Ronald-Peter Stöferle ist Partner der Incrementum AG in Schaan, Liechtenstein, und ist dort im Bereich Research und Portfolio Management tätig. 2007 veröffentlichte er erstmals den "In Gold We Trust"-Report, der sich bis heute zu einer Standardpublikation zum Thema Gold, Geld und Inflation etabliert hat.

Sie studierten Betriebswirtschaft und Finanzen an der Wirtschaftsuniversität Wien und an der University of Illinois. Was hat sie damals in die USA verschlagen?
Ich war immer schon gerne im Ausland und bin viel gereist. Daher kam auch der Wunsch, in den USA zu studieren. Der mittlere Westen hatte es mir immer schon angetan. Da ich außerdem ein gewisses Faible für Chicago hatte, hat es sich sehr gut ergeben, dass die Wirtschaftsuniversität Wien eine Partnerschaft mit der University of Illinois unterhielt. So konnte ich dort neun Monate verbringen.

In dieser Zeit sind Sie sicherlich auch viel herumgekommen?
Auf jeden Fall! Ich hatte damals ein Oldsmobile - eine ziemliche Kraxn, wie man bei uns sagen würde - sie hörte auf den Namen "Nancy". Mit Nancy habe ich während meiner Studienzeit in den USA insgesamt 29 Bundesstaaten bereist. Gerade über die Wochenenden und in den Ferien habe ich viele Roadtrips unternommen - unter anderem auch zum Spring Break nach Florida oder Mardi Gras in New Orleans.

Wo hat es Ihnen am besten gefallen?
Das ist schwer zu sagen. Das Campusleben in der Doppelstadt Urbana und Champaign war natürlich toll. Vor allem dreht sich in einer Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern und rund 40.000 Studierenden wirklich alles um die Universität. Das kann man mit den Universitäten hierzulande gar nicht vergleichen. Chicago hat mir auch sehr gut gefallen, dort sind wir oft über das Wochenende hingefahren. Außerdem habe ich noch viel Zeit in San Diego, Kalifornien, bei Freunden verbracht. Das ist auch eine sehr schöne Ecke. Vor allem an den Lifestyle im Süden Kaliforniens kann man sich schon gewöhnen.

Heute sind Sie Spezialist für Gold und Gold-Investments. Was fasziniert Sie an diesem Bereich besonders?
Mich reizt daran, dass sich wirklich jeden Tag etwas tut. Wenn man versucht, Gold zu verstehen - wirklich zu 100 Prozent verstehen kann man das nie - merkt man schnell, wie viele Faktoren Einfluss darauf haben. Dazu zählen etwa die Zinspolitik, die Schuldenpolitik, oder auch die Abhängigkeit vom US-Dollar, um nur einige Beispiele zu nennen. Dieses Jahr dreht sich beispielsweise viel um die Frage wie Demographie die Inflation beeinflusst. Zusätzlich beschäftigen wir uns mit Themen wie Minenaktien, der sicheren Lagerung von Gold, der Wahrscheinlichkeit eines drohenden Goldverbotes, dem Einfluss von Bitcoin auf die Goldpreisentwicklung oder der technischen Analyse des Goldpreises. Manchmal geht es auch um historische Themen wie die Inflation im römischen Reich oder Gold und Silber in der Bibel. Und diese Vielseitigkeit ist es, die mich an Gold so fasziniert.

Ist Gold-Investment aus Ihrer Sicht für jeden Anleger und jede Anlegerin spannend?
Gold ist ein hochemotionales Thema, zu dem fast jeder eine Meinung hat, oder zumindest denkt, eine Meinung haben zu müssen. Das Interesse daran ist vermutlich vor allem der Generation unserer Eltern und Großeltern zuzuschreiben. Sie haben schließlich mehrere Währungsreformen und teilweise auch die Hyperinflation miterlebt. Aber gerade in Schwellenländern mit einer Weichwährung und einer hohen Inflationsrate hat Gold noch mal einen ganz anderen Stellenwert. Als monetäre Absicherung ist Gold aber auch in Deutschland und Österreich geeignet. Gold kann die eigene Kaufkraft sichern, auch wenn die Währung gerade an Wert verliert. Wenn man allerdings auf den schnellen Gewinn aus ist, ist Gold nicht das richtige Asset.

Sollte man also auf jeden Fall Gold in Form von physischem Gold oder auch Minenaktien im Depot halten?
Ich denke, dass sich beides lohnt. Aber beide Investments bergen ganz verschiedene Risiken. Bei Minenaktien gibt es beispielsweise ein unternehmerisches Risiko, ein geologisches Risiko, Management-Risiken und natürlich im Vergleich zu physischem Gold eine hohe Volatilität. Gold hingegen ist purer Besitz. Allerdings wird sich der Goldpreis auch in einem guten Jahr eher nicht verdoppeln - auch wenn wir letztes Jahr eine Steigerung von etwa 25 Prozent gesehen haben. Auf was man setzen sollte, hängt davon ab, ob man auf eine hohe Performance aus ist oder sich für den Worst-Case absichern möchte.

