auf einen Blick













HeidelbergCement: Schnäppchenpreis nach Kurseinbruch



Definitiv keine Freude an ihrem Investment haben in diesem Jahr die Aktionäre des Baustoffhändlers und Bauzulieferers. Sorgen um die globale Konjunkturentwicklung brachten die Aktie in den Sommermonaten ins Trudeln. Im Oktober folgte dann eine Gewinnwarnung: Das vergleichbare Betriebsergebnis vor Abschreibungen soll sich demnach im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich verringern und nicht im einstelligwen Bereich steigen.

Zum einen hatte schlechtes Wetter, etwa in den USA, das Geschäft beeinträchtigt. Zum anderen ist es Heidelberg-Cement nicht gelungen, höhere Energiekosten vollständig durch Preiserhöhungen zu kompensieren. Das Management setzt nun ein neues Sparprogramm auf und will Umsatz und Cashflow wieder steigern.

Bei den Zukäufen schaltet HeidelbergCement in den nächsten zwei Jahren einen Gang zurück. Nur noch 350 Millionen Euro jährlich und nicht mehr ein Milliardenbetrag sollen dafür ausgegeben werden. Und es wurden Aktienrückkäufe für Mitte 2019 in Aussicht gestellt. Umsatz und Absatz haben sich zuletzt wie erwartet entwickelt.

Zudem ist die Aktie extrem günstig bewertet: Sie wird unter ihrem Buchwert gehandelt, das 2019er-Kurs-Gewinn-Verhältnis ist einstellig. Auch die üppige Dividendenrendite ist ein Kaufargument. Zumal sich Aktionäre auf die neunte Dividendenerhöhung in Folge freuen können.





Henkel St.: Eine saubere Sache mit soliden Margen



Der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern hat mit seinen Klebstoffen, Waschmitteln und Körperpflegeprodukten zurzeit vor allem mit zwei Herausforderungen zu kämpfen.

Zum einen steigen die Materialkosten, zum anderen belasten Wechselkurseffekte. 40 Prozent der Konzernerlöse generiert Henkel in Schwellenländern. Währungsturbulenzen wie dieses Jahr in der Türkei und in Russland schlagen deshalb negativ durch und kosteten allein im Zeitraum von Januar bis September 2018 auf der Umsatzseite 900 Millionen Euro.

Umso bemerkenswerter ist es, dass es dem DAX-Unternehmen trotzdem gelingt, dank neuer Produkte, höherer Preise und konsequenter Kostensenkungen die operative Marge langsam, aber kontinuierlich weiter auszubauen.

Bilanziell ist Henkel grundsolide aufgestellt. Die Eigenkapitalquote liegt bei 56 Prozent, der freie Cashflow blieb konstant bei über 1,1 Milliarden Euro.

Das aktuelle Kursniveau bietet langfristig orientierten Anlegern gute Einstiegschancen. Die Inhaberstammaktien sind günstiger bewertet als die im DAX notierten Vorzüge. Überhaupt ist Henkel eine bessere Wahl als Procter & -Gamble oder Unilever. Beide Wettbewerber werden an der Börse bei vergleichbaren Wachstumserwartungen im mittleren einstelligen Bereich auf Sicht der nächsten zwei Jahre mit einem 2019er-KGV von 20 wesentlich teurer bezahlt.





Kion: Kein Grund mehr zum Tiefstapeln



Rund ein Drittel ihres Werts hat die Aktie des MDAX-Unternehmens Kion seit ihrem Jahreshoch verloren. Dabei hat der breite Markt noch nicht erkannt, dass es beim Spezialisten für Gabelstapler und Lagertechnik nach einem schwachen ersten Halbjahr wieder aufwärtsgeht.

Bei den Auftragseingängen verbuchte Kion im dritten Quartal ein Plus um 11,8 Prozent auf 6,37 Milliarden Euro. Der Umsatz kam um 2,4 Prozent auf 5,77 Milliarden Euro voran. Fahrt nimmt auch das Geschäftsfeld Lieferkettenlösungen auf, bei dem es um Automatisierung von Lagersystemen geht. Die Sparte kam vor rund zwei Jahren durch die Übernahme des US-Konzerns Dematic hinzu.

