Rudolf Witt präsentierte sich wie ausgewechselt. Noch vor wenigen Jahren steckte sein Unternehmen, der kleine Spezialist für Beleuchtungssysteme, SBF, in der Krise. Der Umsatz sank, die Lieferungen waren unzuverlässig, die Schulden drückend hoch. Und soeben sprach SBF-Chef Witt vor Investoren in einem Hamburger Hotel von einem "fantastischen Umfeld".

Der Manager des Bahnzulieferers ist nicht der einzige Branchenvertreter, der Begeisterung verströmt. Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz hat für den Konzern Rückenwind ausgemacht, der "fast mit Sturmstärke" blase. Und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer prophezeit, die 2020er-Jahre würden "das Jahrzehnt der Schiene".

Grund ist das laut Lutz größte Investitions- und Wachstumsprogramm in der über 180-jährigen Bahngeschichte. Mitte Januar beschloss der Bund, 86 Milliarden Euro in die Schienen­infrastruktur zu investieren. Im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren werden die Ausgaben in Deutschland damit um 54 Prozent steigen. Die Bahn soll durch die Milliardenspritze vom Sanierungsfall zum Hoffnungsträger für den Klimaschutz werden. Auf der Schiene entsteht fast zwei Drittel weniger CO2 als auf der Straße. Die Fahrgastzahlen sollen bis 2030 von zuletzt 148 Millionen auf 260 Millionen anschwellen.

Angesichts der bisherigen Knausrigkeit steht der Staatskonzern vor gigantischen He­rausforderungen. Die Niederlande und Dänemark etwa gaben 2016 mit 133 und 136 Euro pro Kopf mehr als doppelt so viel für ihr Schienennetz aus. In Deutschland wurden gerade mal 64 Euro pro Kopf investiert.

In der jüngeren Vergangenheit gab es weitaus mehr Ab- als Aufbau des Schienennetzes. Seit 1994 wurden rund 6100 Kilometer Strecke stillgelegt, das entspricht fast der Hälfte des hiesigen Autobahnnetzes. Die Bahn fährt auf Verschleiß, laut Bahngewerkschaft EVG türmt sich ein Sanierungsstau von 57 Milliarden Euro auf.

Margen unter Druck


Bislang sind die Aussichten der Bahnzulieferer insgesamt durchwachsen. "Tatsächlich hat die Branche eher Schwierigkeiten als Sektstimmung", sagt Maria Leenen, Expertin des auf Schienenverkehr spezialisierten Beratungshauses SCI Verkehr. Netz- und Gleisausrüster hätten ihre Kapazitäten mit Blick auf die Investitionsoffensive ausgeweitet und damit "Preise kaputt gemacht", sagt Expertin Leenen. Bei Zügen und Waggons sorge insbesondere die schwer angeschlagene Bahnsparte von Bombardier für Preisdruck. Laut Branchenkreisen wurde hier der hohe Auftragsbestand mit zu niedrigen Preisen erkauft, was die Margen in der Branche unter Druck setzte.

Die geplante, 5,8 bis 6,2 Milliarden Euro teure Übernahme der Bombardier-Sparte durch die französische Alstom könnte den Markt bereinigen. Der TGV-Hersteller will durch die Akquisition besser mit der Konkurrenz aus Fernost mithalten. Die chinesische CRRC, der größte Bahntechnikkonzern der Welt, erwirtschaftete 2018 laut SCI einen Umsatz von 20,9 Milliarden Euro. Alstom und Bombardier zusammen erzielten 15,3 Milliarden Euro und würden etwa in der Signaltechnik zum zweitgrößten Anbieter der Welt aufsteigen. Wegen der Marktkonzentration sind Beobachter skeptisch, ob Brüssel den Deal durchwinkt. Die Wettbewerbsaufseher hatten 2019 bereits den Fusionsversuch von Alstom und Siemens untersagt.

