Meist saft- und kraftlos präsentierten sich europäische Versorgeraktien im laufenden Bullenmarkt - im Vergleich zum Gesamtmarkt. Der Stoxx Europe 600 Utilities Performance Index trat von Mitte 2014 bis Mitte 2018 im Großen und Ganzen auf der Stelle. Doch seit einigen Monaten sind die Akkus wieder gefüllt und es gelingt erstmals seit Längerem, besser abzuschneiden als der Stoxx Europe 600 Index. Im Juli reichte es sogar zum höchsten Indexstand seit zehn Jahren.

Dieser Aufwärtsimpuls passt in mehrfacher Hinsicht in das aktuelle Umfeld. Grundsätzlich gelten Versorger ja als defensivere Titel. Der immer noch schwelende Handelskrieg und die damit verbundene Verunsicherung lassen Anleger vermehrt zu defensiven Titeln greifen. Auch schlagen sich Versorger traditionell in der Endphase eines Konjunkturzyklus gut. Und genau in diesem Stadium befinden wir uns laut einer wachsenden Zahl von Volkswirten.

Insgesamt dürfte der Versorgersektor die schlimmste Phase wohl hinter sich haben. Große regulatorische Eingriffe, wie die Energiewende in Deutschland, sind in diesem Ausmaß nicht mehr zu erwarten. Viele Branchenvertreter nutzten die Krisenzeit, um sich schlanker aufzustellen und neu auszurichten. Auch die zuletzt wieder gestiegenen Strompreise spielen den Unternehmen in die Hände. Was die Ergebnisaussichten betrifft, rechnen Analysten 2018/19 im Schnitt mit Gewinnsteigerungen von jeweils rund 7,5 Prozent. Das Sektor-KGV liegt geschätzt bei 14,2. Auch in Sachen Dividendenrendite haben Versorger mit durchschnittlich 5,2 Prozent einiges zu bieten.

Erweisen sich die Annahmen als richtig und bleibt uns das skizzierte Umfeld erhalten, eignen sich europäische Versorger durchaus als Depotbeimischung.

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Favoriten-Quartett



Selbst die arg gebeutelten deutschen Versorger befinden sich seit geraumer Zeit klar auf Erholungskurs. In nur gut fünf Monaten legte DAX-Vertreter RWE um 43 Prozent zu. Hier half sicherlich der jüngst gefasste Bundestagsbeschluss, der den Essenern für den Atomausstieg eine Entschädigung verspricht. Vor allem aber wird der Konzernumbau honoriert, durch den laut Credit Suisse künftig mehr als 60 Prozent des Ebitda aus erneuerbaren Energien stammen. Stimmt die Konsensschätzung, wonach der Gewinn je Aktie bis 2022 auf 2,74 Euro steigen soll, wäre die Bewertung deutlich zu niedrig. Zumal dafür auch die Dividendenprognose spricht, die im genannten Zeitraum von 0,69 auf 1,15 Euro ansteigen soll.



Ähnlich wie bei RWE sehen Kursverlauf und Chartbild auch bei Eon aus. Am zweiten Versorger aus dem DAX lässt sich verdeutlichen, wie sehr sich der deutsche Energiesektor gewandelt hat. Der Konzern ist gerade dabei, die RWE-Beteiligung an Innogy zu übernehmen. Im Gegenzug bekommt der ehemalige Konkurrent RWE Anteile an Eon. Letztlich resultiert daraus eine Fokussierung auf das Geschäft mit Energienetzen und Dienstleistungen. Die Neuaufstellung bringt etwa Fondsmanager Jens Ehrhardt zu folgendem Urteil: "Angesichts des hohen Anteils aus reguliertem Geschäft, der üppigen Dividendenrendite sowie der perspektivisch günstigen Bewertung eignet sich Eon gut als defensiver Wert, der sich vor allem in einem schwierigen Börsenumfeld besser als der Markt entwickeln dürfte."

Eine solide Performance trauen wir auch Iberdrola zu. Der zweitgrößte Stromproduzent Spaniens hat sich mit Zukäufen zu einem globalen Spieler mit Schwerpunkt erneuerbare Energien entwickelt. Das Geschäftsrisikoprofil bewerten die LBBW-Analysten dank der breiten geografischen Diversifizierung positiv. Zudem könne Iberdrola bei der Stromerzeugung auf einen optimierten Energiemix mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien und einem flexiblen Kraftwerkseinsatz zurückgreifen. Nach einem guten ersten Quartal zeigte sich der Vorstand zuversichtlich für das Gesamtjahr. Analysten sehen den Gewinn von 2017 bis 2022 von 0,44 auf 0,58 Euro je Aktie steigen, woraus sich eine moderate Bewertung ergibt. Außerdem errechnet sich bei einer erwarteten Ausschüttung für 2018 von 0,34 Euro je Aktie eine Rendite von fünf Prozent.

Vierter Favorit ist der Schweizer Wert BKW. Unter der Leitung von Vorstandschefin Suzanne Thoma ist diese Gesellschaft dabei, sich zum Energie- und Infrastruktur-Dienstleister zu wandeln, wobei auch erneuerbare Energien an Bedeutung gewinnen. Bereits beim Amtsantritt 2013 entschied Thoma den Atomkraftausstieg. Als Folge davon bezieht man keinen Atomstrom mehr aus Frankreich, das heimische AKW soll stillgelegt werden. Im Vorjahr erzielte man beim Betriebsergebnis den besten Wert seit zehn Jahren. Ein striktes Kostenmanagement und die verstärkte Ausrichtung auf Wachstumsfelder bringen uns zu der Annahme, dass die BKW auch künftig überzeugende Ergebnisse abliefern kann. Die Wertschätzung der Börse zeigt sich an einem Kursanstieg seit Januar 2015 von in der Spitze 154 Prozent. Ein Beleg dafür, wie sehr ein gutes Management auch die oft als langweilig verschrienen Versorger-Aktien unter Strom setzen kann.



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Auf einen Blick: Versorger