Amazon ist längst mehr als ein Kaufhaus im Internet: Der Online-Riese aus Seattle verdient auch Geld mit dem Verkauf von Web-Services an Unternehmen (Amazon Web Services, AWS), Bio-Lebensmitteln (Whole Foods), intelligenter Sprachsteuerung (Alexa) oder Lesegeräten (Kindle), um nur einige zu nennen.

Im dritten Quartal hat der Konzern von Jeff Bezos wieder sehr viel Geld verdient: 2,9 Milliarden Dollar (2,6 Milliarden Euro) - so viel wie noch nie. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 256 Millionen Dollar. Das teilte der Internet-Riese am Donnerstag nach Börsenschluss in Seattle mit.



Über das dicke Plus von mehr als 1.000 Prozent muss man jedoch eines wissen: In der Vergangenheit hatte sich Jeff Bezos stets auf Wachstum konzentriert. Gewinne einzufahren stand - wie bei jungen Tech-Unternehmen üblich - erst an zweiter Stelle. Unter dem Strich blieb wegen dem aggressiven Expansionskurs nichts (zuletzt im ersten Quartal 2015) oder nur wenig übrig.

Der Löwenanteil - 68 Prozent - des Quartalsgewinns kam dabei nicht aus dem margenschwachen Online-Handel, sondern aus dem lukrativen Cloud-Geschäft mit IT-Diensten und Speicherplatz im Internet. Die Einnahmen stiegen um 46 Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar.

Umsatzwachstum enttäuscht



Bei den gesamten Einnahmen trübt sich jedoch das Bild. Der Umsatz wuchs im dritten Quartal um 29 Prozent auf 56,6 Milliarden Dollar. Analysten hatten aber 57,1 Milliarden Dollar erwartet. Zudem lag die Messlatte relativ niedrig. Denn im Vorjahresquartal waren die Umsätze von Whole Foods noch nicht berücksichtigt. 2017 hatte Amazon die US-Biomarktkette für knapp 13,7 Milliarden Dollar übernommen.

Das langsamere Wachstum von Amazon dürfte sich auch im traditionell besonders umsatzstarken und damit wichtigen Weihnachtsquartal fortsetzen. Amazon rechnet mit Erlösen zwischen 66,5 und 72,5 Milliarden Dollar. Analysten hatten im Konsens mit 73,4 Milliarden gerechnet. Mit einem Plus von maximal rund 20 Prozent liegen die selbstgesteckten Ziele von Amazon damit deutlich darunter.

Doch damit nicht genug. Das wäre auch noch das schlechteste Quartalswachstum seit Anfang 2016. Grund dafür sei Finanzchef Brian Olavsky zufolge der derzeit starke Dollar, der US-Konzernen mit großem Auslandsgeschäft generell zu schaffen macht. Amazon macht rund dreißig Prozent seines Umsatzes außerhalb des US-Heimatmarktes.

Konzernweit soll der Gewinn im vierten Quartal auf höchstens 3,6 Milliarden Dollar steigen. Die Ziele für das Schlussquartal hätten beim operativen Ergebnis etwas enttäuscht, fasste Goldman-Sachs-Analyst Heath Terry in einer am Freitag vorliegenden Studie zusammen. Experten hatten mit 3,9 Milliarden Euro gerechnet.

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Einschätzung der Redaktion



Die Zahlen von Amazon kamen am Markt nicht gut an. Insbesondere das langsamere Umsatzwachstum und der schwache Ausblick auf das Weihnachtsquartal drückten auf die Stimmung. Das Papier fiel am Freitag zu Handelsbeginn um 9,5 Prozent. Noch am Donnerstag hatten Anleger auf gute Zahlen spekuliert und den Kurs bereits um mehr als sieben Prozent nach oben getrieben.

Das Marktumfeld für Technologie-Aktien ist derzeit generell nicht das Beste. Der Technologiewerteindex Nasdaq Composite hat im vergangenen Monat mehr als acht Prozent verloren. Die Amazon-Aktie verlor im gleichen Zeitraum sogar mehr als 16 Prozent ihres Wertes. Noch im September hatte der Online-Riese vorübergehend einen Börsenwert von mehr als einer Billion Dollar erreicht, war damit das zweitwertvollste Unternehmen nach dem iPhone-Hersteller Apple. Am Donnerstag überholte Microsoft jedoch Amazon. Gute Quartalszahlen gaben dem Softwarekonzern Schub.

Microsoft macht Amazon indes nicht nur Druck an der Börse, sondern auch im operativen Geschäft: Im wichtigen Cloud-Geschäft. Das läuft bei Amazon zwar auf Hochtouren, aber auch bei Microsoft. "Azure" konnte den Umsatz zuletzt um 76 Prozent steigern. Mit Azure ist Microsoft zur Nummer zwei im Markt hinter AWS geworden.

Die Quartalszahlen von Amazon können sich bis auf einige Makel dennoch sehen lassen. Der Konzern aus Seattle ist breit aufgestellt, insbesondere in Zukunftsfeldern wie Cloud, künstliche Intelligenz und Big Data dabei.

Langfristig orientierte Anleger nutzen die jüngste Kursschwäche zum Einstieg.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 2200,00 Euro
Stoppkurs: 1350,00 Euro