Wegen Corona ist Olivier Elamine noch vorsichtig mit externem Besuch. So ging das Interview mit dem Vorstandschef der auf Büro- und Gewerbeimmobilien fokussierten Alstria Office Reit AG per Videostream über die Bühne. Dabei gab der Gründer des größten börsennotierten deutschen Reit nicht nur Einblicke in sein Hamburger Homeoffice.

Euro am Sonntag: Homeoffice, Gemeinschaftsbüros - Corona sorgt für viele Veränderungen. Wie wird unsere Arbeits- und Bürowelt von morgen aussehen?

Olivier Elamine: Corona hat eine Reihe von Dingen beschleunigt, über die wir sonst noch Jahre diskutiert hätten. Beispiel Home-Office: man sieht, dass es funktioniert. Es gibt viele Vorteile. Man spart Transporte, Energie, hat mehr Zeit für die Familie. Es kann auch die Produktivität erhöhen, wenn man zu Hause nicht durch die Kollegen abgelenkt wird.

Nicht jeder hat den Platz, den Sie haben.

Ich bin privilegiert, habe ein großes Haus mit eigenem Büro - viele Menschen nicht. Für sie stellt die Organisation des Homeoffice eine größere Schwierigkeit dar. Deshalb wird es einen Zuwachs von Co-Working-Flächen geben, die sich in der Nähe der Wohnorte der Menschen etablieren.

Ist das klassische Büro also ein Auslaufmodell?

Nein. Einer der wichtigsten Gründe, warum die Menschen ins Büro kommen, ist nicht die Ausstattung, sondern die Möglichkeit mit anderen zu kommunizieren. Der menschliche Kontakt, der im Büro stattfindet, prägt zudem die Kultur des Unternehmens. Und die Firmen müssen ihren Beschäftigten künftig mehr bieten. Deshalb erwarten wir, dass Büros wieder stärker ins Zentrum der Stadt rücken werden.

Wie könnte das aussehen?

Wir sprechen gerade mit einem unserer Mieter, einer Agentur. Bis dato war deren Fläche in 70 Prozent Schreibtische und 30 Prozent Gemeinschaftsflächen wie Meeting-Räume und Küchen aufgeteilt. Der Mieter möchte nun das Verhältnis umdrehen und damit die Interaktion zwischen den Mitarbeitern fördern. Die Arbeit am Schreibtisch kann zu Hause erledigt werden.

Gibt es noch mehr konkrete Ideen?

Viele unserer Kunden wissen es noch nicht. Der Wandel kam so schnell, dass alle noch dabei sind, zu überlegen, was es für ihr Business bedeutet ...

… und was es sie kosten mag.

Nur auf die Kosten zu schauen, ist der falsche Ansatz, sondern der Blick auf die Produktivität der Mitarbeiter ist entscheidend. Erst muss ich als Unternehmen klären, welche Arbeitsatmosphäre meine Mitarbeiter brauchen, dann kommt die Bürofrage ins Spiel. Das erfordert den Austausch zwischen Management und Mitarbeitern. Aber dieses Gespräch hat noch gar nicht stattgefunden, und kann es auch nicht, bevor die Leute nicht wieder zurück in die Büros kommen.

Was bedeutet das für Alstria?

Büros sind nicht mehr länger eine Ware, sondern werden zu einem maßgeschneiderten Produkt. Es wird nicht nur den einen Typ geben. Es ist unsere Aufgabe: das Büro der Zukunft individuell zu entwickeln.

Das betrifft aber nur die Firmen, die sich am oberen Ende des Büromietmarkts so etwas auch leisten können. Insgesamt dürfte der Bedarf an Büroraum sinken, oder?

Ja, im Großen und Ganzen werden wir weniger Büronachfrage sehen. Das beunruhigt uns bei Alstria aber nicht, weil wir im oberen Segment des Büroimmobilienmarkts tätig sind. Und dieses Geschäft wird es weiterhin geben.

