Großinvestor Warren Buffett hat sich sein Portfolio bis zum Rand mit Bankaktien vollgepackt. Er besitzt Finanztitel im Wert von rund 80 Milliarden US-Dollar - das entspricht rund 40 Prozent seiner gesamten Aktienanlagen. In den vergangenen Monaten hat er in JP Morgan Chase, PNC sowie in Travellers investiert. Zudem stockte er seine ohnehin schon recht beträchtlichen Positionen in Goldman Sachs, Bank of New York Mellon, U.S. Bancorp, Bank of America sowie M & T Bank weiter auf.
Mit dieser Wette steht Buffett allein auf weiter Flur. Die meisten Anleger meiden Finanzwerte. Großbanken haben im Durchschnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 11,6, während der Gesamtmarkt mit 21,4 fast doppelt so hoch bewertet ist. Dass Bankaktien extrem unbeliebt sind, zeigt auch ihr Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV) von 1,4 - der S & P 500 Index hat ein KBV von 2,8. Als der Markt zum Jahresende in die Knie ging, zählten Finanzaktien prompt zu den größten Verlierern.

Die amerikanischen Banken weisen Rekordgewinne aus - doch an ihren Aktienkursen ist das nicht zu erkennen. "Mich überrascht, wie sehr der Markt Bankaktien abstraft", sagt Michael Renninger von der Finanzberatung Renninger & Associates. Niemand hat die katastrophale Wirtschaftskrise von vor etwas über zehn Jahren vergessen, in die unvorsichtige US- Banken die gesamte Welt gerissen hatten. "Wann kommt die nächste Krise?", war die erste Frage, die internationale Journalisten bei einer Pressekonferenz der auf Finanzunternehmen spezialisierten Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods (KBW) stellten, und: "Wird die nächste Krise noch schlimmer?"

Mutige sollten erwägen, es Warren Buffett gleichzutun: Bankaktien sind derzeit absolute Schnäppchen. "Banken sind heute viel stärker als 2008", meint Tom Michaud, der Chef von KBW. "Sie sind wesentlich besser mit Eigenkapital ausgestattet. Auch die Liquidität ist viel besser, sodass Banken heute ganz andere Schocks aushalten können", erklärt er weiter. Es ist unwahrscheinlich, dass eine neuerliche Krise sich genau nach dem Drehbuch der überstandenen abspielt und Banken die Auslöser wären.
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Banken erhalten in den USA kräftigen Rückenwind. Sie sind die großen Profiteure von US-Präsident Donald Trumps Steuersenkung. Anders als produzierende Firmen können sie ihre Gewinne nicht ins Ausland verlagern, sondern versteuern sie komplett in den USA. Deshalb schlägt die Senkung der Unternehmensteuersätze von 35 auf 21 Prozent direkt auf die Gewinne durch.

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Weniger Steuern, weniger Regulierung



Dass die regulierungsfeindlichen Republikaner an der Regierung sind, macht sich ebenso bezahlt. Auf Trumps Anweisung hin überarbeitet und lockert die Federal Reserve Bank (Fed) als Bankenaufsicht die nach der 2008er-Krise erlassenen Dodd-Frank-Gesetze. Diese haben die Verschuldungsquote von Banken und deren Möglichkeiten, Risiken einzugehen, stark begrenzt.
Banken wurden nach der Subprime- Krise nicht nur zum Halten von mehr Eigenkapital gezwungen, sondern auch in der Vergabe riskanterer Kredite eingeschränkt. Selbst die Gebühren für Debitkarten wurden limitiert. "Gerade sind wir auf dem Höhepunkt der Stabilität, eine Neuanpassung der Dodd-Frank-Gesetze war überfällig", sagt Frederick Cannon, Chefanalyst bei KBW.

Für Banken sind Kreditausfälle immer der größte Risikofaktor. Bei Vollbeschäftigung und steigenden Löhnen ist von dieser Seite auf absehbare Zeit kein Problem zu erwarten. Das Wirtschaftswachstum von drei Prozent in den USA wirkt nicht übertrieben - es wird wahrscheinlich verhalten weiterlaufen, ohne dass eine nennenswerte Inflation entsteht. Mancher Ökonom macht sich jedoch Gedanken, dass die beflügelnde Wirkung der Steuererhöhungen auf die Konjunktur womöglich bald schon verpufft, ein höheres Zinsniveau zur Abkühlung des Immobiliensektors führt und die von Trump angezettelten Handelsauseinandersetzungen die Exporte lähmen. Der Analystenkonsens lautet, dass die Fed die Zinsen 2019 nur noch zweimal anheben wird, und zwar auf ein Niveau von etwa drei Prozent, um die Wirtschaft nicht zu sehr abzubremsen.

Zinserhöhungen beflügeln Banken, weil sie mehr Spielraum ermöglichen zwischen den Zinsen, die man für Sparvermögen, und den Zinsen, die man für die Kreditvergabe verlangt. Die Erhöhung des Nettozinsaufkommens führte in den vergangenen Monaten zu zweistelligen Gewinnwachstumsraten. Dass die Zinsen nicht zu schnell klettern, ist außerdem gut für Banken. Denn ein allzu rascher Anstieg könnte Kreditausfälle von Unternehmen, die das Zinstief ausgiebig genutzt haben, wahrscheinlicher machen.
Banken sind jetzt mit so viel Kapital ausgestattet, dass sie wie auch viele andere Unternehmen dazu übergehen, ihre eigenen Aktien zurückzukaufen. Für eine Bank ist das jedoch geradezu geschäftsschädigend, weil sie das Kapital, mit dem sie Gewinne erwirtschaften kann, auf diese Weise reduziert. Aktionäre aber reiben sich die Hände, weil Gewinne künftig auf weniger Anteilseigner verteilt sind.

