Herr Prof. Heise, der neue US-Präsident macht tatsächlich Ernst mit seinen Wahlkampf-Ankündigungen. Er kündigt das trans-pazifische Freihandelsabkommen TTP, ruft China wegen des milliarden-schweren Handelsbilanz-Defizits zur Ordnung und droht Autobauern offen mit Strafzöllen für Importe aus Mexiko. Haben Sie mit einem solch kompromisslosen Start der neuen US-Regierung gerechnet?



Michael Heise: Mit seinen erste Amtshandlungen und Verfügungen will Trump offenbar seinen klaren Handlungswillen demonstrieren. Damit war zu rechnen. Aber die sehr konfrontative Weise, wie er mit Handelspartnern umgeht, überrascht schon etwas. Es ist fraglich, ob das wirklich im Interesse der Vereinigten Staaten ist. Bei Handelsvereinbarungen muss immer ein Konsens gefunden werden. Und dazu braucht es auch etwas Goodwill. Einfach nur Handelsbarrieren hochzuziehen, wird am Ende der amerikanischen Wirtschaft schaden.

Bei vielen Beobachtern wächst die Furcht vor einer Rückkehr des Protektionismus. Auch in Deutschland blicken viele Manager mit wachsender Sorge über den Atlantik. Steuert die neue US-Regierung die weltgrößte Volkswirtschaft geradewegs in einen internationalen Handelskrieg?



Ein solches Risiko besteht durchaus, sollte die US-Administration tatsächlich auf breiter Basis Importzölle erheben oder im Rahmen ihrer Steuerreform Importe diskriminieren und Exporte begünstigen. Allerdings messen wir diesem Szenario nur eine niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit zu. Denn ein eskalierender Handelskonflikt würde keinem dienen, sondern weltweit und auch in den USA Millionen Jobs kosten. Dies wissen die führenden Köpfe der neuen Administration. US-Handelsminister Ross hat beispielsweise auf die negativen Wirkungen der Zollpolitik in den 1930er Jahren verwiesen. Sein Ziel, das wirtschaftliche Wachstum auf drei bis vier Prozent anzuheben, wird Trump mit handelsbeschränkenden Maßnahmen keinesfalls erreichen. Eine ausgreifend protektionistische Politik sollte daher vernünftigerweise vermieden werden.

Wie sehr würde ein Ende des Freihandels Europa, vor allem aber die deutsche Wirtschaft treffen, und welche Branchen wären am stärksten betroffen?



Handelsbeschränkende Maßnahmen würden die europäische und deutsche Wirtschaft natürlich stark treffen. In Deutschland sind etwa die Automobil- und Chemieindustrie sowie der Maschinenbau in hohem Maße in die Weltwirtschaft eingebunden. Insgesamt beläuft sich hierzulande die Relation von Exporten zu Bruttoinlandsprodukt immerhin auf fast 46 Prozent. Ein rückläufiger Welthandel ist immer eine rezessive Gefahr für Deutschland.

An der Börse kommt die Aussicht auf umfassende Senkungen der Unternehmenssteuern und ein milliarden-schweres Investitionsprogramm dagegen gut an. Der Dow hat gerade erst die 20.000-Punkte-Marke geknackt. Halten Sie diese Euphorie für begründet oder ist das nur ein Strohfeuer?



Der Höhenflug an den Aktienmärkten blendet viele Unsicherheiten über die konkrete Ausgestaltung der US-Wirtschaftspolitik aus. Die Euphorie gründet wohl darauf, dass Trump eine Steuerreform angehen und Infrastrukturinvestitionen erhöhen wird. Gegenüber den Risiken des Protektionismus werden die Augen geschlossen. Das birgt Risiken.

Man muss sich im Übrigen auch auf Debatten einrichten, wie deutlich die Staatsschuldenobergrenze in den USA angehoben werden soll, damit die Steuer- und Ausgabenpläne von Trump finanziert werden können. Zur Zeit der demokratisch geführten Regierung waren viele Republikaner im Kongress strikt gegen eine auflagenfreie Anhebung der Schuldengrenze. Sie werden ihre Meinung jetzt ändern müssen, um ihre eigene Politik durchzusetzen. Aber freie Fahrt für schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme und kostspielige Steuersenkungen wird es sicher nicht geben. Allein das könnte zur Enttäuschung an den Börsen beitragen.

Für Rückschläge an den Märkten könnten auch Zinserhöhungen der amerikanischen Notenbank sorgen, von denen höchstwahrscheinlich noch zwei oder drei dieses Jahr anstehen. Vom jetzigen Niveau aus, sollten sich Anleger bei amerikanischen Aktien für 2017 keine übermäßigen Gewinne mehr erhoffen. 2018 ergeben sich vielleicht wieder neue Chancen

Sollten wir uns an Kernvorhaben des neuen US-Präsidenten wie der geplanten Abschaffung zahlreicher Vorschriften, der vorgesehenen Aufweichung der Handelsbeschränkungen für Banken oder den Steuersenkungen und Infrastruktur-Investitionen in Deutschland ein Beispiel nehmen?



Jenseits der Handelspolitik, die in die völlig falsche Richtung geht, gibt es auch positive Reformansätze in der US-Wirtschaftspolitik. Im Bereich der Steuerpolitik und der Infrastrukturinvestitionen besteht auch in Deutschland erheblicher Handlungsbedarf. Es wäre gut, wenn auch in Deutschland eine große Steuerreform bei der Einkommen- und Unternehmensbesteuerung in Erwägung gezogen würde. Das Model der USA ist dafür sicher keine geeignete Blaupause. Aber vielleicht bewirkt der Aktivismus in den USA auch hierzulande etwas mehr Handlungsbereitschaft. Das wäre zu wünschen.