Wie wird sich die Stadt verändern, wenn weniger Büroraum gefragt sein wird?

Wir brauchen definitiv keine neuen Bürogebäude. Es gibt genug. Das gilt nach Corona umso mehr. Wir sollten uns beim Neubau auf Wohnungen, Krankenhäuser und Schulen konzentrieren. Mit dem vorhandenen Bestand können wir durch Modernisierung gegenüber Neubauten auch Rohstoffe und deutlich an CO2 einsparen.

Also sind Prestigebauten wie etwa der Elbtower in Hamburg überflüssig?

Meiner Meinung nach braucht so etwas niemand. Viele neigen dazu zu glauben, ein neues Bürogebäude sei besser als ein altes und die Stadt der Zukunft bräuchte neue Bürokomplexe. Doch das ist nicht wahr. Wir als Alstria sind darauf spezialisiert, alte Gebäude so aufzuwerten, dass sie von neuen nichts unterscheidet. Und das macht sowohl ökonomisch wie ökologisch viel mehr Sinn.

Sollte man Büros dann in Wohnungen umwandeln?

Warum nicht? Oder in Einzelhandelsgeschäfte. Der gesamte städtische Raum steht vor einer neuen Strukturierung. Es geht auch um neue Grünflächen, Biodiversität, also um die Stadt der Zukunft. Letztlich ist das Ganze aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Gibt es in dieser Situation nicht attraktive Gebäude, die Sie übernehmen und aufwerten können?

Das haben wir am Anfang von Corona auch gedacht, doch die Realität sieht anders aus. Die Immobilienpreise werden vor allem durch die Geldpolitik auf Höhen getrieben, die teilweise nicht mehr vernünftig sind. Das hat dazu geführt, dass kürzlich in Deutschland erstmals die Marke von einer Milliarde Euro für eine Büroimmobilie in Frankfurt durchbrochen wurde.

Werden Sie trotzdem weitere Käufe tätigen?

Das jährliche Handelsvolumen von Büroimmobilien in Deutschland liegt bei 30 Milliarden Euro. Wir sind mit etwa 200 Millionen Euro dabei. Ich gehe davon aus, dass das auch für die Zukunft gilt.

Wie sieht es mit Mieten aus? Können die noch steigen?

Man muss hier klar unterscheiden, und zwar den High-End-Bereich, den wir bedienen, und den übrigen Markt. Für normale Geschäftsgebäude werden die Mieten eher stabil bleiben, aber in unserem Segment wird es fast irrelevant, wo der Rest des Marktes sich befindet. Faktoren wie die Lage eines Objekts, die Historie und die individuelle Struktur müssen stimmen - dann sind unsere Mieter auch bereit, mehr zu zahlen. Damit sich aber eine Immobilie in diesem hochwertigen Segment des Büromarkts bewegen kann, muss man permanent etwas tun. Das ist eine kontinuierliche Arbeit.

Solche Modernisierungen, wie Sie sie verfolgen, erfordern hohe Investitionen. Wie stellen Sie sicher, dass sich der Aufwand lohnt?

Die Kosten für die Modernisierung der Gebäude liegen bei etwa 25 Prozent dessen, was wir später beim Verkauf erlösen. Wir erwarten einen Profit für die Gebäude von ebenfalls 25 Prozent. Es hängt also alles am Kaufpreis. Wenn Sie zu viel zahlen, geht das auf Kosten der späteren Verkaufsmarge. Die Kosten für die Aufwertungen wie Kühlung, Heizung, Anpassung an den Gebäudestandard haben wir im Griff, mit Ausnahme der Inflation.

Sorgen Sie sich vor Inflation und steigenden Zinsen?

Gerät die Inflation außer Kontrolle, wäre das schlecht, aber nicht nur für unsere Branche. Als Unternehmen betreffen uns steigende Zinsen nicht so sehr, denn wir haben mit einer Quote von unter 30 Prozent bezogen auf das Anlagevermögen eine im Vergleich zu anderen Immobilienunternehmen sehr niedrige Verschuldung.

