Einen immer breiteren Spagat muss RTL in Zukunft schaffen. Konkurrenten wie die Streaminganbieter Netflix oder Amazon Prime bedrohen die Einschaltquoten, während Werbung vermehrt im Internet platziert wird, statt über die Mattscheibe zu flimmern. Um das Wachstum auch künftig zu sichern, baut der TV-Konzern seine Digitalaktivitäten vergleichsweise vorsichtig aus. Denn die Investitionen kosten Geld und sind längst nicht so rentabel wie das klassische Fernsehgeschäft. Ergebnis: Die Gewinnspanne des Medienhauses droht unter Druck zu kommen. Wie der MDAX-Konzern trotz Millionenausgaben für Zukäufe und Margendruck weiter genug verdient, um als Dividendenzahler zu überzeugen, erklärt Finanzchef Elmar Heggen.

BÖRSE ONLINE: Sie wollen 2017 neben der regulären auch wieder eine Sonderdividende zahlen. Wie sicher ist die Auszahlung?


Elmar Heggen: Über eine Sonderdividende entscheiden wir jeweils zum gegebenen Zeitpunkt, das nächste Mal im August. Sicher, wir haben ein ertragreiches Geschäft mit einem Cashflow aus betrieblicher Tätigkeit in Höhe von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2016. Nach Zahlung der ordentlichen Dividende von drei Euro je Aktie haben wir immer noch die nötigen Finanzmittel für Investitionen und weitere attraktive Dividenden.

Woher kommt das Geld für weiter hohe Ausschüttung und gleichzeitige Investitionen?


Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wir haben bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt, dass wir unser Grundstück und unsere neuen Gebäude in Luxemburg verkaufen werden - ein typisches Sale-and-lease-back-Geschäft. Das allein würde 150 Millionen Euro bringen. Dann werden wir in den kommenden Monaten entscheiden, ob wir die Call-Option für unsere Werbetechnologieplattform SpotX ausüben und die restlichen Anteile erwerben werden. Und wie bereits angekündigt, untersuchen wir derzeit alle strategischen Optionen für unsere 51-Prozent-Beteiligung am Youtube-Netzwerk Broadband TV.

Broadband TV (BBTV) bewertet Shahrzad Rafati, Gründerin und zweitgrößte Gesellschafterin, mit mindestens einer Milliarde Dollar.


Nur bei einem Verkauf und der in der Presse genannten Bewertung. In dem Fall wären wir zum idealen Zeitpunkt eingestiegen. Für unseren Anteil haben wir vor fast vier Jahren 27 Millionen Euro bezahlt. Seither hat sich der Umsatz fast verzehnfacht. Die Frage lautet daher, was bringt der RTL Group den größten Wert? Verkaufen oder Börsengang, Behalten oder Aufstocken oder vielleicht ein strategischer Partner? Das prüfen wir derzeit mit offenem Ausgang.

Und das heißt konkret?


Ich rechne damit, dass wir auch bei weiteren Investitionen von einigen positiven Sondereffekten profitieren. Daher sollten wir uns, wie in den Vorjahren, eine Zwischendividende leisten können. Das möchte ich aber nicht versprechen, diese Entscheidung trifft der Verwaltungsrat zum gegebenen Zeitpunkt. Die Wahrscheinlichkeit schätze ich allerdings recht hoch ein.



Für Ihr Digitalgeschäft suchen Sie kleinere Zukäufe. Verlangsamt sich damit das digitale Wachstum?


Wir gehen davon aus, auch in Zukunft deutlich zweistellige Wachstumsraten im Digitalgeschäft zu erzielen. Wir haben in den Jahren 2013 bis 2016 investiert und sozusagen fast aus dem Nichts 670 Millionen Euro reines Digitalgeschäft aufgebaut. So würden wir gerne weiter machen. Zukünftig wollen wir besonders in digitale Werbetechnologien und Online-Video investieren. Diese Firmen sind aber meist noch sehr jung und benötigen Anschubfinanzierung. Ich glaube daher nicht, dass wir anfangen müssen, hohe dreistellige Millionensummen für einzelne Geschäfte auszugeben. In unserem Digitalgeschäft sind wir nicht abhängig von einzelnen Unternehmen, da es genauso breit aufgestellt ist wie die RTL Group insgesamt. Wir streuen unser Risiko.

Trotz Diversifikation erzielt Ihr Digitalportfolio sehr viel niedrigere Margen. Wann wird Digital so profitabel wie TV?