Loks aus Fernost


Die Europäer fürchten Angriffe aus dem Reich der Mitte, weil die Chinesen technologisch inzwischen auf Augenhöhe sind und staatlich gefördert werden. Bisher bremsten die komplizierten Ausschreibungs- und Zulassungsverfahren in Europa den Vorstoß aus Fernost. Mitte 2019 gelang CRRC der Kauf des Kieler Diesellokwerks von Vossloh. Dem Deal müssen die Behörden zwar noch zustimmen, doch dann besäße der Staatskonzern das Wissen um europäische Normen und Regelwerke. Es werde künftig auch in Europa üblich, in Zügen aus China zu reisen, so Expertin Leenen.

Für Vossloh könnte die Übernahme zum Befreiungsschlag werden, denn das Lokwerk ist der letzte Verlustbringer. Geht der Deal durch, dürften 2019 begonnene Sparmaßnahmen bereits dieses Jahr greifen. Zudem ist Vossloh einer der Marktführer bei Bahninfrastruktur wie Schienenbefestigungssystemen oder Betonschwellen. Ein großer Teil der milliardenschweren Investitionen der Deutschen Bahn könnte zu den Sauerländern fließen. Die Bahn will jährlich rund 2.000 Kilometer Gleise erneuern.

Auch SBF-Chef Rudolf Witt fürchtet CRRC nicht. Die Leipziger beliefern alle großen Zughersteller - auch die Chinesen. Die deutschen Bahnmilliarden sorgen überdies für Wachstums­potenzial. Zwölf Milliarden Euro stehen für neue Züge bereit, die ICE-4-Flotte soll von 39 auf 137 Züge wachsen. Witt rechnet mittelfristig mit zweistelligem jährlichem Umsatzwachstum, die operative Marge soll dabei weiter über 20 Prozent liegen.

Es gibt aber noch andere Profiteure der Milliardenspritze. Türsysteme für Busse und Bahnen spielen den Großteil des Umsatzes der Firma Schaltbau ein, überdies stellen die Münchner stationäre Verkehrstechnik her. Die Bahn will pro Jahr 2000 Weichen erneuern und allein für die Stellwerkstechnik sieben Milliarden Euro ausgeben. Schaltbau ist dabei, die Tochter Pintsch bedient diese Bereiche.

Vor dem Jahr 2022 dürfte zwar aus den nun startenden Ausschreibungen kein Umsatz hinzukommen. Die jüngsten Zahlen zeigten jedoch, dass Schaltbau auch ohne zusätzliche Aufträge kurz davor ist, von der Restrukturierungs- in die Wachstumsphase zu wechseln.

Mehr Effizienz


Auch Software-Anbieter werden gebraucht. Will die Bahn ihr Kapazitätsziel erreichen, muss das Internet besser genutzt ­werden. Effizienzsteigerungen machen Firmen wie Init durch Telematiklösungen möglich, die etwa zur Steuerung von Fahrgastströmen gebraucht werden. Die Berliner sind stark im öffentlichen Nahverkehr, der muss aber besser mit den Fernverbindungen verzahnt werden. Neben dem Klimaschutz spielt Init auch der Megatrend der Urbanisierung in die Karten. Der Telematikanbieter hat aller Voraussicht nach im vergangenen Jahr Rekordeinnahmen verbucht. Dank voller Auftragsbücher dürfte sich das Wachstum auch 2020 fortsetzen.

Investor-Info

Schaltbau
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Türsysteme für Busse und Bahnen, stationäre Bahntechnik wie Weichen und Stellwerks­technik - die Bayern profitieren mit ihrem Portfolio von steigenden Ausgaben im Bereich Bahninfrastruktur. Analysten rechnen im laufenden Jahr mit einem Gewinn­anstieg von fast 40 Prozent, im kommenden Jahr soll es ähnlich dynamisch aufwärtsgehen. Investment für spekulative Anleger.

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Kursziel: 36,00 Euro
Stoppkurs: 24,00 Euro

Vossloh
Chinesen schieben an


Der Verkauf des Diesellokwerks an CRRC aus China könnte zum Befreiungsschlag werden. Profiteur des Investitionsprogramms. 2020 soll der Umsatz noch stagnieren. Spekulativ.

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Kursziel: 42,00 Euro
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