Aber für Anleger können Immobilien an Attraktivität einbüßen.

Elamine: Tatsächlich ist unsere Aktie davon abhängig, was Investoren von Immobilien denken. Am Anfang von Corona brach unser Kurs ein, weil Investoren dachten, dass Büroimmobilien tot seien. Aber das ist OK für uns, denn wir sind in Deutschland. Sollten Immobilien aus der Mode geraten, dann muss man einfach warten. Denn wenn andere verkaufen, ist ein guter Zeitpunkt selber zu kaufen.

Börsennotierte Immobilienkonzerne, also Reits, haben in Deutschland nach ihrer Legalisierung vor 15 Jahren nicht die Popularität erreicht wie in den USA und Großbritannien. Hatten Sie bei Ihrem Börsengang 2007 mehr erwartet?

Reits geben Investoren die Chance, sich wie im Falle von Alstria für einen Aktienpreis von 15 bis 20 Euro am Immobilienmarkt zu beteiligen. Diese Option existiert sonst nicht. Reits bieten Investoren außerdem eine hohe Transparenz. Wir kaufen, investieren und verkaufen Bestandsgebäude, ohne dass dabei jedes Mal Steuern anfallen. Das ist der größte Vorteil. Dieses Modell ist erfolgreich, doch es gibt nicht viele Reits, die sich in Deutschland dauerhaft etabliert haben. Wahrscheinlich ist das der Grund für die weiterhin fehlende Popularität.

Eine Besonderheit von Reits sind hohe Ausschüttungsquoten von mehr als 90 Prozent. Bezogen auf den Gewinn je Aktie hat Alstria für 2020 nur 55 Prozent ausgekehrt. Wird sich das ändern?

Wir haben hier in Europa eine besondere Situation. Wir können wegen anderer Rechnungslegungsstandards deutlich mehr Gewinn ausweisen, als wir Umsatz hatten. Und genau das ist uns in den letzten Jahren passiert. Warum? Der Wertzuwachs unseres Immobilienportfolios ist gewinnwirksam, aber nicht cashwirksam. Wir zahlen 90 Prozent dessen aus, was wir an Cash verdienen. Das sehen Sie an der Ertragskennzahl Funds from Operations (FFO). Wir haben die Dividende in den letzten zehn Jahren von 44 auf 53 Cent angehoben. Sobald wir sie weiter erhöhen können, werden wir das tun.

Rechnen Sie auch für 2021 mit einer Aufwertung, die gewinnwirksam wird?

Die jüngsten Marktdaten scheinen darauf hinzudeuten, dass die Preise für Büroimmobilien weiter steigen, was sich, wenn es sich bestätigt, positiv auf unsere Zahlen auswirken sollte.

Was bedeutet das für Ihre Gewinnprognose?

Unsere Prognose orientiert sich nicht an den Objektbewertungen zum Jahresende, da diese nicht in unserem Einflussbereich liegen und sich schnell ändern können. Wir haben Anfang des Jahres gesagt, dass wir einen stabilen FFO von rund 108 Millionen Euro erreichen wollen. Das bestätige ich, auch wenn wir zum Halbjahr ein wenig besser waren.

Ende Juli dieses Jahres herrschte Aufregung wegen eines angeblichen Übernahmeinteresses durch den Immobilienkonzern Brookfield. Sind Sie in Gesprächen?

Nein, das waren und sind wir nicht. Wir verstehen das potenzielle Interesse. Brookfield ist einer der größten Immobilienmanager der Welt, der bisher kaum in Deutschland aktiv ist. Und Alstria ist eine einzigartige Möglichkeit, sich in den deutschen Büroimmobilienmarkt einzukaufen. Brookfield ist seit dem Börsengang 2007 unser Aktionär mit aktuell über acht Prozent. Und wir haben sowohl mit ihnen als auch unseren anderen Aktionären immer darüber gesprochen, was wir tun würden, wenn ein Angebot käme. Wir würden es prüfen. Es liegt aber aktuell keines vor.

