Der lange etwas träge Wohnimmobilienmarkt ist in den vergangenen Jahren aus dem Dornröschenschlaf aufgewacht. Daten der DZ Bank zufolge ist dadurch vor allem das Wohnen in Deutschlands Großstädten teuer geworden. In den sieben größten Städten von Berlin bis Stuttgart sind demnach die Preise für Eigentumswohnungen, auch angeschoben vom Zinstief und fehlenden Anlagealternativen, binnen fünf Jahren im Mittel um mehr als 40 Prozent gestiegen. Nicht ganz so stark, aber immer noch kräftig ging es mit 25 Prozent bei den Mieten bergauf.

Immer öfter wird wegen dieser Entwicklung die Frage gestellt, wie lange das Wohnen noch bezahlbar bleiben wird. Das Urteil in einer aktuellen Studie der Postbank fällt dabei erst einmal zugunsten der Hausbesitzer und Vermieter aus. Denn bis zum Jahr 2030 sollen demnach die Preise für Immobilien weiter steigen. Trotz dieser positiven Prognose sind die Aktien deutscher Wohnimmobilien-Unternehmen im abgelaufenen Quartal auf Korrekturkurs eingeschwenkt.

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Zinsanstieg lastet auf den Kursen



Der Frage, was dabei eine Rolle gespielt hat, geht die von der Dr. Jens Ehrhardt Gruppe herausgegebene Publikation Finanzwoche nach. Zu tun haben die zuletzt erlittenen Verluste natürlich zum einen mit der allgemeinen Marktkorrektur. Diese war so deutlich, dass sich dem auch ein einzelnes Segment nur schwer entziehen kann. Laut Ehrhardt hat zum anderen aber auch der jüngste Zinsanstieg zu der deutlichen Korrektur beigetragen. Verschärft worden sei dieser Trend zudem auch noch durch unternehmensspezifische Nachrichten. Angeführt werden hier ein zusätzliches Aktienangebot in Form von Kapitalerhöhungen bei der Deutschen Wohnen oder der Deutschen Annington, wobei dieses Unternehmen auch noch Aktienplatzierungen durchgeführt habe. Angeführt wird zudem ein zunächst geplanter Börsengang von Ado Properties, einen in Berlin tätigen Wohnimmobilien-Anbieter, der allerdings auf den letzten Drücker sein IPO zunächst zurückgezogen hat.

Allgemein stuft Ehrhardt das Umfeld für deutsche Wohnimmobilien aber als durchaus gut ein. Dank einer Mischung aus steigenden Mieten, günstigeren Refinanzierungen sowie Portfolio-Zukäufen hätten alle Bestandshalter ihre nachhaltige Ertragskraft (die sogenannten Funds from Operation, FFO) deutlich steigern können. Unverändert spreche für das Mark-Umfeld, dass Wohnraum in deutschen Ballungszentren immer noch relativ knapp sei. Zwar ziehe die Bautätigkeit an, jedoch bleibe vielerorts eine Versorgungslücke nach Zuzug. Laut Statistischem Bundesamt werde 2014 der Bau von rund 284.900 Wohnungen genehmigt. 5,4 Prozent mehr als im Vorjahr (in den Vorjahren 2010: +5,5 Prozent; 2011: +21,7 Prozent; 2012: +4,8 Prozent; 2013: +12,9 Prozent). Diese Entwicklung müsse in der Zukunft kritisch beobachtet werden, sie sei jedoch angesichts der unverändert sehr geringen Leerstands-Raten in attraktiven Ballungszentren derzeit nicht besorgniserregend.

Möglicherweise wirkten sich die "Mietpreisbremse" und zunehmende regulatorische Eingriffe letztlich sogar unterstützend aus bzw. verhinderten sinkende Immobilienpreise. Denn eine daraus folgende Verunsicherung von Investoren könnte zu einer Behinderung von Bautätigkeit mit anschließend zu geringem Angebot an Wohnraum führen.

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Wachstumschancen künftig begrenzter



Dennoch dürften die Wachstumschancen der Wohnimmobilienbestandshalter zukünftig begrenzter sein, so Ehrhardt, denn zwei wichtige Wachstumstreiber würden in der Zukunft nicht mehr wirken: Zum einem entfalle bei weiter steigenden Zinsen die Möglichkeiten zur Verbesserung der Ertragskraft durch eine günstigere Refinanzierung. Bis auf TAG Immobilien (3,7 Prozent) lägen die Zinskosten bei allen AGs bereits unter drei Prozent bzw. bei der Dt. Wohnen sogar bei nur zwei Prozent. Hier bestehe somit kaum noch Verbesserungspotential.

Zum anderen sei externes Wachstum durch Zukäufe von Immobilienportfolios angesichts der gestiegenen Preise beschränkt (und auch riskanter) und wirke sich wohl auch nur noch marginal positiv auf den FFO aus. Deutsche Annington habe das 18-fache FFO für Südewo gezahlt und Deutsche Wohnen zahlte für ihren jüngsten Zukauf in Berlin Marzahn/Hellersdorf einen Mietmultiplikator von 20. Zwar könne sie diese Bestände gut in ihr bereits bestehendes Portfolio integrieren - nach Verwaltungs- und Instandhaltungskosten bliebe aber wahrscheinlich nur noch vier Prozent Rendite übrig. Der Zukauf sei daher riskant.

Letzter verbleibender Wachstumstreiber beim FFO sei das Wachstum der Mieten. Diese sollten sich trotz "Mietpreisbremse" und Kappung bei Neuvermietung (nicht höher als zehn Prozent über Mietspiegel) weiter aufwärts entwickeln. Die börsennotierten Bestandshalter-AGs seien von der Mietpreisbremse ohnehin nur marginal betroffen (am meisten noch die Deutsche Wohnen aufgrund ihres hohen Berlinanteils von über 70 Prozent), da sie überoperieren. Zudem lägen hier die Ist-Mieten meist noch deutlich unter den Marktmieten (bei der Deutschen Wohnen angeblich sogar 21 Prozent). Deshalb sollte ein Mietwachstum von zwei Prozent p.a. vorerst weiterhin erzielbar sein. Bei der TAG Immobilien dürfte es aufgrund der geringeren Portfolioqualität eher etwas darunter liegen.

Vor allem das Mietwachstum der Deutschen Wohnen (gute Portfolioqualität sowie Ist-Mieten liegen deutlich unter Marktmieten) und das der Deutschen Annington (infolge eines umfang-reichen Modernisierungsprogrammes von 280-300 Millionen Euro) sollte sogar deutlich über zwei Prozent liegen. Bei einem Verschuldungsgrad von in der Regel rund 50 Prozent sei so bei zwei Prozent Mietwachstum rund vier bis fünf Prozent FFO-Wachstum möglich. Mehr als das scheine nachhaltig nicht erzielbar oder nur bei einer weiter fortgesetzten Branchenkonsolidierung.

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Vier deutsche Wohnimmobilien-Aktien im Test





Hier habe die Deutsche Annington Immobilien SE (WKN: A1M L7J, 26,115 Euro) mit Gagfah sowie Südewo die größten Schritte gemacht. Allein durch Kosteneinsparungen sollten sie so auch das höchste Gewinnwachstum erreichen. Die Bochumer rechneten allein mit 75 Millionen Euro operativen Synergien sowie 55 Millionen Euro geringeren Zinskosten bis Ende 2017. Dies entspreche immerhin mehr als 20 Prozent des für 2015 prognostizierten FFOs. Mit einer Dividendenrendite von perspektivisch über fünf Prozent sei Deutsche Annington ideal für Dividenden-Investoren, zumal diese wie bei den meisten Gesellschaften steuerfrei sei bzw. auf absehbare Zeit sein werde.



Ebenfalls eine hohe Dividendenrendite biete Deutsche Wohnen AG (WKN: A0H N5C, 21,085 Euro) zeichne sich dagegen durch ihre gute Portfolioqualität aus und sei zudem durch die jüngste Refinanzierung am besten abgesichert gegen einen möglichen Zinsanstieg. Die Bewertung sei demensprechend allerdings auch mit einem Aufschlag von über sechs Prozent zum Nettoinventarwert und einem FFO-Multiple von 24 teuer. Interessant sei sie vor allem für Investoren, die an den Standort Berlin glauben.



Die LEG Immobilien AG (WKN: LEG 111, 61,44 Euro) zeichne sich ebenfalls durch eine besonders gute Portfolioqualität aus (gut instandgehalten, wenig Hochhäuser) und sei langfristig einer der wenigen verbleibenden Übernahmekandidaten. Die Düsseldorfer würden gut zur Deutschen. Annington passen, so Ehrhardt.

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Auf die Zinsentwicklung kommt es an



Wegen der Bedeutung der Zinsen für die Kursentwicklung ist es wichtig zu wissen, dass Ehrhardt dank Quantitative Easing voraussichtlich bis Mitte 2016 unter realistischen Annahmen mit einem niedrig bleibenden Zinsumfeld in Deutschland rechnet. Völlig unerwartet käme für den Sektor jedenfalls ein sehr starker Zinsanstieg bei deutschen Anleihen. Zehnjährige Bundesanleihen notierten zwar kurzzeitig wieder bei rund 0,9 Prozent, nachdem sie im Tief fast gar keine Rendite mehr abgeworfen hätten. Aber trotz des jüngsten (Zwischen-)Anstieges seien die Zinsen für zehnjährige Bundesanleihen mit unter einem Prozent historisch niedrig. Der Durchschnitt seit 2005 liege bei rund drei Prozent. Dennoch sei realistisch, dass die Zinswende inzwischen trotz Quantitative Ea¬sing erfolgt sei.

Inklusive Risikoaufschlag (in der Regel rund 100 Basispunkte) rechne sich eine Immobilie allgemein in guten Lagen bis zu einen Zinssatz von zwei Prozent für zehnjährige Bundesanleihen. Ab diesem Niveau führt es ebenfalls langfristig zu steigenden Zinskosten bei den börsennotierten Wohnungsgesellschaften. Die Zinskosten bei LEG und Deutsche Annington lägen bereits bei knapp unter drei Prozent, allein die TAG Immobilien habe hierbei mit 3,74 Prozent noch erhebliches Verbesserungspotential. Dank ihrer jüngsten Refinanzierung im Rahmen der Kapitalerhöhung sei die Deutsche Wohnen mit Zinskosten von zwei Prozent nochmals deutlich darunter. Diese günstigen Konditionen habe sich die Deutsche Wohnen bei einer durchschnittlichen Fälligkeit von zehn Jahren immerhin langfristig gesichert. Festzuhalten bleibe, dass sich steigende Zinsen zwar negativ auf die Immobilienpreisentwicklung auswirkten, aber nicht zwangsläufig zu generell fallenden Preisen führen müssten.

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Fazit: Solange nicht die Zehn-Jahres-Zinsen über zwei Prozent steigen und die Neubauaktivität signifikant anzieht, sollte das gute Marktumfeld für Wohnimmobilien nach Einschätzung von Ehrhardt anhalten. Das Gewinnwachstum werde sich in Zukunft aber auf das Mietwachstum beschränken. Bei zwei Prozent Mietwachstum und gegebenem Verschuldungsgrad (gegebenenfalls plus Kosteneinsparung) ergebe sich ein Gewinnwachstum von vier bis fünf Prozent.

Mit das höchste Gewinnwachstum dank der Synergien und auch am aussichtsreichsten dürfte Deutsche Annington sein. Die Zeiten deutlicher Kursgewinne bei Wohnungsgesellschaften sollten jedoch angesichts der früher oder später wieder steigenden Zinsen vorbei sein. Zumal die meisten Aktien am Nettovermögenswert (NAV) notieren und fair bewertet seien. Ein deutlicher Kursrückgang sei jedoch auch unrealistisch. Die Dividendenrenditen seien im Vergleich zu anderen Unternehmen überdurchschnittlich und sicher. Zudem stiegen sie jedes Jahr entsprechend den FFOs.