Vollbremsung in der Autobranche: Um 61,1 Prozent brachen die Neuzulassungen hierzulande im April ein. Andere Länder erwischte es noch schlimmer. So hat sich der Absatz in Italien mit einem Rückgang um 97,6 Prozent quasi komplett verflüchtigt. Während ein Auto bei starken Bremsungen ein ABS besitzt, um manövrierfähig zu bleiben, verfügt die Industrie über kein eigenes Notfallsystem. Wegen des entstandenen Milliardenschadens rufen die Unternehmen nun im Chor nach staatlicher Hilfe. BMW, Daimler und Volkswagen fordern eine "Neustart- prämie".

Der Stillstand wegen der Corona-Pandemie kam denkbar ungelegen. Die Digitalisierung sowie die Umstellung auf alternative Antriebe rütteln bereits seit Längerem am Fundament der 130 Jahre alten Branche. Und nachdem wegen Corona die Produktion in den Leerlauf geschaltet hat, geht es an die Reserven. Doch keine Panik: Die heimischen Autoriesen sitzen auf genügend Cash, um eine Durststrecke zu überstehen. Selbst BMW-Chef Oliver Zipse räumte ein, dass die Forderung nach staatlicher Hilfe angesichts der hohen Liquidität der deutschen Hersteller "schwierig zu vermitteln ist". Anfang Juni wird nun in Berlin über mögliche Kaufanreize entschieden. Eine Prämie wäre nicht neu, bereits in der Finanzkrise sprang die Regierung der Branche zur Seite. Mit Erfolg: Mit einem Absatz von 3,8 Millionen Autos wurde 2009 ein Rekord erzielt. Auch wenn es sich dabei um viele vorgezogene Käufe handelte und die Absätze in den Folgejahren schrumpften, leitete die Maßnahme eine Initialzündung für die Autoaktien ein. Zwischen 2009 und 2015 legte Daimler um 150 Prozent zu, BMW und VW vervierfachten gar ihren Wert.

Eins zu eins lässt sich die damalige Situation aber nicht auf die Gegenwart übertragen. Denn noch hat Covid-19 seinen Schrecken nicht verloren. Das wissen die Autobosse und stellen sich darauf ein. Zwar konnten VW und Daimler zu Jahresbeginn noch einen Verlust vermeiden, im zweiten Quartal rechnen beide aber mit operativ roten Zahlen. BMW rückte nach schwachen Verkäufen ebenfalls von der Jahresprognose ab. "Wir bereiten uns darauf vor, dass unser Geschäft noch lange beeinträchtigt sein wird", sagt Vorstandschef Zipse. Auf ein Ende der Talfahrt hoffen die Hersteller im Sommer.

Sollte tatsächlich schon bald das Gröbste überstanden sein, könnten die Aktien allmählich einen Boden finden. Wir haben die Branchenvertreter genauer untersucht und raten dazu, vorerst differenziert vorzugehen. Unser Favorit im Autoland Deutschland ist VW. Zwar fiel die Aktie im Zuge des Marktcrashs unter den Stoppkurs. Auf dem reduzierten Niveau sehen wir aber nun eine Einstiegschance. Der Fokus auf die Liquidität - die Wolfsburger setzen sogar bei den Managerboni den Rotstift an - sowie die starke Stellung in China stimmen positiv. Zudem würde VW als Massenhersteller am meisten von einer Kaufprämie profitieren.

Spekulation um Fusion

Bei Daimler und BMW stellt sich dagegen die Frage, ob sie langfristig alleine überleben können oder ihr Heil in einer Fusion suchen. Nord-LB-Analyst Frank Schwope hält ein "deutsch-deutsches Modell mit BMW" durchaus für denkbar, da zwischen den Konkurrenten bereits Kooperationen bestehen. Vor allem für Daimler wäre ein Zusammenschluss reizvoll. Mit Blick auf die E-Mobilität sei BMW besser aufgestellt als die beiden deutschen Konkurrenten Audi und Mercedes-Benz, konstatiert Schwope. Auf dem Weg zu einem bayerisch-schwäbischen Bündnis führt aber kein Weg an der Familie Quandt vorbei. Knapp 47 Prozent der Stimmrechte entfallen auf den BMW-Großaktionär.

Apropos E-Mobilität: Der viel beschworene "Game Changer" in der Branche, Tesla, drückt derzeit mächtig aufs Gas. Trotz Pandemie konnte der US-Konzern seine Produktion und die Auslieferungen des wichtigen Model 3 im ersten Quartal deutlich um 38,6 beziehungsweise 49,8 Prozent steigern. Darüber hinaus schrieb Tesla überraschend schwarze Zahlen. Analysten gehen davon aus, dass der E-Auto-Pionier 2020 seine Auslieferungszahlen gegen den allgemeinen Markttrend steigern können wird. Im aktuellen Kurs der Tesla-Aktie dürften allerdings sämtliche guten Nachrichten eingepreist sein. Um satte 88 Prozent sprintete der Titel seit Silvester nach oben. In BÖRSE ONLINE 02/2020 hatten wir noch rechtzeitig zum Einstieg geblasen. Nun ist die Zeit gekommen, über Gewinnmitnahmen nachzudenken.

Zurück auf den alten Kontinent, und speziell nach Italien. Wie eingangs beschrieben ist das Land besonders stark vom Coronavirus getroffen worden. Dies bekam FiatChrysler deutlich zu spüren. Nach einem desaströsen ersten Quartal sind im Gesamtjahr rote Zahlen nicht auszuschließen. Umso notwendiger erscheint die gewünschte Elefantenhochzeit mit Peugeot. "Dass die Fusion zustande kommt, ist angesichts der aktuellen Probleme wichtiger denn je", sagt Autoanalyst Frank Schwope. Denn bei Zukunftstechnologien wie dem E-Antrieb und dem autonomen Fahren hinken beide hinter der Konkurrenz her. Anleger sollten vorerst abwarten, wie sich das Duo operativ weiterentwickelt.

Einen Trumpf haben die Südeuropäer aber im Ärmel: Ferrari. Der Luxus-Sportwagenbauer kommt trotz gesenkter Prognose gut durch die Krise und muss bei Weitem nicht so hohe Absatzeinbußen wie die Konkurrenz hinnehmen. Zudem besteht ein deutlicher Unterschied in der Marge. Fuhr Ferrari zuletzt fast ein Viertel des Umsatzes als Profit ein, bewegen sich Massenhersteller selbst in guten Jahren im einstelligen Bereich. "Das Management hat die klare Absicht, Gewinne gegenüber Erlösen zu bevorzugen", erklärt Kepler-Analyst Thomas Besson und fügt hinzu: "Mit einer Penetration von 0,05 Prozent bei vermögenden Privatpersonen gibt es noch freien Raum für Wachstum." Darüber hinaus ist der Track-Rekord stark: Seit dem IPO vor fünf Jahren hat Ferrari die Prognosen regelmäßig geschlagen und erhöht.