Ist es eine Frage des Preises?

Der Preis ist ein wichtiger, aber kein alles entscheidender Faktor. Wichtiger ist, was jemand mit Alstria vorhat. Ob er unser Geschäft fortführen will oder vielleicht nur an unserer Liquidität interessiert ist und das Unternehmen filetiert. Im letzteren Fall würde ich ablehnen. Wir haben eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter, auch wenn es natürlich kein Selbstzweck ist, ein börsennotiertes Unternehmen zu sein.

Sie wollen unabhängig weitermachen?

Seit ich das Unternehmen führe, gibt es jedes Jahr Übernahmespekulationen. Passiert ist bisher nichts. Wir haben Zugang zu Kapital, können uns selbstständig entwickeln und brauchen keine fremde Hilfe. In den letzten zehn Jahren haben wir das Eigenkapital von 700 Millionen Euro auf 3,2 Milliarden Euro mehr als vervierfacht. Ich sehe gute Chancen, es noch einmal zu verdoppeln.

Würden Sie dafür zukaufen?

Es gibt niemanden in unserem Geschäft, der uns etwas bietet, was wir nicht schon haben. Das war 2015 der Fall, als wir die Deutsche Office erwarben und die Leerstandsrate von 20 Prozent auf acht innerhalb von zwölf Monaten reduzieren konnten.

Wo wollen Sie noch expandieren?

Wir sind einer der größten Office-Betreiber in Deutschland. Dennoch ist unser Marktanteil in den fünf Städten, in denen wir aktiv sind, bei unter einem Prozent. Das sind Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Frankfurt und Stuttgart. Wir könnten dort problemlos unsere Assets verdoppeln, ohne uns selbst in die Quere zu kommen. Außerdem wollen wir in München aktiv werden.

Und außerhalb Deutschlands?

Wir sind auf den deutschen Büromarkt fokussiert und wollen das bleiben. Geht man nach Frankreich, die Niederlande oder sonst wohin, droht man sich zu verzetteln. Und es gibt gute Unternehmen dort, denen wir nichts vormachen können.

Rechnen Sie grundsätzlich mit mehr Übernahmen bei deutschen Büroimmobilien?

Der Unterschied im Vergleich zum deutschen Wohnungsmarkt ist, dass in den letzten Jahren viele große Portfolios aus öffentlichem Eigentum auf den Markt gekommen sind. Je mehr man davon besitzt, desto effizienter kann man den Bestand bewirtschaften. Im Büromarkt ist das anders. Es gibt keine großen Portfolios, und deshalb ist auch das Potenzial von Übernahmen begrenzt. Unser Wachstumspfad ist der harte Weg, nicht über Zukäufe von Firmen sondern Immobilie für Immobilie.
 


Vita:

Unternehmer und Rugby-Fan

Olivier Elamine ist Gründer und CEO von Astria Office Reit. Der im Libanon geborene Franzose lebt seit dem Börsengang der Firma 2007 mit seiner Familie in Hamburg, wo er die Lebensqualität schätzt. Und den dortigen Rugby-Sport. Außerdem begeistert sich Elamine für Video- und Filmtechnik und lässt seine Expertise auch in eigene Unternehmensfilme einfließen.
 


Die Aktie:

Solider Dividendentitel

Das Alstria-Portfolio aus Büroimmobilien wird aktuell auf 4,5 Milliarden Euro geschätzt. Der Börsenwert liegt bei 2,8 Milliarden. Nach herkömmlichen Maßstäben ist die Aktie damit günstig bewertet. Als Gegenleistung für die steuerlich begünstigte Struktur (Reit) wird der weit überwiegende Teil des Gewinns als Dividende ausgeschüttet. Für die Verschuldung gibt es eine Grenze.