Die aussichtsreichsten Institute



Wells Fargo galt einst als ein Liebling des Aktienmarkts, hat aber sehr viel von seinem Glanz eingebüßt. 2016 erschütterte ein Skandal um Tausende falsche Kundenkonten, die Mitarbeiter ohne Einverständnis der Kunden eingerichtet hatten, die Nation. Nachdem es 2018 weitere Probleme gab, haben Bankregulatoren die Größe der Bank vorläufig auf maximal zwei Billiarden US-Dollar Einlagen beschränkt.
Trotz der negativen Schlagzeilen spricht viel für Wells Fargo. Die Bank ist relativ groß, mischt aber nicht bei komplexen Geschäften und Investmentbanking mit. Bei der Darlehensvergabe konkurrieren die Antragsteller um einen fixen Pool von Geld - das sollte die Kreditqualität erhöhen. Die Zwangsdeckelung sorgt auch dafür, dass Wells Fargo sich von weniger gut laufenden Filialen trennt. Weil Wachstum der Bank verboten ist, gehen die Gewinne wieder an die Anleger - in Form von Divi- denden und Aktienrückkäufen.

Jeder zum Rückkauf von Aktien genutzte US-Dollar steigert die Gewinne, wenn die Wachstumsdeckelung zurückgenommen wird. Die Dividendenrendite von drei Prozent ist etwa doppelt so hoch wie der Marktdurchschnitt. Die M & T Bank in Buffalo im Bundesstaat New York gilt als Übernahmekandidat. Die Bank ist hochprofitabel und sehr effizient - sie erwirtschaftet eine Gesamtkapitalrendite von 1,7 Prozent, während der Durchschnitt ähnlich großer Banken nur 1,4 Prozent erreicht. Ebenso erlitt das Kreditportfolio in Zeiten der Rezession wie zuletzt 2008 deutlich weniger Ausfälle als andere. In der Rezession 2001/02 lief die M & T-Aktie um rund 40 Prozent besser als andere Bankaktien. Hinzu kommt ein für Banken ordentliches Wachstum von 1,5 Prozent pro Jahr. Ein Risiko ist allerdings das Hauptabsatzgebiet von M & T: Es liegt im wirtschaftlich schwachen Norden des Bundesstaats New York.

Die Schlagzeilen im Zusammenhang mit dem 1MDB-Geldwäscheskandal in Malaysia überschatten die Anstrengungen von Goldman Sachs, die Bank breiter aufzustellen und nicht mehr nur die Elite, sondern auch die obere Mittelschicht zu bedienen. Die Onlinebank by Goldman Sachs profitiert davon, dass sie einer mit Nullzinsen aufgewachsenen Generation erstmals eine Sparkultur näherbringt. Das Online-Institut beginnt bei null, ohne dass alte Technologien eingebunden werden müssen. Während traditionelle Banken ihre Filialen reduzieren und ihre älteren Kunden zwingen, auf digitale Services umzusteigen, schöpft Goldman Sachs die attraktivste Kundengruppe ab.
Der Einbruch der Goldman-Sachs-Aktie um ein Drittel, seit der Malaysia-Skandal hochkochte, ist fraglos übertrieben. Momentan bietet sich eine gute und günstige Gelegenheit zum Einstieg in die Investmentbank.

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Das Kreditkartenunternehmen Visa ist keine klassische Bank, aber eng mit der Finanzkraft von Konsumenten verbunden. Visa-Karten werden in den USA bei 15 Prozent aller Transaktionen an Kassen eingesetzt und bei 43 Prozent aller digitalen Einkäufe. Visa ist bestens positioniert, um weiterhin vom Trend zu elektronischem Bezahlen und E-Commerce zu profitieren. Bezahlt machen sollten sich auch die strategischen Partnerschaften mit Fintech-Unternehmen. Insbesondere in Europa ist noch viel Raum für Wachstum in Sachen Kreditkarten. Auch bei Zahlungen zwischen Unternehmen, die klassisch mit Scheck oder Überweisungen laufen, ist noch Zugewinn möglich.

Die First Republic Bank ist eine der wenigen Banken überhaupt, die ein schnelles Wachstum aufweisen. Sie hat vermögende Privat- und Firmenkunden in Großstädten wie New York, Boston oder Los Angeles im Auge. Auch einige Konzerne aus dem Silicon Valley konnte man für sich gewinnen. Kunden der First Republic Bank halten im Schnitt 96 000 US-Dollar auf ihren Bankkonten - das ist mehr als das Zweieinhalbfache dessen, was Amerikaner im Durchschnitt überhaupt gespart haben. Dass ihre Kundschaft so wohlhabend ist, sieht man auch an der niedrigen Rate von Kreditausfällen - selbst im Jahr 2009 verzeichnet die Bank nur 0,48Prozent Ausfälle, während die 50 größten US-Banken eine Ausfallquote von 1,67Prozent verkraften mussten. Wer es also Warren Buffett gleichtun möchte, muss sich nicht den Kopf über Einzelwerte zerbrechen. Anleger können auch einfach die Aktie von Berkshire Hathaway kaufen.



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Auf einen Blick: US-Banken



Sie waren die Schuldigen, die die Krise vor rund zehn Jahren auslösten und die Welt in ein Chaos stürzten. Dafür wurden sie lange Zeit verteufelt und gemieden. Doch Viele US-Institute verbuchen Rekordgewinne und sind stärker und besser aufgestellt denn je.