Für Probiodrug läuft die spannendste Phase in der 18-jährigen Firmenhistorie. Die seit Oktober 2014 an der Börse Amsterdam gelistete, in Halle an der Saale beheimatete Biotechfirma führt in sechs europäischen Staaten eine klinische Wirksamkeitsstudie für ihr Heilmittel gegen Alzheimer durch. Die Ergebnisse werden für Mitte des nächsten Jahres erwartet.

Das Präparat mit dem Projektnamen PQ912 setzt am Eiweißmolekül Pyroglutamat-Abeta an. Diese Substanz gilt als Auslöser für die Bildung toxischer Beta-Amyloid-Plaques, die sich in den Nervenzellen von Alzheimerpatienten ablagern. Die Plaques galten lange als Hauptursache für das Absterben von Nervenzellen. "Nach heutigem medizinischen Verständnis bilden die Vorstufen der Plaquebildung den Auslöser, und genau hier setzt unser therapeutischer Ansatz an", erläutert Inge Lues, die medizinische Leiterin bei Probiodrug.

Zusammen mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen präsentiert Probiodrug diese Woche auf dem Fachkongress der Society for Neuroscience in Chicago. Der medizinische Bedarf ist angesichts der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden Zunahme von Alzheimererkrankungen enorm (siehe Grafiken rechte Seite). Seit 2007 schaffte kein neues Alzheimermedikament den Sprung auf den Markt. Unzählige Substanzen floppten in klinischen Tests.

"Alzheimer ist weiterhin ein Krankheitsbild, das etwa im Vergleich zur Entstehung von Krebs oder Diabetes noch sehr schlecht verstanden wird. Umso schwieriger ist es, auf dieser wissenschaftlichen Basis Heilmittel mit dem richtigen Wirkprofil zu entwickeln", erläutert Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment.

Etliche Wissenschaftler sind skeptisch, ob die Beta-Amyloid-Plaques tatsächlich eine zentrale Rolle bei der Alzheimerdemenz spielen. "Es ist in der Tat noch offen, ob die Plaquebildung die Ursache oder eine Folge von Alzheimer ist. Das Entfernen der Plaques hätte demnach keinen Einfluss darauf, den Abbau der kognitiven Fähigkeiten zu verlangsamen", so Portfoliomanager Stephen Taubenfeld von BB Biotech. Abnorme Tauproteine, also Proteinfaserbündel, die sich in den Nervenzellen ablagern, könnten der bessere Ansatzpunkt sein: "Die zunehmende Menge dieser Tauproteine korreliert mit dem Abbau der geistigen Fähigkeiten bei den Patienten."

Eine dritte neue Medikamentenklasse geht auf die Blockade der Beta-Sekretase. Dieses Enzym spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Bildung von Beta-Amyloid-Plaques. Biologischen Diagnostikmarkern, die Plaques oder Taufibrillen nachweisen, kommt dabei in Zukunft eine Schlüsselrolle zu, um die Krankheit früher zu identifizieren.

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Diese Firmen spielen vorne mit



Branchenexperten schätzen die jährlichen Spitzenumsätze für ein Medikament, das erstmals direkten Einfluss auf den Krankheitsverlauf nimmt, auf bis zu 15 Milliarden US-Dollar. Fünf Kandidaten befinden sich aktuell in der klinischen Endphase III. Am weitesten fortgeschritten ist der vom US-Pharmakonzern Eli Lilly entwickelte Antikörper Solanezumab. Dabei handelt es sich um einen neuen Anlauf mit einer Untergruppe von Patienten aus einer früheren Phase-III-Studie, die nicht die erwarteten Resultate lieferte. Ergebnisse werden bis Anfang 2017 erwartet. Auf dem aktuellen Niveau ist die Aktie allerdings schon gut bezahlt.

Geht alles glatt, wird auch der US-Pharmakonzern Merck & Co. noch 2017 klinische Endergebnisse für seinen Beta-Sekretase-Hemmer liefern. Die von uns mehrfach empfohlene Merck-Aktie bleibt ebenso kaufenswert wie die Genussscheine von Roche. Der Schweizer Konzern erwägt, neue klinische Studien mit einer geänderten Dosierung für zwei zuletzt gescheiterte Antikörper aufzusetzen. Die hohe Gewinndynamik, die Roche vor allem durch den Verkauf von Krebsmedikamenten bietet, federt das Risiko durch weitere Flops mit den Alzheimerkandidaten ab.

Das aussichtsreichste Präparat in der klinischen Pipeline hat Biogen. Das amerikanische Biotechschwergewicht hat einen Antikörper in der klinischen Entwicklung, mit dem sich der Erhalt von kognitiven Fähigkeiten nach der Verabreichung nachweisen ließ. Die entscheidenden Studienergebnisse in der klinischen Phase III sind allerdings erst für 2019 zu erwarten. Auf dem aktuellen Kursniveau ist die Aktie ein klarer Kauf.



Weitaus größer nach oben und unten ist der Hebel bei Probiodrug und Axovant Sciences. Letztere feierte im Juni ein fulminantes Börsendebüt. Der Emissionserlös von 315 Millionen US-Dollar ist diesjähriger Topwert für eine US-Biotechfirma. Anfang Oktober wurden die ersten Patienten in die Phase-III-Studie einbezogen. Doch Vorsicht: Die klinische Pipeline von Axovant besteht aus einem Produkt. Das verhält sich bei Probiodrug ähnlich - allerdings zu einem Zehntel des Börsenwerts von Axovant. Dazu hat Probiodrug zwei weitere präklinische Kandidaten hinter PQ912. Die Aktie ist eine hochspekulative Beimischung fürs Depot.

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