Der positive Corona-Test von US-Präsident Donald Trump schlägt in die heiße Phase des Wahlkampfs ein wie eine Bombe und sorgt für neue Unsicherheit an den Märkten. "Der Verlauf der Ansteckung könnte den Ausschlag geben, wer nächster US-Präsident wird", erläutert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Lage. "Wenn Trump keine ernsthaften Symptome entwickelt, könnte er sich als starker Mann präsentieren wie der brasilianische Präsident Bolsonaro. Wenn er ernsthaft erkrankt, wird er den Rückstand auf Herausforderer Joe Biden kaum noch aufholen." Trump hatte am Freitag mitgeteilt, er und seine Frau Melania seien positiv auf das Virus getestet worden. Dies hatte weltweit die Aktienkurse unter Druck gesetzt.

Die Ansteckung des Präsidenten kommt zum ungünstigsten Zeitpunkt fünf Wochen vor den US-Wahlen am 3. November. Die Unsicherheit über den Ausgang, vor allem aber über die Prozedur der Amtsübergabe hatte sich bereits in den vergangenen Tagen immer weiter hochgeschaukelt. Einen Vorgeschmack lieferte das hitzige und teilweise chaotische TV-Duell zwischen Trump und seinem Herausforderer Joe Biden in der Nacht zum Mittwoch. Einen klaren Sieger gab es bei der Schlammschlacht nicht. Schon darauf reagierten Anleger verunsichert. Dazwischen keimte aber auch die Hoffnung auf neue Konjunkturimpulse.

Denn darin sind sich die meisten Analysten inzwischen einig: Sowohl Trump als auch sein demokratischer Herausforderer werden im Fall ihrer Wahl die Corona-Krise mit großen Konjunkturprogrammen bekämpfen. Investoren setzen darauf, dass sich Republikaner und Demokraten auf ein bis zu zwei Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket verständigen könnten. Zusätzlich beflügelte die Wall Street am Donnerstag vorübergehend die Hoffnung auf eine anhaltende Erholung der Wirtschaft nach dem Corona-Einbruch.

Größte Sorge der Investoren: Renitenter Trump


Gleichzeitig fürchten Börsianer vor allem ein Szenario: Dass Trump den Wahlausgang bei einer Niederlage nicht akzeptieren könnte. "Die größte Sorge bleibt, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen und möglicherweise Neuauszählungen oder gar langwierige juristische Auseinandersetzungen geben könnte", erläutert Donner & Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm. "Die TV-Debatte hat diese Befürchtung noch einmal untermauert." Der Präsident hatte insbesondere mehrfach erklärt, dass er Briefwahlergebnisse nicht einfach so akzeptieren werde. Das ist deshalb brisant, weil diesmal wohl besonders viele Amerikaner ihre Stimme per Brief abgeben.

Neben der Präsidentschaft selbst wird auch entscheidend sein, wie die Machtverteilung in beiden Häusern des Kongresses ausfällt. Beide Kandidaten wollen die Konjunktur stimulieren, müssen dafür aber auch beide Häuser im Kongress hinter sich haben. Sollte Trump gewinnen, rechnet Donner & Reuschel-Experte Mumm damit, dass Anleger schnell zur Tagesordnung übergehen. "Die Börsen kennen Trump und seinen Fokus auf tendenziell wirtschaftsfreundliche Steuerpolitik, aber auch auf Handelskonflikte."

Wenn Biden die Wahl gewinne, aber nicht beide Kammern des Kongresses hinter sich habe, könnte er seine geplanten Vorhaben - massive Investitionen in Energiewende und Gesundheit - nur begrenzt umsetzen. Das würde Anleger verunsichern. Sollten beide Kammern an die Demokraten gehen, dürfte ein Favoritenwechsel an den Aktienbörsen zugunsten der von Biden unterstützten Branchen eingepreist werden. "So oder so könnten von einem Sieg Bidens europäische Aktienmärkte profitieren, denn es wäre mit einem moderateren Kurs bei Handelskonflikten, möglicherweise unter Einbindung von Bündnispartnern, zu rechnen. Davon sollten exportorientierte Unternehmen profitieren", sagt Mumm.