Erst will die EU Atomkraft für klimafreundlich und nachhaltig erklären - zum Ärger der Grünen-Minister in der Bundesregierung. Wenige Tage später kommt es dann zu politischen Unruhen in Kasachstan - einem Land, dessen Stellung am Uranmarkt etwa der Saudi-Arabiens im Erdölsektor entspricht. Da außer in Deutschland nahezu weltweit neue Kernkraftwerke gebaut werden, zeichnen sich Lieferengpässe ab, die den Uranpreis in die Höhe schnellen lassen könnten.

Selbst wenn sich die Lage in Kasachstan schnell wieder beruhigen sollte, heißt das nicht, dass der Uranpreis in seine langjährige Lethargie zurückfällt. Im Gegenteil: Der radioaktive Rohstoff hat das Zeug zum neuen Bitcoin. Das Geld der Superreichen fließt bereits hinein. Keine Geringeren als die Multimilliardäre Bill Gates und Warren Buffett investieren angesichts der Überalterung der US-Kernkraftwerke in die Entwicklung neuer, kleiner Reaktortypen (Small Modular Reactors, kurz SMR).

Sprott Physical Uranium

Investorenlegende Eric Sprott übernahm im vergangenen Jahr die Uranium Participation Corporation, die mit einem ETF-ähnlichen Konstrukt den Uranpreis abbildete. Mit seiner Erfahrung aus dem Edelmetallbereich hat Sprott die Fondsstruktur komplett überarbeitet und professionalisiert. Für Vermögensverwalter und Family Offices bietet er nun einen transparenten und einfachen Zugang zum physischen Uranmarkt.

Von dieser neuen Investmentmöglichkeit machen Großinvestoren massiv Gebrauch. In nur fünf Monaten hat Sprott über eine Milliarde US-Dollar eingesammelt und dafür 10 500 Tonnen Uran 308 gekauft. Das ist mehr, als Staaten wie China oder Frankreich pro Jahr verbrauchen. Beide Länder sind nach den USA die Nummer 2 und 3 am Uranmarkt. Praktischerweise kooperiert Sprott mit dem größten nordamerikanischen Produzenten Cameco, auf dessen Gelände in Kanada die gekauften Uranbestände eingelagert werden. Noch ist der Physical Uranium Trust von Sprott Asset Management nur an der Börse in Toronto handelbar. Doch das Listing in New York ist in Vorbereitung, weitere Mittelzuflüsse sind damit bereits programmiert. Zudem hat Sprott eine strategische Zusammenarbeit mit dem Northshore Uran ETF gestartet, dem bislang größten Indexfonds der Welt neben dem Global X Uranium ETF.

Yellow Cake

Für deutsche Privatanleger ist im Moment Yellow Cake die einfachste Möglichkeit, den Uranpreis abzubilden. Offiziell ist das eine Aktie, die auf Tradegate recht liquide gehandelt wird. Die Konstruktion dahinter ist aber ebenfalls nichts anderes als ein physisch besicherter Uran-ETF.

Um die Situation des Uranmarkts im Jahr 2022 zu verstehen, lohnt zunächst ein Blick auf die vergangenen 20 Jahre. Während der gesamten 90er-Jahre verharrte der Uranpreis in der Region um 20 US-Dollar pro Pfund ($/lbs). Nach dem Niedergang der Atommacht Russland kam Uran in Massen über Verschrottungsprogramme von Kernwaffen auf den Markt. Diese Vorräte gingen ab der Jahrtausendwende langsam zur Neige.

Hinzu kam ein Wassereinbruch in Kanadas größter Mine McArthur River, der den Betreiber Cameco zwang, die Förderung vorübergehend einzustellen. Während die Angebotsseite dadurch knapper wurde, kam auf der Nachfrageseite mit China ein neuer Player an den Markt. Im Jahr 2005 wurde ein Fünfjahresplan vorgestellt, in dem die Kernkraft als wichtiger Baustein der künftigen Energieversorgung beworben wurde. Folge: Bis 2007 versiebenfachte sich der Uranpreis auf 140 $/lbs. Die spekulationsgetriebene Hausse endete mit der globalen Finanzkrise im Jahr 2008. Der Uranpreis fiel bis zum Jahr 2010 von 140 auf 40 $/lbs zurück. Der nächste Einbruch folgte 2011, als die Reaktorkatastrophe von Fukushima der Welt die Risiken der Atomenergie jäh aufzeigte. Die Branche durchlebte einen zehnjährigen Bärenmarkt. Von über 500 börsennotierten Uranaktien (2011), blieben bis 2020 nur noch etwa 60 übrig.

Einer der Hauptgründe für die Attraktivität des Uranmarkts ist, dass der Abbau ein sehr träges Geschäft ist. Wenn die Nachfrage steigt, lässt sich die Förderung nicht einfach wie bei Erdöl kurzfristig erhöhen. Von der Entdeckung eines Vorkommens über oft langwierige Genehmigungsverfahren und die Erschließung dauert es mindestens fünf Jahre, bis eine Mine in Betrieb genommen werden kann. Wegen der Risiken der radioaktiven Belastung der Umwelt durch Uranstaub müssen - je nach Land und Gesetzeslage - weitere Jahre hinzuaddiert werden.

