Die westlichen Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor bekommen auch die übrigen europäischen Banken zu spüren - und damit eine Branche, die von den Hoffnungen auf eine Zinswende der Notenbanken in den vergangenen Monaten besonders profitiert hatte. Vor allem Institute mit vergleichsweise großen Kreditengagements in Russland wie die österreichische Raiffeisen Bank International, aber auch französische und italienische Institute erlitten seit Kriegsausbruch Kurseinbrüche.

Nach dem Angriff auf die Ukraine hatte die westliche Staatengemeinschaft unter anderem beschlossen, russische Banken aus dem internationalen Finanzkommunikationssystem Swift auszuschließen. Das traf den russischen Finanzsektor, sorgte aber auch in der gesamten europäischen Bankenbranche für Verunsicherung. Denn damit drohen Zahlungsausfälle russischer Kreditkunden. Die Finanzaufsicht hat der in Wien ansässigen EU-Tochter der russischen Sberbank inzwischen den Geschäftsbetrieb untersagt, was den sogenannten Einlagensicherungsfall auslöst. Die Sberbank selbst kündigte den Rückzug aus dem europäischen Markt an - wegen großer Bargeldabflüsse und angeblich auch wegen Drohungen gegen Mitarbeiter.

Société und Unicredit brechen ein

Die Aktienkurse von Banken mit Russland-Geschäft brachen seit Wochenbeginn teilweise zweistellig ein, der Branchenindex Eurostoxx Banks büßte allein am Montag fünf Prozent ein. Zu den europäischen Geldhäusern mit großem Russland-Geschäft gehören die französische Großbank Société Generale (minus 20 Prozent seit Kriegsbeginn) und die italienische HVB-Mutter Unicredit (minus 23 Prozent).

Vor allem der österreichische Bankensektor ist vergleichsweise umfangreich in Russland engagiert. Am stärksten betroffen ist hier die Raiffeisen Bank International (RBI), deren Aktie in den vergangenen Tagen mehr als 40 Prozent einbüßte. Die Bank macht einen Großteil ihres Geschäfts in Russland, der Ukraine und Belarus. Der Ökonom und frühere IFW-Chef Gabriel Felbermayr rief bereits nach staatlicher Unterstützung für das Wiener Institut.

Laut Bank für internationalen Zahlungsausgleich lagen die ausstehenden Forderungen österreichischer Institute gegenüber russischen Schuldnern Ende 2021 bei elf Milliarden Euro. Höhere Kreditforderungen gab es nur in Italien und Frankreich mit jeweils 23 Milliarden Euro. Dagegen sind die Risiken deutscher Banken mit fünf Milliarden vergleichsweise überschaubar.

Dennoch gerieten auch die Aktienkurse von Deutscher Bank und Commerzbank unter Druck. Beide Institute haben ihre Russland-Engagements bereits deutlich heruntergefahren.

Die Commerzbank erklärte am Dienstag, ihr Engagement in Russland liege bei 1,3 Milliarden Euro und damit bei 0,4 Prozent der gesamten Kreditforderungen. Unterdessen äußerte sich Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing zur Lage der Banken in Deutschland in seiner Eigenschaft als Präsident des Privatbankenverbands BdB. Demnach seien die Risiken der deutschen Geldhäuser überschaubar, die Sicherheitspuffer europäischer Banken größer denn je.

Der Chefvolkswirt der VP-Bank-Gruppe, Thomas Gitzel, bezifferte die gesamten russischen Verbindlichkeiten gegenüber EU-Instituten auf 75 Milliarden Euro oder 0,7 Prozent aller Bankforderungen. Dies sei eine "überschaubare" Dimension. Der Swift-Ausschluss der russischen Banken könne dazu führen, dass die Schuldner Verbindlichkeiten gegenüber europäischen Gläubigern nicht mehr begleichen könnten. Beim österreichischen Bankensektor entfielen vier Prozent der ausstehenden Forderungen auf eine russische Adresse.

Was Sparer jetzt wissen müssen


In den Listen der Banken mit den höchsten Tages- und Festgeldzinsen tauchten Banken und Institute aus dem russischen Einflussbereich immer wieder weit oben auf, auch bei €uro am Sonntag. Angesichts des Ukraine-Kriegs und der Sanktionen gegen Russland haben wir sie aus unseren Zinsvergleichen entfernt.

Doch welche Auswirkungen hat die Krise für aktuelle Kunden? Immerhin wurde der europäischen Tochter der russischen Sberbank mit Sitz in Wien in dieser Woche der Geschäftsbetrieb untersagt und der Entschädigungsfall ausgerufen.

