Die Reisebranche hat wie kaum eine andere weltweit unter der Pandemie gelitten. Kaum noch Geschäftsreisen, der Tourismus über Monate im künstlichen Koma. Das traf auch die Autovermieter hart. Mit sinkenden Inzidenzwerten in den Industrieländern kehrt nun das Leben zur Normalität zurück, und mit ihr steigt die Reisetätigkeit. Dabei treiben gleich zwei Effekte die Nachfrage nach Mietautos: Zum einen werden aufgeschobene Geschäftsreisen nachgeholt, zum anderen beginnt in diesen Wochen die Urlaubssaison.

Eigentlich höchst erfreulich für die Autovermieter. Doch die Branche muss nach erzwungener Vollbremsung im vergangenen Frühjahr jetzt einen Blitzstart hinlegen. Die in der Krise heftig reduzierten Flotten müssen zügig wieder aufgebaut werden, um die Nachfrage zu bedienen. Doch das ist nicht leicht, der Bedarf ist groß und kommt zu einer Zeit, da Autobauer wegen des Chipmangels geringere Stückzahlen produzieren.

Das bedeutet erst einmal, Kunden müssen tiefer in die Tasche greifen oder aufs Mietauto verzichten. Laut Mietwagenportal Check24 liegen die Preise für die wichtigsten Ziele aktuell rund ein Viertel über denen des Vorkrisenjahres 2019, in Regionen wie Spanien und Italien sogar noch deutlich darüber.

Die Pandemie hat die Autovermieter unterschiedlich hart getroffen. Der schnelle, heftige Anstieg der Nachfrage stellt die Anbieter nun vor neue Herausforderungen. Deshalb lohnt ein genauer Blick, wie hart die Krise sich bei den einzelnen Anbietern ausgewirkt hat und wer jetzt die besten Chancen besitzt, den Schwung der wiederkehrenden Mobilität zu nutzen.

Kurze Rückblende ins Frühjahr 2020: Corona erfasst nach China auch Europa und die Vereinigten Staaten mit einschneidenden Reisebeschränkungen. Die Nachfrage nach Mietautos an Flughäfen und in den Innenstädten der Wirtschafts- und Tourismuszentren bricht ein. Die großen Autovermieter wie Hertz, Avis, Europcar und Sixt müssen von ihren Kosten runter, um die Einnahmeeinbrüche abzufedern und das Angebot der Vollbremsung bei der Nachfrage anzupassen. Das bedeutet vor allem auch, die Flotte zu verkleinern und zwar schnell. Nicht allen gelang das gleichermaßen. Die Pandemie hinterließ unterschiedlich tiefe Spuren in den Bilanzen.

Insolvenz oder geordneter Rückzug

Hertz, einer der ganz Großen der Branche, rettete sich in den USA im Mai 2020 in die Insolvenz nach Chapter 11. Verkürzt gesagt, heißt das Schutz vor Gläubigern, Restrukturierung in Eigenregie, aber unter behördlicher Aufsicht, und der Betrieb läuft weiter. Im Juni, so die Planung, soll das Unternehmen das Verfahren verlassen und wieder in den Normalbetrieb umschalten.

Auch Europcar traf die Pandemie heftig. Der Umsatz fiel 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 45 Prozent auf knapp 1,8 Milliarden Euro, die Flotte wurde auf nicht mal mehr 250.000 Fahrzeuge reduziert, ein Abbau von gut 28 Prozent. Operativ (Ebitda) entstand ein Verlust von 172 Millionen Euro. Und auch im ersten Quartal des laufenden Jahres schrieben die Franzosen rote Zahlen. "Das Umfeld für Reisen und Freizeit war im ersten Quartal 2021 in ganz Europa herausfordernd", sagte Europcar-CEO Caroline Parot. Auch für das zweite Quartal bleibe sie vorsichtig. Für die weitere Zukunft gäbe es Gründe für Optimismus. Parot verweist auf verbesserte Marktbedingungen, zunehmende Impfquoten und betont die Erholung im US-Geschäft.

Gebrauchte gefragt wie nie

Ein ähnliches Bild auch bei Avis. Die Amerikaner schlugen im vergangenen Jahr rund eine Viertelmillion Autos los, knapp ein Drittel der Flotte. Dabei half Avis, die rund drei Viertel ihres Umsatzes in Nord- und Südamerika machen und dort den Großteil ihrer Flotte halten, dass ein extrem robuster Gebrauchtwagenmarkt die Autos ohne Probleme aufnehmen konnte.