Das ist nicht der richtige Vergleichsmaßstab. Im Übrigen sind wir etwa im Bereich der digitalen Werbevermarktung wie mit SpotX sehr profitabel. Im Produktionsgeschäft von FremantleMedia arbeiten wir auch mit anderen Margen als im Sendergeschäft. Ein Großteil unserer digitalen Geschäfte sind Service- und Dienstleistungsgeschäfte und findet zudem auf Youtube statt. Da geben Sie von jedem Euro Umsatz erst mal einen Teil an Youtube.

Droht die Profitabilität damit unter Druck zu kommen?


Bislang haben wir das Digitalgeschäft kräftig ausgebaut, ohne die operative Marge zu senken, die 2016 bei 19,3 Prozent lag. Uns geht es immer darum, langfristig Werte zu generieren, statt kurzfristig Profit zu machen. Sicher können wir von Investitionen in kleinere, noch wachsende Unternehmen keine Margen von 20 bis 30 Prozent erwarten, wie wir sie im TV-Geschäft haben.

Wenn es weniger rentiert, warum überhaupt ins Digitalgeschäft investieren?


Weil es fatal wäre zu unterstellen, dass die Fernsehwelt in zehn Jahren noch ganz genauso aussieht wie heute. Wir schauen uns die Entwicklungen natürlich an. Dementsprechend sind wir bereit, mit neuen Investitionen längere Amortisierungsphasen zu akzeptieren, insbesondere im Digitalgeschäft. Wir nutzen unsere heute starken Cashflows aus dem klassischen TV-Geschäft, um morgen Marktführer im Digitalgeschäft zu sein.

Nur leidet bis dahin die Marge?


Wir vergleichen das gern mit dem Start des Privatfernsehens in den 80er-Jahren. Zu Beginn wollten wir zeigen, dass wir Zuschaueranteile gewinnen können. Nach der Etablierung als Platzhirsch haben wir begonnen, unsere Marktstellung zu monetarisieren. Das hat damals gedauert und wird im Digitalen nicht anders sein, aber wir haben die Cashflows, um uns hier einen längeren Atem erlauben zu können.



Warum investieren Sie dann gleichzeitig in neue TV-Formate?


Das eine schließt das andere ja nicht aus. Unsere Investitionsschwerpunkte sind das Digital- und das Inhaltegeschäft. Um wirklich attraktiv für unsere Zuschauer zu sein, brauchen wir gute Inhalte. Unser hoher Anteil an lokalen Eigenproduktionen unterscheidet uns etwa von ProSiebenSat.1 oder den Streamingplattformen wie Netflix oder Amazon Prime. Heute finden Sie zahlreiche US-Serien immer häufig zuerst bei den bekannten Streamingdiensten. Mit Nachahmerformaten oder alten US-Serien allein werden Sie daher nicht bestehen können. Was die Zuschauer aber immer suchen, ist einen Bezug zu sich selbst und ihrer Lebenswelt.

Also gilt das Motto: Die Lebenswelt im Fernsehen und die Qualität bei den Streamingdiensten?


Das würde ich so nicht sagen. Auch wir haben hochwertige Sendungen wie "Deutschland ’83" oder den "Club der roten Bänder" im Programm. Jüngst liefen die UFA-Produktionen "Charité" oder "Der gleiche Himmel". Ende April startet auf dem US-Sender Starz die FremantleMedia-Serie "American Gods". Nur können Sie als klassischer Free-TV-Anbieter von Kritikerlieblingen allein nicht leben. Würden wir das versuchen, hätten wir sicher intensivere Diskussionen mit unseren Aktionären.

Wovon leben Sie dann?


Wir brauchen den richtigen Mix, und den scheinen wir mit unseren Angeboten zu bieten. Heute können Sie Bewegtbildinhalte über so viele Kanäle empfangen und haben eine riesige Auswahl. In diesem Umfeld mit einem einzelnen TV-Sender über das gesamte Jahr noch einen deutlich zweistelligen Zuschauermarktanteil zu erzielen schafft in Deutschland heute nur noch RTL.

Auf Seite 4: Einschätzung der Redaktion





Einschätzung der Redaktion



2016 zahlte RTL vier Euro Dividende je Aktie. Ein Euro floss als Zwischen­dividende. Das Muster wird sich 2017 wiederholen. Wermutstropfen ist die ­Digitalmarge, so dürften etwa die größeren Beteiligungen BBTV oder Stylehaul bestenfalls einstellige Margen haben.