Dem Datenanbieter Dealogic zufolge vervierfachte sich das Volumen der Bond-Emissionen von US-Unternehmen im Währungsraum 2019 auf 93 Milliarden Euro. Das sind 27 Prozent aller ausgegebenen Euro-Schuldtitel von Firmen außerhalb der Finanzwirtschaft, deren Bonds das Gütesiegel "Investment Grade" tragen.

Im Börsenjargon heißen im Ausland ausgegebene Anleihen von US-Firmen "Reverse Yankees" in Anspielung auf "Yankee Bonds", die von ausländischen Firmen in den USA emittiert werden. Sollte der Boom bei "Reverse Yankees" anhalten, werden die USA im kommenden Jahr Frankreich als wichtigsten Emittenten von Euro-Bonds im ICE-BofA-Unternehmensanleiheindex ablösen, prognostiziert Bank of America (BofA).

Angelockt werden die US-Firmen von den fallenden Zinsen in der Euro-Zone. Seit Jahresbeginn sank die durchschnittliche Rendite von Unternehmensanleihen auf 0,48 von 1,25 Prozent. "Der europäische Markt bietet Emittenten die weltweit besten Finanzierungsbedingungen", sagt Barnaby Martin, Chef-Anlagestratege für Bonds bei Bank of America. Unternehmen emittieren daher verstärkt länger laufende Euro-Bonds und lösen mit dem Geld kürzer laufende Dollar-Papiere ab. Dem Datenanbieter Refinitiv zufolge wurde in den vergangenen Monaten die Hälfte aller 30-jährigen auf Euro lautenden Unternehmensbonds von US-Firmen ausgegeben.

Europäische Anleger profitieren ebenfalls von dem zusätzlichen Angebot. Die Bonds von US-Unternehmen bieten meist eine höhere Rendite als vergleichbare heimische Papiere, weil sie nicht für das Wertpapier-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) qualifiziert sind. Dem Research-Haus CreditSight zufolge liegt der Renditeaufschlag bei sieben- bis zehnjährigen Titeln bei bis zu einem Viertelprozentpunkt.

KEIN ENDE DES BOOMS IN SICHT

Da die EZB bis auf weiteres Anleihen aufkaufen will und eine Zinssenkung der US-Notenbank (Fed) nicht in Sicht ist, rechnen Experten für 2020 mit einem noch höheren Emissionsvolumen bei "Reverse Yankees". Potenzielle Neuzugänge auf diesem Markt sind der BofA zufolge der Online-Händler Amazon und der Kreditkarten-Anbieter Visa. Beide machen einen erheblichen Teil ihres Umsatzes in Euro, haben bislang aber noch keine Schuldtitel in der Gemeinschaftswährung ausgegeben. Das gestiegene US-Interesse am europäischen Anleihemarkt könne darüber hinaus mittelfristig auch die großen asiatischen Lebensversicherer anlocken, fügt BofA-Experte Martin hinzu.

Investoren sollten beim Kauf von Euro-Bonds amerikanischer Firmen aber die Risiken nicht aus den Augen verlieren, warnt Rachid Semaoune, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Royal London. US-Unternehmen seien meist aggressiver bei Ausschüttungen an die Eigner in Form von Sonderdividenden oder Aktienrückkäufen. Diese Politik sei aber nachteilig für Bond-Halter, weil weniger Geld für den Schuldendienst bleibe.

rtr