Welche Entwicklung erwarten Sie für den Goldpreis?
Grundsätzlich bin ich sehr optimistisch gestimmt. Schon im vergangenen Jahr hat sich der Goldpreis genau so entwickelt, wie man es in einem derart volatilen Umfeld erwarten würde. Gerade was die Eingriffe der Notenbanken betrifft - die es so übrigens noch nie gegeben hat - hat Gold im ersten Halbjahr für Stabilität im Portfolio gesorgt und die Verluste auf der Aktienseite ausgeglichen. Entscheidend ist aber die Entwicklung der Realzinsen. Sofern diese nicht auf drei oder vier Prozent positiven Realzins steigen, dürfte es für den Goldpreis bergauf gehen. Und dass es zu einem solchen Zinsumfeld kommt, ist zumindest vorerst sehr unwahrscheinlich. Den aktuellen Preis würde ich demnach als Einstiegschance sehen.

Würden Sie sich festlegen, wie viel Prozent Gold in ein Depot gehören?
Das ist pauschal sehr schwer zu sagen. Das hängt unter anderem vom Alter, der Risikobereitschaft und dem Anlagehorizont ab. Wichtig ist auch zu wissen, in welchem Währungsraum gedacht wird. Unsere quantitativen Analysen zeigen aber, dass der Goldanteil im Depot zwischen acht und zehn Prozent liegen sollte.

Was sind Ihre drei Tipps für Börsenneulinge?
Ein wesentlicher Punkt ist, sich zu informieren. Beim Thema Geldanlage entscheiden häufig die Emotionen. Es wundert mich immer wieder, dass sich manche Börsenneulinge beim Kauf eines Kühlschranks oder Autos wochenlang informieren und Preise vergleichen, während sie bei Aktien einfach aus dem Bauch heraus entscheiden. Außerdem sollte man sich selbst Regeln setzen, die man nicht gleich beim nächsten Börsencrash wieder verwirft. Das betrifft vor allem die Punkte Risikotoleranz, Investmenthorizont und Asset-Klassen, in die man investieren möchte. Dafür muss man wissen, mit was man sich am wohlsten fühlt. Ein Marathonläufer wird wahrscheinlich nie ein guter Sprinter werden, oder auch andersrum. Das gilt auch für die Geldanlage: Ist man auf die kurzfristigen Gewinne aus, oder hat man den langfristigen Vermögensaufbau vor Augen? Zusätzlich muss man sich Gedanken über die Werkzeuge machen, die man nutzt, wie etwa die technische Analyse, die fundamentale Analyse oder beispielsweise eine Mischung aus beidem.
Gerade am Anfang lohnt es sich, sich mit kleineren Beträgen auszuprobieren. In der Anfangszeit kann es helfen, ein Trading-Journal zu führen. Erfolgreiche Geldanlage ist zu einem gewissen Grad eine Kunst. Aber es ist eine Kunst, die sich sehr an Disziplin, klare Regeln und Strukturen hält.

Apropos Marathonläufer: Sie sind selbst schon Marathons gelaufen. Was motiviert Sie zu solchen Leistungen?
Ich habe ich immer schon gerne Sport getrieben und habe gemerkt, dass ich eine besondere Stärke beim Laufen habe. Das Laufen steigert mein Wohlbefinden und hilft mir auch, den Kopf freizubekommen.
Ich habe außerdem gerne ein Ziel vor Augen. Auf einen Marathon bereite ich mich sehr akribisch mit Trainingsplänen und einem Mentoring vor. Da ist die Freude natürlich groß, wenn man den Marathon dann erfolgreich absolviert und seine Ziele erreicht. Ich freue mich sehr darauf, wenn solche Läufe nach Corona wieder möglich sind.
Zu guter Letzt habe ich gemerkt, dass man mit zunehmendem Alter nicht mehr so leicht abnimmt wie früher. Insofern dienen die Marathonläufe auch als ein Mittel zum Zweck!

Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen Tag lang überhaupt keine Verpflichtungen: Was würden Sie an diesem Tag unternehmen?
Da ich die frühen Morgenstunden - gerade im Frühling und Sommer - sehr genieße, würde ich vermutlich zeitig aufstehen und erstmal eine große Runde laufen gehen. Danach würde ich ausgiebig frühstücken und Zeit mit meiner Familie und den Kindern verbringen. Vielleicht würden wir einen schönen Ausflug unternehmen oder mit dem Fahrrad zu einer Eisdiele radeln und ein Eis essen. Es muss nicht immer etwas großes oder besonderes sein. Oft sind es die kleinen Dinge, die sehr glücklich machen.