Auch die Lieferengpässe bei einzelnen Zulieferern hat Kion nun im Griff. Die bereinigte operative Marge kletterte wieder auf 9,3 Prozent. Erreicht das Unternehmen die vom Vorstand gerade bestätigte Umsatz- und Gewinnprognose, sollte ein solcher Wert am Ende auch fürs Gesamtjahr herauskommen. Die Ertragsdelle der vergangenen zwei Jahre mit einem Margenwert von sieben Prozent wäre damit ausgebügelt.

Der aktuelle Börsenwert liegt deutlich unter dem für 2018 erwarteten Umsatz. Und nach dem Gewinnrückgang für 2018 lässt das auf Sicht der nächsten zwei Jahre erwartete jährliche Gewinnwachstum von durchschnittlich 25 Prozent der Aktie jede Menge Spielraum nach oben.





Koenig & Bauer: Nach Kursrutsch günstig zu haben



Die Aktie des Druckmaschinenherstellers kam dieses Jahr kräftig unter die Räder. Weil die Branche zu den Frühzyklikern zählt, so die Einschätzung von Investoren, treffe die befürchtete Abkühlung der Konjunktur Firmen wie Koenig & Bauer früher als andere Maschinenbauer. Dazu haben die jüngsten Quartalszahlen enttäuscht.

Lieferengpässe bei Bauteilen, so Firmenchef Claus Bolza-Schünemann, hätten das Neugeschäft gebremst und dafür gesorgt, dass Kunden Aufträge in das Schlussquartal 2018 verschoben. Die Folge: Umsatz und operatives Ergebnis lagen im Zeitraum von Januar bis September unter dem Vorjahreswert.

An den Jahreszielen für 2018 hält das SDAX-Unternehmen fest. Der Umsatz soll um vier Prozent wachsen, die operative Marge soll bei sieben Prozent herauskommen. Zugleich untermauert der Auftragseingang, dass das Geschäft weiter läuft: Mit 943,2 Millionen Euro lag er zum 30. September weiterhin deutlich über dem Konzernumsatz von 788,8 Millionen Euro. Und anders als noch im Jahr davor war der operative Cashflow mit 50,5 Millionen Euro bereits positiv.

Fürs Jahr 2018 wird der Druckmaschinenbauer einen Gewinnrückgang verbuchen. Ziehen die Margen wie erwartet spätestens im zweiten Halbjahr 2019 an, sollte spätestens dann die aktuell klar unterbewertete Aktie wieder ins Laufen kommen.





Krones: Die Flaschen sind jetzt wieder halb voll



Der Hersteller von Getränkeabfüllanlagen hatte im Oktober die Anleger mit einer Gewinnwarnung vergrault. Nur noch 6,5 Prozent und nicht mehr sieben Prozent operative Marge wolle Krones 2018 liefern. Als Ursache nannte der Vorstand steigende Material- und Personalkosten sowie Einmalkosten in Höhe von etwa 20 Millionen Euro in Zusammenhang mit dem Aufbau der neuen Produktionsstätte in Ungarn. Zudem würden die mittelfristigen Renditeziele nicht 2022, sondern erst zwei Jahre später erreicht.

Diese Ertragsdelle ist mittlerweile eingepreist. Von einer rückläufigen Nachfrage ist nach wie vor nichts zu sehen: Mit 2,9 Milliarden Euro blieb der Auftragseingang zuletzt weiterhin deutlich über dem Umsatz von 2,7 Milliarden Euro.

Die Bilanz des praktisch schuldenfreien Familienunternehmens kann sich sehen lassen. So bleibt Spielraum für Akquisitionen. Zuletzt wurde die Sparte Prozesstechnik durch kleinere Übernahmen in den USA und in China verstärkt.

Zugleich soll das Geschäft bei den Dienstleistungen noch globaler werden, um künftig regionale Nachfrageschwankungen besser ausgleichen zu können. Damit das für 2019 erwartete Gewinnwachstum von 20 Prozent erreicht wird, müssen die Kunden die im Mai 2018 eingeführten Preiserhöhungen akzeptieren. Mutige Investoren bauen auf dem aktuellen Kursniveau erste Positionen auf.





Lonza: Lukrativer Produktmix wird sich auszahlen



Der Schweizer Konzern produziert biopharmazeutische Wirkstoffe sowie Zwischenprodukte für die Nahrungsmittel- und Agrarbranche. Lonza ist mitten im strukturellen Umbau - und das sollte sich für Anleger in Form höherer Kurse auszahlen. Die Gesellschaft will sich in Zukunft ganz auf biopharmazeutische Wirkstoffe konzentrieren. Zu diesem Zweck wird das Portfolio um margenschwache Bereiche bereinigt.