Zur Trägheit der Produktion gesellt sich die Trägheit der Nachfrageseite. Kraftwerksbetreiber werden häufig durch staatliche Stellen reguliert, bei denen nicht immer das beste Verständnis von der Dynamik der Finanzmärkte verankert ist. Wie sonst wäre zu erklären, dass viele Kraftwerksbetreiber ihre langfristigen Lieferverträge während der Hochphase des Preises in den Jahren 2005 bis 2012 abgeschlossen haben, davor und danach aber kaum aktiv waren? Diese Situation hat sich bis heute nicht geändert.

Offenbar haben es die Kraftwerksbetreiber nicht nötig, sich aktiv um günstige Einkaufspreise zu kümmern, da ihnen hohe Uranpreise nicht sonderlich wehtun. Sie machen nur etwa fünf Prozent der Kosten des Endprodukts Strom aus. Wesentlich höher schlagen Planung und Bau, Kredit- und Kapitalkosten zu Buche, vor allem aber Ausbildung und Gehälter qualifizierter Mitarbeiter, erst recht aber die komplexen Sicherheitsmechanismen.

Da Verträge meist individuell zwischen Lieferanten und Abnehmern ausgehandelt werden, ist die Preisgestaltung weitgehend intransparent, der Terminmarkt eng und kaum liquide - selbst im Vergleich mit exotischen Rohstoffkontrakten wie bei Schweinebäuchen oder Sojabohnenöl. Die niedrige Liquidität trägt dazu bei, dass der Markt manchmal nach oben, aber ebenso nach unten heftig übertreiben kann. Ein Ausbruch nach oben ist in der aktuellen Situation die wahrscheinlichere Variante: Die gesamte Marktkapitalisierung aller Uranaktien zusammen beträgt heute weniger als 50 Milliarden Euro, was etwa dem Wert eines mittelgroßen DAX-Unternehmens entspricht.

Uran an sich ist kein knapper Rohstoff. Schätzungen gehen davon aus, dass die bekannten Vorkommen für mindestens 300 Jahre reichen, um vorhandene und neu geplante Kraftwerke zu betreiben. Uran ist nur zu Preisen unter 60 $/lbs Mangelware. Das ist exakt die Schwelle, ab der die meisten Produzenten profitabel fördern können. Zum aktuellen Preis von etwa 45 $/lbs schreiben sie rote Zahlen.

Cameco

Eine Ausnahme ist das kanadische Unternehmen Cameco, das auch zum aktuellen Uranpreis profitabel fördern kann. Mit der McArthur River Mine und der Cigar Lake Mine ist Cameco im Besitz der beiden größten und von der Konzentration her reichsten Uranvorkommen der westlichen Welt. Die schwierige Phase nach Fukushima führte zu einer Marktbereinigung, die das Management für Übernahmen kleinerer Konkurrenten genutzt hat. Von den Unruhen in Kasachstan sollte Cameco tendenziell profitieren. Kunden, die womöglich mit der dortigen Kazatomprom Lieferverträge abschließen wollten, könnten nun eher geneigt sein, die sicherere westliche Variante zu bevorzugen.

Kazatomprom

Als zweites Basisinvestment der Branche gilt Kazatomprom - wären da nicht die politischen Unsicherheitsfaktoren. Im Jahr 2018 wurde die größte kasachische Mine an die Londoner Börse gebracht. Mit einem neuen Management hat man seither marktwirtschaftliche Strukturen und betriebswirtschaftliches Denken eingeführt, was im starren kommunistischen Apparat jahrzehntelang verpönt war. Der fürs operative Geschäft verantwortliche Manager Askar Batyrbayev hat erst im vergangenen Monat in Videokonferenzen betont, dass Kazatomprom seine Strategie "Value over Volume" bis mindestens ins Jahr 2023 fortführen möchte. Das bedeutet, dass der bedeutendste Uranförderer die Produktion niedrig halten wird, um von Preissteigerungen zu profitieren, die dadurch gleichzeitig erzwungen werden - ein wichtiges Signal für den Markt.

Kazatomprom ist mit einem Marktanteil von etwa 40 Prozent der weltweit größte Uranproduzent und bietet zunehmend auch weiterverarbeitete Produkte bis hin zu fertigen Brennstäben an. Die Aktie weist eine Dividendenrendite von über sieben Prozent auf. Damit ist Kazatomprom neben Cameco (0,3 Prozent) derzeit der einzige Uranproduzent, der sich überhaupt eine Ausschüttung leisten kann.

Der wichtigste Wettbewerbsvorteil für Kazatomprom sind aber die mit Abstand niedrigsten Produktionskosten. Das Unternehmen bedient sich bei der Förderung des ISR-Verfahrens, einer Art Fracking. Während sich die kanadischen Behörden damit schwertun, das Verfahren zu genehmigen, ist es aufgrund der geologischen Gegebenheiten in Kasachstan (dünne Besiedlung, weitestgehend karge Landschaften mit Wüste) zugelassen. Beim ISR-Verfahren wird über verschiedene Bohrungen eine chemische Flüssigkeit in das Uranvorkommen gepumpt. Die Chemikalie löst das Uran und wird über weitere Bohrlöcher wieder abgepumpt und weiterverarbeitet.

