Vorstandschef Oliver Bäte hat bei der Bilanzpressekonferenz des Versicherers Allianz an diesem Freitag verzwickte Ergebnisse zu vermelden. So dürfte er zwar für das Tagesgeschäft ein Rekordergebnis vorlegen. Doch eine Milliardenklage in den USA könnte unter dem Strich dennoch zu einem Gewinneinbruch führen.

Der operative Gewinn soll allerdings das obere Ende der ursprünglichen Zielspanne von 11 bis 13 Milliarden Euro erreichen. Nachdem das Ergebnis in den Jahren 2016 bis 2019 von gut elf Milliarden auf knapp 11,9 Milliarden Euro gestiegen und im ersten Corona-Jahr 2020 um rund neun Prozent auf knapp 10,8 Milliarden gefallen war, brachte 2021 also voraussichtlich einen kräftigen Sprung.

Branchenexperten rechnen damit, dass die Allianz ihre eigenen Ziele im Tagesgeschäft im vergangenen Jahr sogar übertroffen haben dürfte. Von dem Finanzdienstleister Bloomberg erfasste Analysten erwarten einen operativen Gewinn von 13,2 Milliarden Euro - ein Plus von 22,4 Prozent zum Vorjahr und 200 Millionen mehr als zuletzt Vorstand vorhergesagt. Alle drei Sparten dürften zu dem Anstieg beigetragen haben. Der Überschuss dürfte den Analysten zufolge um 33,6 Prozent auf 9,1 Milliarden Euro steigen.

Kosten für Schäden durch Naturkatastrophen überschaubar


Dabei standen die Zeichen angesichts der Flutkatastrophe in Deutschland und mehreren Nachbarländern auf den ersten Blick nicht gerade gut für den Platzhirsch unter den deutschen Versicherern. Doch wer mit immensen Belastungen für den Dax-Konzern gerechnet hatte, wurde überrascht: Zwar rechnete der Vorstand infolge der Zerstörungen zuletzt mit Bruttoschäden von mehr als einer Milliarde Euro. Doch weil die Allianz einen Gutteil ihrer Risiken bei anderen Unternehmen rückversichert hatte, verbuchte sie bisher lediglich eine Nettobelastung von etwa 400 Millionen Euro.

Schon in den Vorjahren hatte Vorstandschef Oliver Bäte die Risiken durch Naturkatastrophen für den Münchner Versicherer stark gedeckelt. So kam die Allianz auch bei den Zerstörungen in den USA durch Hurrikan "Ida" bisher glimpflich davon - wie zuvor schon bei anderen schweren Sturmereignissen in den USA.

Klage gegen Fondstochter AGI


Deutlich teurer dürfte den Konzern ein Rechtsstreit in den USA zu stehen kommen. Mehrere Investoren haben die Allianz in den USA wegen Verlusten verklagt, für die sie die Fondstochter Allianz Global Investors (AGI) verantwortlich machen. Das US-Justizministerium und die Wertpapieraufsicht SEC haben sich in die Angelegenheit eingeschaltet. Es geht um Schadenersatzforderungen und mögliche Strafen in Milliardenhöhe.

Die AGI sitzt in Frankfurt und ist die kleinere der zwei Allianz-Vermögensverwaltungsgesellschaften, ungleich größer ist die US-Tochter Pimco. Bei den Klagen geht es um sogenannte Alpha Fonds der AGI, die im Jahr 2020 erhebliche Einbußen erlitten hatten. Den Vorwürfen zufolge sollen die Fondsmanager die eigenen Richtlinien nicht eingehalten und nicht angemessen auf die Marktentwicklung in der frühen Phase der Corona-Pandemie reagiert haben. Dies soll wiederum die hohen Verluste der Investoren verursacht haben.

Wie teuer die Angelegenheit den Konzern zu stehen kommen könnte, hat der Allianz-Vorstand bisher nicht zu sagen gewagt. Er sprach lediglich von einem "relevanten Risiko", dass die Angelegenheit "erhebliche Auswirkungen auf künftige Finanzergebnisse der Allianz Gruppe" haben könnte. Zu den Klägern gehören nach US-Medienberichten unter anderem die New Yorker Metro, der Lehrer-Pensionsfonds im Bundesstaat Arkansas und die Gewerkschaft Teamsters. Die Allianz-Managerin Jacqueline Hunt, die in der fraglichen Zeit für die Fondssparte zuständig war, hat den Vorstand bereits vorzeitig verlassen.