Jüngster Coup ist der Verkauf der Sparte Wasseraufreinigung. 630 Millionen US-Dollar legt die US-Investmentgesellschaft Platinum Equity für das Geschäft mit seinen sechs globalen Produktionsstätten auf den Tisch. Für das laufende Geschäftsjahr ist Lonza noch zurückhaltend. Der Umsatz soll im mittleren bis hohen einstelligen Bereich wachsen, die bereinigte Betriebsgewinnmarge soll sich auf dem Halbjahresniveau von 26 Prozent bewegen.

Die Integrationskosten für die 2017 übernommene Firma Capsugel belasten indes das Ergebnis. Die 5,5 Milliarden US-Dollar schwere Transaktion beinhaltet auch übernommene Verbindlichkeiten in Höhe von gut zwei Milliarden US-Dollar. Richtig durchstarten will Lonza dann 2019: Die Konsensschätzungen erwarten ein Gewinnplus von 40 Prozent.

Dabei arbeitet die Firma bereits hochprofitabel: Die Kapitalrendite lag 2017 bei 11,6 Prozent und damit über dem Industriedurchschnitt von 8,8 Prozent.





Philips: Medizintechnik sorgt für neue Lichtblicke



Der niederländische Konzern kommt bei seiner stärkeren Ausrichtung auf die Medizintechnik voran. Philips will sich hier als Komplettanbieter positionieren, der von der Diagnostik bis zur Patientenversorgung zu Hause alles aus einer Hand offeriert.

Akquisitionen und Kooperationen spielen eine wichtige Rolle. Die nötigen liquiden Mittel besorgt sich die Gesellschaft über den Verkauf von Anteilen an der ausgegliederten und separat gelisteten Lichttechniktochter Signify.

Spannend aus Anlegersicht ist das Verbesserungspotenzial bei den Margen. Während Philips hier zuletzt auf Ebitda-Basis 15,1 Prozent einfuhr, kam Konkurrent Siemens Healthineers auf 18,2 Prozent. Die jüngsten Quartalszahlen enttäuschten. Das Management um Konzernlenker Frans von Houten macht dafür vor allem negative Währungseffekte verantwortlich.

Die mittelfristigen Ziele sind ambitioniert. Im Zeitraum von 2017 bis 2020 will Philips den Umsatz aus eigener Kraft um vier bis sechs Prozent steigern und die operative Marge jährlich um rund ein Prozent. Treibende Kraft für den 2019 erwarteten Gewinnsprung ist das gut laufende Geschäft mit Diagnose- und Behandlungsgeräten.

Liefert Philips in den nächsten Quartalen, wird das den -Aktienkurs beflügeln. Mit einem 2019er-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18,3 ist die Aktie allemal günstiger bewertet als Siemens Healthineers (24).





VF Corporation: Höhere Margen dank Portfoliobereinigung



Zwei Jahre lang herrschte beim US-Modekonzern Ertragsflaute, doch nun ist wieder Wachstum angesagt, dank Marken wie Vans, The North Face und Timberland. Hochwertige Freizeitbekleidung und Schuhe sind gerade in den USA gefragt.

Das kommt Firmen wie VF Corporation zugute, die über ein attraktives Markensortiment verfügen. Anders als mancher Konkurrent versteht es das Unternehmen, mehrere Absatzkanäle zu bespielen.

Allein bei Vans stiegen die Onlineverkäufe im vorigen Quartal um 55 Prozent. Weil das am 31. März endende Geschäftsjahr 2018/19 gut anlief, hob das Management die Gewinnerwartung auf 3,65 US-Dollar je Aktie an.

Auf der Kostenseite zahlt sich aus, dass rund ein Drittel aller Kleidungsstücke in firmeneigenen Fabriken hergestellt werden. Das schafft Freiraum beim Optimieren der Produktion. Außerdem hat der Konzern seine Lieferketten gestrafft. Branchenexperten erwarten, dass eine Portfoliobereinigung die Margen treiben wird.

Die Jeansmarken Wrangler und Lee, deren Umsätze zuletzt unter der Pleite der Handelskette Sears litten, sollen im April 2019 über ein separates Listing abgespalten werden.

Neben der noch recht günstigen Bewertung spricht die aktionärsfreundliche Ausschüttungspolitik für die Aktie: Die Dividende ist in den vergangenen Jahren trotz Wachstumsdelle deutlich gestiegen.