Der Vorteil der Methode ist, dass man nicht riesige Berge von Gesteinsmassen abbauen, zerkleinern und sieben muss, ganz zu schweigen vom lebensgefährlichen Untertagebau. So spart der kasachische Konzern neben Lohn- auch massiv Energie- und Gerätekosten. Der Nachteil besteht darin, dass die Methode nur dort eingesetzt werden kann, wo man eine geologische Abtrennung des Uranvorkommens zu möglichen Grundwasservorkommen hat.

Versuche, diese Methode anzuwenden, unternehmen in den USA und in Kanada derzeit Encore Energy und Denison Mines. Sie wollen mit sogenanntem Ground Freezing eine künstliche Schutzschicht um das Uranvorkommen schaffen, um danach das ISR-Verfahren einsetzen zu können. Dass das nicht einfach wird, zeigt schon die Tatsache, dass man bereits einige Jahre daran forscht und Einsprüche von Anwohnern immer wieder für Verzögerungen sorgten. Ausgang ungewiss.

Kazatomprom hingegen profitiert von den sicher auch laxeren Umweltauflagen im Heimatland und hat mit China und Russland zwei wichtige Kunden direkt vor der Haustür. Allerdings wurden beim Börsengang in London nur 25 Prozent der Aktien platziert, drei Viertel sind weiterhin in staatlicher Hand. Das kann sich jetzt als Nachteil erweisen, denn das derzeitige Regime in Kasachstan um Präsident Kassym-Schomart Tokajew erweckt nicht den Eindruck, Politik nach westlichen Standards anzustreben. Was das für Aktionärsrechte bedeutet, bleibt abzuwarten.

Global Atomic

Deutlich kleiner und schon deshalb ebenfalls recht spekulativ ist die Global Atomic Corporation. Das in Kanada ansässige Unternehmen fällt durch eine niedrige fundamentale Bewertung auf. Wenn man die Uranreserven ins Verhältnis zur Marktkapitalisierung setzt, ist Global Atomic im Vergleich zu den meisten anderen Uranminen etwa um den Faktor 3 unterbewertet. Wenig vertrauenerweckend erscheint auf den ersten Blick, dass sich das Unternehmen auf seine Förderaktivitäten im Niger konzentriert. Doch die politischen Verhältnisse in dem afrikanischen Land gelten als stabil, die Dasa-Mine wurde von der Regierung bereits im Eilverfahren komplett genehmigt.

Zudem kann Global Atomic auf eine bestehende Infrastruktur und auf vollständig ausgebildete Facharbeiter einer französischen Firma zurückgreifen, die etwa 100 Kilometer nördlich des Dasa-Projekts vor zwei Jahren ihren Betrieb eingestellt hat. Dank dieser Standortvorteile strebt das Unternehmen quasi aus eigener Kraft den Start der Uranproduktion im ersten Quartal 2025 an - gerade in dieser Phase soll der Rohstoff den Marktprognosen zufolge besonders knapp werden.

Neben der Dasa-Mine betreiben die Kanadier eine Zinkaufbereitungsfabrik in der Türkei, die zuletzt dank gestiegener Zinkpreise vermehrt Liquidität in die Kassen gespült hat, was der Finanzierung des Uranprojekts zugute kommt. Da Global Atomic direkt über eine spanische Bank in US-Dollar abrechnet, spielt das Währungsrisiko der türkischen Lira nach Unternehmensangaben keine Rolle.

Die Produktionskosten sind zwar höher als bei Kazatomprom, aber ab Uranpreisen von etwa 30 $/lbs sollte die Förderung profitabel sein. Trotzdem ist das Risiko nicht ohne: Die Aktie hat in den vergangenen zwölf Monaten nach kräftigen Anstiegen zwischendurch auch zweimal 30 bis 40 Prozent verloren.

Brandneues Indexzertifikat


Mit einem Börsenwert von über acht Milliarden Euro ist der kanadische Uranprodu­zent Cameco die schwerste Position in allen Indizes und ETFs, die nicht den Rohstoff­ preis selbst, sondern die Ak­tien der Produzenten abbil­den. Eine Ausnahme ist der Solactive Uranium Mining Index, auf den die Société Générale ein neues Indexzer­tifikat emittiert hat (WKN: SH0 2Q8). Hier sind alle Ak­tien nahezu gleichgewichtet. Neben bekannten Unterneh­men wie Kazatomprom, Nex­gen Energy, Paladin Energy oder Uranium Energy sind unter den 15 Werten auch Ak­tien zu finden, die hierzu­ lande eher als Exoten gelten, etwa Bannerman Energy, Deep Yellow oder Vimy Re­sources. Für die Aktien der Uranproduzenten spricht, dass die Akzeptanz für Atom­energie vor dem Hintergrund der CO2­Reduktion beinahe weltweit steigt. Beispiels­ weise setzen auch Indien und die Golfstaaten künftig ver­stärkt auf Kernkraft.