Generell gilt: Werden europäische Töchter russischer Banken zahlungsunfähig, ist das ein Einlagensicherungsfall. Das bedeutet, dass Sparer zumindest einen Teil ihres Geldes wiederbekommen. In der EU beträgt die gesetzliche Einlagensicherung 100.000 Euro pro Anleger und Bank. Guthaben, die über diesen Betrag hinausgehen, sind nur dann gesichert, wenn die Banken freiwillig eigene Regeln getroffen haben. Ein Überblick:

Sberbank: Hier werden in den kommenden Wochen etwa 35.000 Kunden entschädigt. Von deren Einlagen in Höhe von einer Milliarde Euro seien 913 Millionen Euro gesichert, teilte der Bundesverband deutscher Banken mit. Eigentlich sei die österreichische Einlagensicherung zuständig. Da die Kunden fast ausschließlich aus Deutschland stammen (hier war das Institut unter Sberbank Direct tätig), übernehme die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken das Verfahren.

Die Sparer müssen sich nicht selbst melden, sondern werden angeschrieben. Im Fall der gesetzlichen Einlagensicherung muss die Entschädigung (inklusive der von der Sberbank versprochenen Zinsen) laut Gesetz innerhalb von sieben Arbeitstagen fließen.

VTB: Die VTB Bank Europe gehört mehrheitlich dem russischen Staat und hat ihren Sitz wie ihr deutscher Ableger, die VTB Direktbank, in Frankfurt am Main. Sie gehört der gesetzlichen Einlagensicherung an und ist außerdem Mitglied im Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken. Der Schutz von Privatanlegern geht damit über die EU-Einlagensicherung hinaus: Bei einem haftenden Eigenkapital der VTB Bank Europe von zuletzt 1,1 Milliarden Euro wird die Sicherungsgrenze aktuell vom Einlagensicherungsfonds mit 167 Millionen Euro je Kunde angegeben.

FIBR und East West Direkt: Eigentümer der FIBR (früher Amsterdam Trade Bank) ist die russische Alfa Bank, East West Direkt gehört zur Sistema JSFC, einer der größten Investmentgesellschaften Russlands. Für Kunden der FIBR würde im Insolvenzfall das Einlagensicherungssystem der Niederlande einspringen, bei der East West Direkt die Einlagensicherung Luxemburgs - beide jeweils mit 100.000 Euro.

VTB Invest: Ein Spezialfall ist VTB Invest, der Robo-Advisor der VTB Direktbank. "Bestandskunden können aktuell über ihre Guthaben im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen verfügen", sagte eine Sprecherin der Finanzaufsicht Bafin gegenüber dem Finanzportal biallo.de. Das bedeutet: Wenn Sie Ihr Depot bei VTB Invest kündigen oder Teilauszahlungen vornehmen wollen, sollte nach derzeitigem Stand alles reibungslos funktionieren.

Wer trotzdem das komplette VTB-Invest-Depot auflösen will, sollte sich bewusst machen: Das Depot- und das Verrechnungskonto werden getrennt von VTB Invest beim Partnerinstitut, der Baader Bank in München, verwahrt. Die enthaltenen Fonds (ausschließlich ETFs) zählen zum Sondervermögen und bleiben im Entschädigungsfall in Ihrem Besitz. Sie haben das Recht auf Herausgabe oder Übertrag der hinterlegten Wertpapiere.
 


INVESTOR-INFO

Commerzbank

Ziele angehoben

Mitten im Ukraine-Krieg hat Commerzbank- Chef Manfred Knof die mittelfristigen Gewinnziele für die zweitgrößte deutsche Privatbank angehoben - wegen Umbaufortschritten, aber auch starkem operativen Geschäft. Für 2024 werden jetzt Erträge von 9,1 Milliarden Euro angepeilt, 400 Millionen Euro mehr als bisher. Das operative Ergebnis soll bei drei (bisher: 2,7) Milliarden Euro liegen. Das Russland-Exposure ist begrenzt. Für risikobereite Anleger eine Einstiegsgelegenheit.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 9,00 Euro
Stoppkurs: 6,00 Euro

Deutsche Bank

Sewing führt souverän

Christian Sewing, seit 2018 Deutsche-Bank-Chef, hat das Institut wieder in die Gewinnzone geführt. Die Bank überraschte zuletzt deutlich positiv, der Ausblick bei der Bilanzvorlage war optimistisch. Der deutliche Anstieg des Kurses in den vergangenen zwölf Monaten belegt, dass das Vertrauen bei den Anlegern zurückgekehrt ist. Die Deutsche Bank hat in den vergangenen Jahren ihre Russland-Engagements zurückgefahren, das Exposure ist im Branchenvergleich gering.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 15,00 Euro
Stoppkurs: 8,00 Euro

BNP Paribas

Solides Geschäftsmodell

Die Bank ist und bleibt ein Fels in der europäischen Bankenwelt. Das stabile und ertragreiche Geschäftsmodell zeichnet sich durch eine hohe Krisenresistenz aus. Das Russland-Engagement der größten französischen Bank ist im Vergleich zu manchem italienischen und österreichischen Wettbewerber überschaubar. Doch auch die BNP-Aktie ist vor dem Hintergrund des Krieges in die Knie gegangen. Wegen der soliden Entwicklung und hohen Dividendenrendite attraktiv, auch wenn die aktuelle Lage das Risiko erhöht.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 45,00 Euro