Im Mai ist Europawahl und nicht nur Meuthen spricht nun von einem möglichen Aufschwung rechtspopulistischer und EU-kritischer Parteien. Nach aktuellen Projektionen könnten diese Kräfte 20 bis 30 Prozent der Sitze erobern und im Extremfall sogar stärkste Kraft werden - falls sie sich zusammenschließen. Meuthen hat dies ausdrücklich zum Ziel erklärt, und auch der US-Ideologe Steve Bannon meint, er könne die Rechte in Europa einen.

Dass dieser Schulterschluss tatsächlich gelingt, ist zweifelhaft. Und ironischerweise wird das Prestigeprojekt der EU-Gegner - der Brexit - das Lager im Mai erst einmal schwächen. Trotzdem prägt die Populismusdebatte bereits den aufkommenden Wahlkampf. Die traditionellen Parteien lässt sie erschaudern. Bei dieser Wahl gehe es um "die Seele Europas", sagt der Sozialdemokrat Frans Timmermans.

HARTE WORTE GEGEN DIE POLITISCHE KONKURRENZ



Klar ist, dass Parteien wie die AfD, die italienische Lega, die österreichische FPÖ oder die Nationalen Sammlungsbewegung (Rassemblement National) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen die Europäische Union in ihrer jetzigen Form nicht mehr wollen. Einige wollen sie gar nicht mehr.

Meuthen sprach sich zwar beim Parteitag gegen einen "Dexit" aus, gegen den EU-Austritt Deutschlands. Die als Anti-Euro-Partei gegründete AfD will jedoch ein "Europa der Vaterländer" statt einer EU mit gemeinsamen Standards von der Wasserqualität bis zur Spielzeugsicherheit und einer gemeinsamen Politik vom Klimaschutz bis zum Asyl. Union, SPD, Liberalen und Grünen unterstellt Meuthen, die "Auflösung der Nationalstaaten zugunsten eines EU-Superstaates" zu betreiben, den Grünen gar, sie wollten eine "EUdSSR". Keine der genannten Parteien hat dies tatsächlich im Programm.

Breitseiten gegen Brüssel kommen gut an bei einer nicht kleinen Minderheit der Wähler. Der italienische Lega-Chef Matteo Salvini punktet mit Anti-EU-Rhetorik im Haushalts- und im Migrationsstreit mit Brüssel, Heinz-Christian Strache von der österreichischen FPÖ warnt vor einem "zentralistischen europäischen Bundesstaat" und stellt EU-Grundprinzipien wie Freizügigkeit in Frage. Der Ungar Viktor Orban stemmt sich gegen ein angebliches "Diktat der EU".

Sie alle, Strache, Salvini und Orban seien "natürliche Verbündete" der AfD, sagte Meuthen beim Parteitag. Er bereite bereits eine Kooperation im neuen Parlament vor, auch wenn er "hier nicht in aller Öffentlichkeit in die Tiefe gehen" könne: "Was wir gemeinsam im Sinn haben, und da könnte ich für viele sprechen, mit denen ich das plane, ist eine große starke Fraktion, mit der wir die zweitgrößte Fraktion im Parlament sein können. Das ist die Aufgabe, daran arbeite ich."

DIE ZERSPLITTERTE RECHTE



Bisher haben die EU-Kritiker und Populisten im Europaparlament vergleichsweise wenig Einfluss, obwohl sie schon heute rund 20 Prozent der 751 Mandate halten. Denn sie sind nicht nur in ihren Zielen und im Ton sehr unterschiedlich, sie verteilen sich auch auf drei verschiedene Fraktionen.

Die EKR vereint eher gemäßigt EU-skeptische Abgeordnete, darunter die britischen Konservativen. In der EFDD sitzen so unterschiedliche Kräfte wie die italienischen Fünf Sterne und die Brexit-Partei Ukip. Und in der ENF wiederum sind Rechte und Nationalisten wie Le-Pen-Anhänger und die Lega. Daneben gibt es 23 fraktionslose Abgeordnete, von denen etliche ebenfalls sehr EU-kritisch eingestellt sind.

