Für sich genommen beeindrucken die Zahlen. Im Weihnachtsquartal stieg der Umsatz von Amazon um um 22 Prozent auf 43,7 Milliarden Dollar. Der Überschuss legte im Jahresvergleich sogar um 55 Prozent auf 749 Millionen Dollar zu. Noch beeindruckender liest sich die Jahresbilanz. Noch besser lesen sich die Jahreszahlen. Der Konzern aus Seattle setzte 2016 insgesamt 136 Milliarden Dollar um - 27 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Gewinn stieg von 596 Millionen auf 2,4 Milliarden Dollar. Es war das siebte profitable Quartal in Folge, was für Amazon bemerkenswert ist, da der Konzern früher regelmäßig Verluste ausgewiesen hat.

Doch selbst mit diesen Ergebnissen, konnte der Onlinehändler die Erwartungen der Analysten nicht erfüllen. Noch entscheidender für den starken Kursrücksetzer von rund vier Prozent dürfte allerdings der Ausblick für das laufende Quartal gewesen sein. Amazon stellte einen Umsatz zwischen 33,25 und 35,75 Milliarden und einen operative Gewinn zwischen 250 und 900 Millionen Dollar in Aussicht. Das ist deutlich weniger als die 1,3 Milliarden Dollar, die Analysten erwartet hatten.

Der Grund für die große Bandbreite der eigenen Ziele sowie die Enttäuschung der Aktionäre liegt in Amazons Ausgabenwut. Umsatzwachstum und Investitionen sind die obersten Prioritäten seit der Unternehmensgründung. Bereits in einem seiner ersten Aktionärsbriefe erklärte Vorstandschef Jeff Bezos, dass der den Unternehmenswert über Kunden- und Umsatzwachstum steigern wolle. "Wir glauben, dass Skaleneffekte zentral sind, um das volle Potential unsere Geschäftsmodells zu erreichen", so der Gründer 1997.

Diesem Leitsatz folgend war es für Bezos nie ein Problem Verlust zu machen, solange nur der Umsatz stark genug zulegte. Auch an der Börse wurde die Meinung lange geteilt. Als Wachstumsunternehmen gestanden die Investoren Amazon Anlaufverluste zu. Mit der steigenden Bewertung und jedem neuen Quartalsverlust aber schwand die Geduld der Anleger, auch weil die Einnahmen langsamer wuchsen Es drängte sich die Frage auf, ob der Konzern nachhaltig profitabel sein könnte und wenn ja, ob die Rentabilität ausreiche, um die hohe Bewertung zu rechtfertigen.

Den Beweis, dass Amazon Gewinne machen kann aber hat Bezos mittlerweile geliefert. Auch weil der Konzern mit seinem Cloudgeschäft eine neue Ertragsquelle aufgetan hat. Das hochprofitable Geschäft mit Rechenleistung aus dem Netz spielte 2016 Erlöse von 12,2 Milliarden Dollar ein und übertraf das Umsatzziel von zehn Milliarden Dollar deutlich. Im dem rasch wachsenden und lukrativen Cloud-Geschäft ist Amazon Marktführer.

Doch Amazon beherrscht auch noch andere Märkte. Laut den Marktforschern von Slice Intelligence fanden geschätzte 42 Prozent aller Online-Einkäufe an den Feiertagen im vergangenen Jahr bei Amazon statt. Währenddessen kämpfen in den USA traditionelle Einzelhändler mit hohen Rabatten um Kunden. Von Kaufhäusern wie Macy´s bis zu Supermärkten wie Target, mussten zahlreiche Unternehmen Gewinnwarnungen herausgeben. Amazon hingegen berichtet, dass Rabattaktionen keinen größeren Einfluss auf die Verkäufe im vierten Quartal hatten.

Aber nur weil der Konzern mittlerweile auch Gewinne macht, wird das Investitionstempo in keiner Weise gedrosselt. Stattdessen dürften die Ausgaben in den kommenden Monaten steigen. Der Ausbau des Filmangebots für die eigene Streamingplattform Prime kostet viel Geld, während die Frachtflotte vergrößert wird, der Einstieg in den stationären Einzelhandel und die Schifffahrt vorangetrieben und ein eigener Frachtflughafen für 1,5 Milliarden Dollar gebaut werden soll.

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Einschätzung der Redaktion



Zusammen mit den zuletzt fortlaufenden Quartalsgewinnen, hat die Aktie von Amazon allein im vergangenen Jahr ein Plus von über 50 Prozent gemacht. Vor diesem Hintergrund und angesichts eines KGV von 59,5 erscheint der Kursrücksetzer verständlich. Zumal angesichts des guten 2016 und den steigenden Ausgaben in diesem Jahr sinkende Gewinne drohen. Auch das charttechnisch spricht vorerst wenig für weitere Kursgewinne, denn die Aktie ist dabei ein Doppeltop auszubilden.

Doch mit seinem Mantra Wachstum und Investitionen über Gewinne zu stellen ist Amazon langfristig immer erfolgreich gewesen. Die Vorstöße in das Frachtgeschäft und zwar auf dem Land, zur See und in der Luft zeigen, dass Amazon seine Wertschöpfungskette gnadenlos vertieft. Gleichzeitig steigt der Konzern in das Geschäft mit Supermärkten und dem Lebensmittelhandel ein und denkt über Zeppelingestützte Auslieferungszentren nach. Doch was als Fantasterei begann hat sich bei Amazon am Ende oft genug ausgezahlt. Auch wenn sich auf dem aktuellen Kursniveau kein Kauf aufzwingt, bleibt die Aktie für langfristig orientierte Anleger ein Basisinvestment.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 870,00 Euro
Stoppkurs: 580,40 Euro