Herr Naoum, SAP hat die Nationalmannschaft zur WM vor vier Jahren mit einer umfassenden Software-Lösung unterstützt, die neben Ticketing auch Tools zur Trainingssteuerung oder der individuellen Stärken- und Schwächen-Analyse der Gegner enthielt. 2014 ist Deutschland Weltmeister geworden. Jetzt hat SAP die Lösung noch mal verfeinert. Die Titelverteidigung ist für Jogis Jungs also eigentlich nur noch Formsache, oder?


Das wünschen wir uns natürlich (lacht).

Wie haben Sie ihr Produkt SAP Sports One denn vor der WM in Russland konkret aufgebohrt?


Wir haben unsere Lösung um zwei Bereiche deutlich erweitert: Das Video Cockpit und das Player Dashboard. Zum einen kann das Trainer-Team und die Scouting-Abteilung mit dem Video Cockpit die Analyse der wichtigsten Szenen und relevanten Informationen schnell zur Verfügung stellen. Zusätzlich können sie jetzt auch qualitative Bewertungen aus der Gegner-Beobachtung zum Beispiel durch das Scouting-Teams und den Spielen einstellen.

Und beim Player-Dashboard?


Im Player-Dashboard erhalten die Spieler weiterführende Informationen zu Spielcharakteristiken und können jetzt auch gezielt Szenen zu bestimmten Spielsituation suchen, zum Beispiel Verhalten bei Gegenpressing. Außerdem können die Spieler auch selbst zusätzliche Szenen oder andere Informationen beim Trainerteam anfordern.

Der DFB war von Anfang an sehr offen für technologische Innovationen. In der Bundesliga hat mit der TSG Hoffenheim der Club von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp die Vorreiter-Rolle übernommen. Auch der FC Bayern und Hertha BSC vertrauen inzwischen auf SAP. Aber viele andere Vereine halten sich bei diesem Thema offenbar zurück. Verpasst die Bundesliga technologisch den Anschluss?


Im Gegenteil. In der ersten, zweiten und dritten Bundesliga setzen insgesamt bereits 18 Clubs unsere Lösung ein. Weltweit haben wir inzwischen 45 Kunden, darunter den FC Bayern oder Manchester City.

Die IT-Branche ist in den vergangenen Monaten wegen des vielfach sehr laxen Umgangs mit Nutzerdaten in die Schlagzeilen geraten. Sie erfassen mit SAP Sports One sehr persönliche Daten, ob das Infos zum Schlafverhalten sind, oder Krankheits- und Verletzungsdaten sowie Behandlungsmethoden. Wie sicher sind die Daten bei Ihnen?


SAP Sports One ist eine Cloud-Lösung. Die Kunden greifen via Web auf die Daten in unseren Rechenzentren zu. Hier gelten selbstverständlich die strengsten Sicherheitsanforderungen.

Aber was ist, wenn ein Spieler den Club wechselt: Wem gehören die Daten? Dem Spieler, dem Club?


Der Club ist der Lizenznehmer. Für die Daten ist der Verein verantwortlich.



SAP will Sports One mittelfristig um künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen erweitern. Wie muss man sich das vorstellen?


Heute wird bei der Spielanalyse sehr viel manuell erledigt. Ein Scout oder Mitglieder des Trainerstabs sind in der Regel vor Ort und schaut sich das Spiel an. Hier setzen wir an. Wir wollen einen Algorithmus entwickeln, der bestimmte Situationen in einem Spiel selbständig erkennen kann, um wiederkehrende Verhaltensmuster in verschiedenen Spielsystemen zu identifizieren. Dazu werden Vergleichsmuster angelegt und die Maschine arbeitet sich durch die Videodaten. Das ist der erste Schritt in der Machine Learning unterstützten Spielanalyse. Der viel wesentlichere Schritt wird sein, nach dem Erkennen von Situationen auch deren Bewertung vorzunehmen. Daran arbeiten wir mit dem DFB.

Wird Machine Learning schon bei der nächsten WM eine Rolle spielen?


In einer Co-Innovationspartnerschaft arbeiten wir zusammen mit dem DFB an einer möglichen Lösungsumsetzung. Über die Realisierungstermine können wir momentan noch keine Aussage treffen..

Und das wird dann auch für andere Sportarten verfügbar sein?


Im Moment fokussieren wir uns auf Fußball. Aber die Algorithmen können auch für andere Sportarten angepasst werden.

Also brauchen wir künftig eigentlich gar keine Scouts mehr, weil die Analyse von Spielsystemen künftig die KI macht?


Doch. Machine Learning und künstliche Intelligenz sollen die Spielbeobachtung erleichtern und beschleunigen, aber nicht ersetzen. Die Entscheidung für eine bestimmte Strategie oder Taktik wird immer der Trainer fällen.

Die Taktik-Tafel muss also noch nicht ins Deutsche Fußball-Museum?


Nein (lacht). Das ist nicht der Fall und wird es auch nicht sein.

Mit Sports One hat SAP-Finanzvorstand Luka Mucic einen Umsatz im dreistelligen Millionen-Bereich angepeilt. Wie weit sind sie davon entfernt?


Über Umsätze mit einzelnen Lösungen geben wir keine Auskunft.

Im Viertelfinale der WM 2006 hat Jens Lehmann bei Elfer-Schießen noch den Spickzettel aus dem Stutzen gezaubert. Jetzt gibt es eine SAP-Penalty-App dafür, es gibt Player Dashboards, Touchscreens und Match Insights. Verliert der Fußball vor lauter Hightech nicht seine Magie?


Überhaupt nicht. Schauen Sie mal, wie es in den 50er Jahren war. Da sind die Spieler am Tag vor dem Match noch in die Kneipe gegangen, haben geraucht und getrunken. Das ist heute völlig undenkbar. Nehmen Sie das Beispiel Elfmeter-Schießen: Früher musste der Torwart oder ein Scout im Vorfeld eines Wettbewerbs mühsam alle Informationen über die Schützen zusammentragen. Diese wurden dem Keeper dann zugerufen oder ihm ein Spickzettel zugesteckt. Das haben wir mit einer entsprechenden Datenbank und der Penalty App erheblich vereinfacht. Jetzt kann der Torhüter per Knopfdruck die jüngsten Elfer des Schützen aufrufen und die Videos dazu sehen. Wir helfen der Mannschaft also dabei, sich noch mehr auf das Wesentliche zu fokussieren. Am Ende geht es da nicht um weniger Fußball, sondern um mehr.