Als Österreicher sind Sie sicherlich auch in den Bergen anzutreffen. Sind Sie mehr der Ski- oder der Snowboard-Fahrer?
Ich habe mal eine Analogie zu Bitcoin und Gold aufgestellt. Zwischen Bitcoin-Fans und Gold-Fans wird oft eine regelrechte Feindschaft aufgebaut, was meines Erachtens gar nicht nötig ist. So sehe ich das auch beim Wintersport - ich fahre sowohl gern Ski wie auch gern Snowboard. Ich mache das sehr von den Schneeverhältnissen abhängig. Bei schönem neuem Pulverschnee bin ich gerne mit dem Snowboard abseits der Piste unterwegs und auf der Piste fahre ich lieber mit den Skiern.

Sobald es die aktuelle Situation rund um das Corona-Virus wieder zulässt: Wohin wollen Sie als erstes reisen und weshalb?
Ich denke, als erstes würde es für mich und meine Familie auf eine griechische Insel gehen. Der Flug ist nicht sehr weit, die Strände sind sehr schön und auch die Menschen dort sind sehr sympathisch. Und bis dahin hat ja auch Österreich sehr schöne Ecken, sowohl in den Bergen wie auch beispielsweise an den Kärntner Seen.

Wenn Sie nicht in der Finanzbranche durchgestartet wären, welchen Berufszweig hätten Sie sich noch vorstellen können und warum?
Tatsächlich wollte ich immer schon an den Finanzmärkten tätig werden. Ich habe mich schon mit etwa zwölf Jahren für die Börse interessiert und mit 13 Jahren erste Aktien gekauft. Da war der Berufswunsch dann schnell klar - und für eine Fußballkarriere hätte mein Talent vermutlich sowieso nicht gereicht!

Was war denn die erste Aktie, in die Sie investiert haben?
Das war ein kleiner österreichischer Nebenwert. Aber ich habe vorher schon in Fonds investiert und auch bald mit klassischen Blue Chips in Österreich angefangen. Zunehmend habe ich dann auch in Dotcom-Titel investiert - da habe ich nicht nur die Höhen sondern auch die Tiefen miterlebt. Daraus habe ich dann meine ersten Lektionen gelernt.

Welche Lehre haben Sie aus dieser Fehleinschätzung gezogen?
Dass die Börse keine Einbahnstraße ist. Gerade wenn sich Titel schon bei IPO verdoppeln oder gar verdrei- oder vervierfachen, ist das ein Zeichen für Blasenbildung. In der weiteren Folge habe ich mich intensiv mit Themen wie Marktpsychologie und Technische Analyse auseinandergesetzt und gelernt, diese besser zu interpretieren. So kam ich schließlich auch mit der österreichischen Schule der Nationalökonomie in Berührung, die beschreibt, dass der Zins das Fundament für solche Entwicklungen ist. Das bedeutet, dass derartige Booms dann entstehen, wenn zu viel Liquidität im Markt ist. Und wenn dann das böse Erwachen kommt, müssen wieder die Notenbanken einschreiten. Das war eine wesentliche Erkenntnis, die mein Dasein als Investor massiv beeinflusst hat.

Gibt es etwas in der Finanzwelt, das sie gerne verbessern würden und wenn ja, was?
Vielen fehlt das Verständnis für die Grundlage des Geldsystems - also dem Zins. Man muss sich bewusst machen, dass der Zins nicht natürlich sondern durch das Diktat der Notenbanken entsteht. Viele Menschen machen sich zu sehr Gedanken über die Details, statt sich zu fragen, woher die großen Verwerfungen an den Märkten kommen und was die Preise, beispielsweise bei Immobilien, so nach oben treibt. Wir stressen uns, jeden Tag ein bisschen Geld zu verdienen, um uns unseren Lebensunterhalt leisten zu können, Träume zu finanzieren und etwas auf die Seite zu legen. Aber damit, welche Funktionen Geld überhaupt hat, woher es kommt und was seine Geschichte ist, beschäftigen sich die Menschen viel zu wenig.

Wer ist Ihr größter Mentor?
Zuallererst war das mein Vater. Ansonsten ist das schwer zu sagen. Es gibt viele Persönlichkeiten, mit denen ich auch seit vielen Jahren in engem Austausch stehe, die es beruflich oder auch privat sehr weit gebracht haben.
Tatsächlich haben mich Bücher auch sehr inspiriert. Ich habe eine sehr große Bibliothek und versuche, Bücher, die mir sehr gut gefallen haben, öfters zu lesen. Oft merkt man erst beim zweiten oder dritten Lesen eines Buches die kleinen Nuancen. Insofern haben mich auch Bücher sehr geprägt und begleitet.

Welchen Titel würde eine Autobiographie oder ein Film über Ihr Leben tragen?
Das wäre vermutlich "In Gold We Trust" - wie unser jährlicher Gold-Report. Erst mit der Zeit habe ich gemerkt, wie gelungen dieser Titel eigentlich ist. Erst dann habe ich auch die volle Bedeutung und die Wichtigkeit des Wortes "Vertrauen" erkannt. Sowohl für die Wirtschaft wie auch für das gesamte Zusammenleben ist Vertrauen essenziell. Von daher denke ich, dass das auch ein sehr guter Titel für eine Autobiographie oder einen Film wäre.