Finanzvorstand Giulio Terzariol hielt es im November für denkbar, dass die Allianz Ende 2021 eine Rückstellung für die Folgen des Rechtsstreits bildet. Als sicheren Zeitplan wollte er dies jedoch nicht verstanden wissen.

Eine Rückstellung für die Milliardenklage in den USA ist in den meisten Gewinnschätzungen aber nicht berücksichtigt. Branchenexperte Philip Kett vom Analysehaus Jefferies hält eine Rückstellung im 2021er-Jahresabschluss zwar für möglich. Wahrscheinlicher ist dies aus seiner Sicht aber bis zum zweiten Quartal des laufenden Jahres. Er hat seinen Berechnungen für 2022 eine Belastung von 6,5 Milliarden Euro zugrunde gelegt.

Sein Kollege Michael Huttner von der Bank Berenberg geht von 5,8 Milliarden Euro aus - und erwartet, dass die Allianz diese Belastung im Jahresabschluss 2021 verbucht. Demnach erwartet er für das abgelaufene Jahr einen Gewinneinbruch auf gut 3,6 Milliarden Euro.

Gewinne und Dividende sollen weiter steigen


Für die kommenden Jahre hat sich die Allianz bereits Anfang Dezember auf ihrem Kapitalmarkttag neue Geschäftsziele gesetzt. Demnach sollen Umsatz, Gewinn und Dividenden in den Jahren bis 2024 weiter steigen. Auch für 2021 kündigte der Vorstand eine höhere Ausschüttung an - trotz der drohenden Milliardenbelastung in den USA.

Nachdem die Allianz ihren Aktionären für 2021 eine mindestens fünfprozentige Dividendenerhöhung versprochen hat, rechnen von Bloomberg befragte Analysten sogar mit einer Erhöhung um 9,4 Prozent auf 10,50 Euro. Das wäre eine Dividendenrendite von 4,26 Prozent.

Einschätzung zur Allianz-Aktie


Die Corona-Krise hat der Allianz-Aktie zwischenzeitlich ordentlich zugesetzt und Anfang 2020 den stärksten Kursrutsch seit der Finanzkrise 2008/2009 ausgelöst. Damals war der Allianz-Kurs im November 2008 fast bis auf 45 Euro abgestürzt. Seither war es trotz mehrerer Turbulenzen in der großen Linie immer weiter aufwärts gegangen - bis auf 232,60 Euro im Februar 2020. Dann sackte der Kurs im allgemeinen Corona-Crash an den Finanzmärkten binnen weniger Wochen um fast die Hälfte auf gut 117 Euro ab.

Von diesem Einbruch hat sich die Aktie inzwischen wieder weitgehend erholt. Doch die Entwicklung verlief alles andere als gleichmäßig. Ab Mitte Juni 2021 tauchte ihr Kurs wieder ab und entwickelte sich damit deutlich schlechter als der Dax. Die Nachricht von der Milliardenklage in den USA löste Anfang August 2021 im Tagesverlauf sogar einen Kursrutsch um zeitweise fast zehn Prozent aus.

Erst Anfang des neuen Jahres knüpfte das Allianz-Papier mit einem steilen Kursanstieg wieder an die Marktentwicklung an und entwickelte sich seitdem sogar besser als der Leitindex. Vor wenigen Tagen wurde die Aktie mit 232,50 Euro so teuer gehandelt wie kurz vor dem Corona-Crash 2020. Seitdem ging es wieder bis auf zuletzt rund 225 Euro abwärts.

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 92 Milliarden Euro ist die Allianz an der Börse fast 40 Prozent höher bewertet als ihre französische Konkurrentin Axa und mehr als dreimal so hoch wie der italienische Versicherungskonzern Generali.

Die Analysten, die von dem Datenanbieter Bloomberg erfasst werden, sind der Allianz-Aktie überwiegend positiv gestimmt. 20 der 29 Experten empfehlen das Papier zum Kauf, acht zum Halten. Nur einer plädiert zum Verkauf. Im Durchschnitt peilen sie ein Kursziel von rund 250 Euro an - das wäre elf Prozent über dem aktuellen Kurs von gut 225 Euro.

Fazit: Auch wir stehen der Allianz-Aktie positiv gegenüber. Wir bleiben trotz der möglichen Rückstellungen bei unserer Kaufempfehlung. Angesichts der hohen Dividende und der guten Aussichten ist das Papier ein solides Basisinvestment.

fh/dpa-AFX