Europaexperte Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik betont, wie schwierig die Vorausschau auf eine Wahl sei, bei der nach dem Brexit noch 705 Mandate zu vergeben sind. Doch wagt er zwei vorsichtige Prognosen: Einiges spreche dafür, dass die EU-skeptischen Parteien trotz ihrer jüngsten Erfolge bei etwa 20 Prozent verharren - vor allem wegen des Abschieds britischer Nationalisten. Und: "Aus inhaltlichen Gründen ist eine durchsetzungsfähige Zusammenarbeit auch in Zukunft wenig wahrscheinlich."

So hält sich zum Beispiel Straches FPÖ mit Aussagen zu möglichen Allianzen zurück. Man werde das Wahlergebnis abwarten und dann schauen, was sich ergeben könnte, sagt ein FPÖ-Sprecher. Salvini wiederum hat zwar öffentlich Allianzen sowohl mit Orban als auch mit Le Pen verkündet, aber noch bleiben viele Fragen offen.

WENN POPULISTEN POPULISTEN ÜBERTÖNEN



Den aktuellen Haushaltsstreit mit Brüssel nutzt Salvini vor allem zur Mobilisierung, genau wie sein - ebenfalls populistischer, aber nicht unbedingt rechter - Koalitionspartner Fünf Sterne. Beide Regierungsparteien hätten die Europawahl schon fest im Blick, sagt Caroline Kanter von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom. "Mit ihrem bisherigen Kurs - "Italy first" und der Verbalkritik an den EU-Institutionen - konnten sie bislang bei ihren Wählern punkten."

Die Fünf-Sterne-Partei wird aber von der Lega übertönt und muss in Umfragen Prozentpunkte abgeben. Parteichef Luigi Di Maio kündigte zwar unlängst eine Allianz für die Europawahl an, allerdings mit dem Fokus Umwelt und Soziales. Wer dabei sein soll, sagte Di Maio noch nicht. Salvini hat seinerseits mit seinem angeblichen Partner Orban in der Migrationsfrage krasse Differenzen, weil Italien die Migranten gerne in Europa verteilen will - wogegen sich Ungarn besonders wehrt. Auch beteuert der Rechts-Konservative Orban nach wie vor, dass er mit seiner Fidesz in der Europäischen Volkspartei bleibt - und die EVP hält bislang zu ihm.

Der US-Ideologe und ehemalige Trump-Wahlkampfmanager Bannon kommt seinerseits mit seiner im Sommer groß angekündigten "Bewegung" der Rechten kaum voran, wie der britische "Guardian" berichtet. Wahlgesetze in vielen EU-Ländern setzten ihm Schranken, und viele europäische Rechtsparteien hätten kühl reagiert, auch die AfD.

Die "nationale Internationale" kranke daran, dass jede Partei die eigene Nation wieder groß machen wolle, analysiert von Ondarza. Deutschland zuerst, Italien zuerst, Finnland zuerst - das geht der Logik folgend wohl nicht gleichzeitig. Auch deshalb hält der Experte eine große Sammlungsfraktion der EU-Kritiker für unwahrscheinlich, wenn auch nicht für völlig ausgeschlossen. Entscheidend könnte am Ende sein, ob sich Orban vielleicht doch von der EVP trennt.

EIN KOMMISSIONSPRÄSIDENT SALVINI?



Käme es tatsächlich zur geeinten Rechte, wären die Folgen für die EU kaum absehbar. "Eine solche Sammlungsbewegung hätte durchaus das Potenzial, zur größten oder zweitgrößten Fraktion im EP zu werden", meint von Ondarza. Größte Fraktion, das hieße dann auch, dass die EU-Kritiker Anspruch auf zentrale Posten der ihnen so verhassten Gemeinschaft erheben würden.

Salvini hat eine Kandidatur als Präsident der EU-Kommission schon einmal leichthin in die Runde geworfen. "Freunde in mehreren europäischen Ländern bitten mich darum", sagte er der "Repubblica". "Ich hatte noch keine Zeit, den Vorschlag zu bewerten. Bis Mai ist es ja noch lang hin. Schauen wir mal, ich denke drüber nach."

dpa-AFX