Das hat für ganz schön Aufsehen gesorgt: Der niederländisch-britische Konsumgüterriese Unilever macht aus zwei Hauptsitzen einen. Und der ist in Rotterdam. London dagegen verliert nach fast 100 Jahren seinen Status als zweites Hauptquartier. Man wolle "Strukturen vereinfachen" heißt es bei Unilever - mit dem Brexit habe das Ganze nichts zu tun. Der Hersteller von unter anderem Magnum-Eis, Dove-Seife oder Lipton-Tee habe dies schon länger geplant, spätestens, nachdem 2017 ein Übernahmeversuch des US-Konzerns Kraft Heinz abgewehrt worden war.

Hauptgrund für die Entscheidung dürfte aber die geplante Abschaffung der Dividendensteuer in den Niederlanden sein. Die Mitte-Rechts-Koalition - sie gibt das offen zu - will das Land damit attraktiver gerade für multinationale Konzerne wie Unilever machen. Ob man das in den Nachbarländern so gern sieht?

Man ist selbstbewusst in den Niederlanden. Dies zeigt sich auch daran, dass zusammen mit anderen EU-Ländern der Forderung der Europäischen Kommission nach einer Erhöhung des EU-Haushalts eine Absage erteilt wurde. "Die Niederlande können eine Erhöhung ihres Bruttobeitrags zum EU-Haushalt nicht akzeptieren", heißt es in einem Positionspapier der Regierung in Den Haag zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen.

Von wegen kranker Mann



Es läuft gut in den Niederlanden, ohne Frage. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 galt das Land noch als "kranker Mann Europas", inzwischen gehört es zu den wirtschaftlich stärksten Ländern des Kontinents. Die mehrjährige Rezession ist beendet und dank oder trotz kräftiger Kürzungen, vor allem im Sozial- und Kulturbereich, hat man sich wieder nach oben gearbeitet. Um 3,2 Prozent legte das Bruttoinlandsprodukt 2017 zu, in diesem Jahr rechnet die Regierung vorsichtig mit "nur" 2,5 Prozent. Die Arbeitslosenquote sinkt immer weiter und lag zuletzt dank der guten Kapazitätsauslastung bei 4,2 Prozent - das ist der fünftbeste Wert in der ganzen Europäischen Union.

Und auch die weichen Faktoren passen: Auf Rang 7 rangieren die Niederlande im World Happiness Index, sind also beim Glücklichsein Vorbild. Beim Pro-Kopf-Einkommen liegen sie in der EU auf Platz 4, beim Export auf Platz 2, bei der Wettbewerbsfähigkeit im Weltvergleich auf Platz 4, bei der Qualität der Universitäten auf Position 3. Und als Sahnehäubchen drehte man dem großen Nachbarn Deutschland gerade eine lange Nase: Die niederländische Regierung hat zwei Aufträge an die schwedische Firma Vattenfall vergeben - für die weltweit ersten Windparks, die komplett ohne öffentliche Gelder gebaut werden. Das hatte Berlin eigentlich auch vor. So geht das also mit den alternativen Energien.

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Im Euro Stoxx vorneweg



Auch bei den Unternehmen gibt es so einiges vorzuweisen. ASML Holding war im vergangenen Jahr neben der französischen LVMH mit über 40 Prozent Plus mit Abstand die beste Aktie im Leitindex Euro Stoxx 50. Auch Unilever machte sich gut mit 25 Prozent Plus. Und die ING Groep war mit plus 18 Prozent im vergleichsweise gebeutelten Bankenbereich ebenfalls gar nicht so schlecht.

Noch besser lief es beim Chemiewert DSM mit 45 Prozent Plus im vergangenen Jahr. Hier stieg 2014 der aktivistische Aktionär Daniel Loeb mit seiner Investmentgesellschaft Pershing Square ein und forderte drastische Änderungen. Mit Erfolg: Das Management trennte sich von etlichen Bereichen und konzentriert sich seither vor allem auf Nahrungsergänzungsmittel sowie Aromastoffe und andere Zwischenprodukte für die Kosmetik- und Arzneimittelindustrie. Das schlägt sich positiv in den Bilanzen nieder. Die Aktie ist vernünftig bewertet und weist zudem mit aktuell 2,3 Prozent eine gute Dividendenrendite aus.

Mit 3,4 Prozent hat hier Unilever noch mehr zu bieten. Um die 2,5 Milliarden Menschen konsumieren Tag für Tag Produkte des Unternehmens, das 1929 aus der Fusion der holländischen Margarinefabriken Unie mit dem britischen Seifensieder Lever Brothers hervorgegangen war. Weit mehr als die Hälfte des Geschäfts erzielt der Konzern in Schwellenmärkten. So gilt der Anteil an Hindustan Unilever, der in Mumbai börsennotierten Indien-Tochter, als eine der Wachstumsperlen im Portfolio. Kraft Heinz wollte vergangenes Jahr übrigens 134 Milliarden Euro für den ganzen Konzern zahlen. Damals war das viel - im Vergleich zum aktuellen Börsenwert aber zu wenig.



Spannend ist auch die ING Groep. Das Finanzinstitut hat die Kreditkrise zum Überdenken der eigenen Strategie genutzt. So baute man eine Plattform auf, welche die Schaffung einer globalen Digitalbank erlaubt. Dazu wurden ein Innovationsfonds geschaffen, 90 Fintech-Partnerschaften gestartet und Datenanalysen in Gang gebracht, um die Wünsche der Kunden besser zu verstehen. Für eine "klassische Bank" vorbildlich.



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