Die Preise für die Gebrauchten sind derzeit auf historisch hohem Niveau. Der viel beachtete Manheim-Index für Gebrauchtfahrzeuge lag im Mai bei einem Wert von 200 und damit 48 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Dabei hatte der Index fast 25 Jahre gebraucht, um vom Basiswert 100 im Jahr 1995 auf Werte von um die 140 im Mai 2020 zu klettern. Dennoch konnte auch Avis rote Zahlen nicht vermeiden. Unter dem Strich stand im Krisenjahr ein Nettoverlust von fast 650 Millionen Dollar. Im ersten Quartal 2021 gab es erste Hoffnungsschimmer. Das operative Ergebnis war mit knapp 50 Millionen Dollar wieder leicht positiv, und der Umsatz, im Januar und Februar noch im Minus, drehte im März ins Plus, was auch auf einen Basiseffekt zurückzuführen ist. Die Corona-Krise erfasste die Hauptmärkte von Avis, Amerika und Europa, erst im März 2020 und drückte den Vergleichswert von damals nach unten.

Die Krise genutzt

Auch Sixt konnte sich den Beeinträchtigungen durch die Pandemie nicht entziehen. Der 2020er-Umsatz brach um fast 40 Prozent ein. Die Flotte wurde um ein Viertel reduziert und damit die Kosten für die Autos um 300 Millionen Euro gesenkt. Doch das Ganze vollzog sich weit mehr als geordneter Rückzug. Denn im Unterschied zur Konkurrenz blieb der operative Gewinn (Ebitda) mit fast 76 Millionen Euro positiv. Unter dem Strich stand sogar noch ein minimaler Nettogewinn. Zudem ließen die Münchner die Krise nicht ungenutzt verstreichen, sondern verbesserten ihre Position in den USA. Sixt erwarb aus der Insolvenzmasse des US-Konkurrenten Advantage zehn Vermietstationen an Flughäfen und eröffnete weitere 25 selbst. Ein strategischer Schritt, um die Position auf dem wichtigen Markt USA zu stärken.

In Zukunft wird für die Branche die digitale Vernetzung ihrer Flotten zur effizienteren Steuerung und für den Kundenservice wichtig. Auch hier sind die Unternehmen unterschiedlich unterwegs. Nach Zahlen der Nachrichtenagentur Bloomberg verfehlte Avis Corona-bedingt das selbst gesteckte Ziel, die gesamte Flotte bis 2020 zu vernetzen. Bis Ende vergangenes Jahr gelang das lediglich bei rund 60 Prozent der Fahrzeuge in den USA. Europcar strebe eine vollständige Vernetzung erst für 2023 an. Sixt habe sich eine Vernetzungsquote von 70 Prozent bis 2020 zum Ziel gesetzt. Das Unternehmen selbst wollte auf Nachfrage keine Angaben zu den Zielen und zum Stand der Vernetzung machen.
 


INVESTOR-INFO

SIXT ST.

Hohe Resilienz

Sixt hat die Pandemie am besten bewältigt und sogar nutzen können. Die Münchner erwarben in den USA zehn Stationen an Flughäfen von einem insolvent gegangenen Konkurrenten und eröffneten 25 weitere. Die Resilienz, mit der Sixt den Nachfrageeinbruch überstanden hat, spricht für das Geschäftsmodel und ist Beleg für ein effizient geführtes Unternehmen. Der aktuelle Kursrückgang ist eine gute Einstiegsgelegenheit.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 145,00 Euro
Stoppkurs: 105,00 Euro

Avis Budget Group

Amerika gibt Starthilfe

Der Konzern macht den Löwenanteil seines Geschäfts in Nord- und Südamerika. Vor allem in den USA hat sich die Reisetätigkeit schneller als in Europa verstärkt und dürfte Avis helfen, wieder schwarze Zahlen zu schreiben. Der Aktienkurs hat bereits viel von der Erholung eingepreist, die Entwicklung dürfte dennoch weiter nach oben gehen. Ein solides Investment.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 85,00 Euro
Stoppkurs: 59,00 Euro

Europcar

Mitten in der Transformation

Für die Franzosen, die sich in einem umfassenden Transformationsprozess befinden, kam die Pandemie zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Zudem legte die Verschuldung 2020 von 880 Millionen auf gut 1,4 Milliarden Euro zu. Das begrenzt die Investitionsmöglichkeiten. Die Prognose, der Umsatz werde im laufenden Jahr über dem des Krisenjahres liegen, ist wenig ambitioniert. Das spricht dafür, die Aktie nicht weiter aufzustocken.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 0,55 Euro
Stoppkurs: 0,24 Euro