Ein Eis an der italienischen Riviera genießen, Whale Watching an der Ostküste der USA oder Insel-Hopping in Griechenland: Die Pläne für den Sommerurlaub rücken derzeit für die meisten in weite Ferne. Erst kürzlich hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von Buchungen für den Sommerurlaub abgeraten. Sicher, die Corona-Krise hat viel schlimmere Auswirkungen als einen ausgefallenen Urlaub. Und die Option Balkonien hat auch ihre Reize.

Doch die Fluggesellschaften leiden sehr stark unter den Reisebeschränkungen und Eindämmungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Neben Urlauben und Familienbesuchen fallen derzeit auch die meisten Business-Trips aus.

Bis zu 95 Prozent der Flugkapazitäten werden derzeit nicht genutzt. Die meisten Airlines sind gar nicht in der Lage, schon bezahlte Flüge den Kunden zu erstatten, denn ihre verfügbare Liquidität schrumpft rasch. So verbrennen die ­sieben größten europäischen Airlines geschätzt 900 Millionen Euro an Barmitteln - pro Woche. Kunden werden sich also wohl mit Gutscheinen begnügen müssen.

Je länger die Krise dauert, desto mehr müssen die Fluggesellschaften auf staatliche Unterstützung zurückzugreifen, selbst wenn dies schmerzhafte Eingriffe in Eigentumsrechte der Aktionäre bedeuten kann. Große Airlines wie AirFrance-KLM oder Lufthansa werden als strategisch wichtig eingestuft und führen bereits entsprechende Gespräche.

Sollte sich der Staat beteiligen, wird damit der Anteil der bestehenden Aktionäre am Gewinn verkleinert, also verwässert. Zum Schutz des Steuerzahlers kann sich der Staat auch vorrangige Rechte einräumen lassen. So dürfte etwa keine Dividende bezahlt werden, wenn wieder Gewinne anfallen, sondern der Gewinn muss zunächst an den Staat fließen.

Für Anleihegläubiger führen Staatshilfen je nach Ausgestaltung der Konditionen zu Vorteilen, womöglich aber auch zu Nachteilen. Das Risiko eines Zahlungsausfalls der Airline verringert sich zwar durch die Staatshilfen deutlich. Der Staat dürfte aber seine Kredite vor bereits bestehende Verpflichtungen stellen. Bereits ausstehende Anleihen können dadurch bei einer Insolvenz der Fluggesellschaft nachrangig, also erst nach den Ansprüchen des Staates, bedient werden.

Airline-Aktien dürften noch lange am Boden bleiben


Und die Misere dürfte andauern: Die Lufthansa erwartet etwa, dass sich die Nachfrage erst in zwei bis drei Jahren normalisieren wird. Der Konzern hat ein Restrukturierungsprogramm aufgelegt und den Betrieb der Tochterfirma Germanwings eingestellt. Der Kapitalbedarf wird - je nach Krisendauer - auf zusätzlich vier bis zehn Milliarden Euro geschätzt, bei einer Marktkapitalisierung von rund vier Milliarden Euro (Mitte April). Und da die Verschuldung des Unternehmens ansteigen wird, ist der finanzielle Spielraum, etwa für den Kauf neuer Flugzeuge, bei einer Beruhigung der Lage zunächst limitiert.

Dank einer hohen Barmittelausstattung und flexiblerer operativer Strukturen dürften dagegen Low-Cost-Airlines wie Ryanair - der Börsenwert beträgt derzeit rund das Dreifache der Lufthansa - noch am besten durch die Krise kommen. Doch auch dort steigt der Druck. Easyjet (fast drei Milliarden Euro Marktkapitalisierung) hat sich eine vom britischen Schatzamt und der Bank of England gewährte Kredittranche über 600 Millionen Pfund gesichert. Groß­aktionär Stelios Haji-Ioannou forderte zudem die Stornierung eines Auftrags für 107 neue Airbus-Flugzeuge.

Auch die US-Airlines sind im Abwärtsstrudel. Während europäische Airlines noch um Staatshilfen verhandelten, wurde in den USA bereits ein staatliches Rettungspaket in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar vereinbart. Damit sollen Gehälter weiter gezahlt werden können und Entlassungen vermieden werden. Schon nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 gab es eine solche Unterstützung für die Airlines, was ­ihnen half, vergleichsweise rasch aus der Krise zu kommen.

Anleger müssen also durchaus bei den Fluggesellschaften differenzieren. Trotzdem ist der Sektor derzeit kein ­attraktives Anlageziel. Es wird - selbst wenn sich der Alltag nach Corona wieder normalisiert - noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis sich die Airlines von dieser Krise erholt haben.

Kurzvita

Benjardin Gärtner
Leiter Aktien bei Union Investment
Der gelernte Bank- und Diplomkaufmann Gärtner leitet das Portfoliomanagement Aktien bei Union Investment und ist Mitglied des "Union Investment Committee", das die Kapitalmarktstrategie von Union Investment und damit die Leitplanken für die taktische Steuerung der Fonds setzt.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken mit aktuell rund 370 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen.