1.280 Mrd. Euro bringt Apple derzeit auf die Börsenwaage. Eine unvorstellbare Zahl, vor allem auch im Vergleich zu den deutschen Werten. Die 30 Aktien im DAX liegen bei etwa 1.260 Mrd. Euro, Index-Schwergewicht SAP kommt auf 155 Mrd. Euro. Ähnlich gut lief es zuletzt auch für die anderen amerikanischen Schwergewichte Facebook, Amazon, Microsoft und Google. Aktien von Apple verzeichneten aber besonders hohe Mittelzuflüsse: Seit Mai 2019 schnellte der Kurs um 86 Prozent in die Höhe.

"Billig-iPhone" bringt Schwung


Keine Frage, der Konzern hat im vergangenen Jahr bereits ordentlich geliefert. Nicht nur der Mac Pro erfreut sich großer Beliebtheit, auch die neuen iPhones mit besserer Kamera und Akkulaufzeit sind trotz des hohen Preises gefragt. Bereits im März könnte der nächste Paukenschlag folgen. Erst kürzlich meldete "Bloomberg", dass nach vier Jahren der inoffizielle Nachfolger des iPhone SE im März auf den Markt kommen könnte. Wer aktuell ein neues Smartphone bei Apple kaufen möchte, muss für das iPhone 8 etwa 530 Euro auf den Tisch legen. Gerüchten zufolge starten Apples Ausrüster im Februar mit der Massenproduktion. Mit dem neuen "Billig-iPhone" könnte Apple weitere Kunden für sich gewinnen - und so auch seine zahlreichen Dienste verkaufen.

Dienstleistungsgeschäft löst iPhone ab


Ende vergangenen Jahres erfolgte der Startschuss für das eigene Streamingportal Apple TV+. Anders als Konkurrenten wie Netflix werden ausschließlich Eigenproduktionen gezeigt, entsprechend übersichtlich fällt noch das Angebot aus. Dafür ist der Preis mit fünf Dollar vergleichsweise tief. Kunden, die seit Anfang September 2019 ein neues iPhone, iPad, einen iPod Touch, Mac oder ein Apple TV gekauft haben, können das Angebot sogar ein Jahr kostenlos konsumieren. Nicht alle Nutzer von Apple TV+ bezahlen somit auch Geld. Apple hofft hier viel mehr auf einen Gewöhnungseffekt: Wer den Dienst zwölf Monate in Anspruch genommen hat könnte eher bereit sein, anschließend auch zu bezahlen. Die neue Produktoffensive dürfte sich mit der Marketing-Strategie für Apple TV+ somit langfristig richtig auszahlen. Weltweit werden rund 1,4 Milliarden Apple-Geräte genutzt.

Nach dem Bereich Computer-Hardware verliert somit auch das konjunkturabhängige Geschäft mit iPhones kontinuierlich an Bedeutung. Der Bereich steuert nur noch rund die Hälfte zum Umsatz bei. Dafür verkaufen sich die Dienstleistungen immer besser: Mit dem breiten Angebot über Kreditkarten, Portale für Zeitungen und Zeitschriften, Abo-Services wie der Gamingdienst Apple Arcade und iTunes-Music sowie Speicherplatz und Apple TV+ wird jeder angesprochen, dies führt zu einer noch engeren Kundenbindung. Dennoch könnte gerade das iPhone in den kommenden Monaten wieder stärker in den Fokus rücken: Für September wird erstmals ein 5G-fähiges Modell erwartet.

Höhere Bewertung und Überhitzung


Unter dem Strich ist Apples Geschäft durch den steigenden Anteil der Dienstleistungen weniger zyklisch und somit riskant geworden. An der Börse sind Investoren daher bereit, einen höheren Multiplikator zu bezahlen. Über die Geschäftsentwicklung im ersten Quartal berichtet Apple am Dienstag. Prognosen zufolge wird ein Umsatzplus auf bis zu 89,5 Mrd. Dollar erwartet. Der Gewinn je Aktie soll 4,54 Dollar erreichen, vor drei Monaten lagen die Schätzungen bei 4,44 Dollar. Für das zweite Quartal rechnen Analysten derzeit mit 2,81 Dollar. Börse Online kalkuliert für 2020 mit einem Gewinn von 13,13 Dollar, dies führt zu einem KGV von 24. Mit einem ähnliche Faktor ist derzeit auch der Nasdaq 100 bewertet.

Das Problem: Mit der Rally hat der Kurs wieder die obere Grenze eines Aufwärtskanals erreicht, die bei rund 320 Dollar verläuft. Eine Tempobeschleunigung darüber hinaus ist zwar nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich. Denn auch der weite Abstand von knapp 40 Prozent zur 200-Tage-Linie (unter dem Chart als 40-Wochen-Durchschnitt) mahnt zur Vorsicht. Die Gesetze der Schwerkraft dürften bald wirken. Nachkaufchancen eröffnen sich bei 260 Dollar, auch das alte Hoch um 230 Dollar dürfte viele Schnäppchenjäger anlocken. Aus taktischer Sicht drängt sich kurzfristig somit kein Einstieg auf, mittel- bis langfristig bleiben die Papiere aber aussichtsreich.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.

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