In den USA sieht sich der Konzern mit etwa 18.400 Klägern wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des von Monsanto entwickelten Unkrautvernichters konfrontiert. Bislang hat Bayer in den USA drei Prozesse in erster Instanz verloren und wurde von den Geschworenen zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt. Der Konzern hat die Vorwürfe gegen Glyphosat stets zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass Zulassungsbehörden weltweit das Herbizid bei sachgemäßer Anwendung als sicher bewerten. Um sich die Klagen in einem Vergleich vom Hals zu schaffen, wird Bayer nach Einschätzung von Experten wohl dennoch Milliarden auf den Tisch legen müssen.

In einem gerichtlich angeordneten Mediationsprozess unter Führung des renommierten Experten Ken Feinberg will sich das Unternehmen "konstruktiv" einbringen. Vorstandschef Werner Baumann hatte Ende Juli aber klargemacht, dass er einen Vergleich nur in Betracht zieht, wenn sich dieser in einem vernünftigen finanziellen Rahmen bewege und damit der gesamte Rechtsstreit endgültig beigelegt werden könne. Nach Einschätzung von Rechtsexperten gibt es auf dem Weg zu einem Vergleich aber noch einige Hürden, die eine Einigung verhindern könnten. Ein Überblick:

Unterschied zu anderen Produkthaftungsklagen


Vergleiche bei Klagen wegen Medikamenten, Medizintechnikgeräten oder anderen Verbrauchsgegenständen führen oft dazu, dass diese mit einem Warnhinweis versehen werden oder die Produkte ganz vom Markt genommen werden. Das verhindert weitere Klagen in der Zukunft und macht die Kosten und Risiken vorhersehbar. Bayer hat offiziell aber nie in Betracht gezogen, die glyphosathaltigen Roundup-Produkte, die sich das Unternehmen mit Monsanto eingekauft hat, vom Markt zu nehmen. Der Konzern hat im Juni zwar angekündigt, rund fünf Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um an Glyphosat-Alternativen zu forschen. Glyphosat werde aber weiter eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft und in der Produktpalette von Bayer spielen, hieß es.

Monsanto hat Roundup 1974 auf den Markt gebracht, der Patentschutz ist schon lange abgelaufen. Die Kläger werfen dem Konzern vor, wegen der Verwendung von Roundup an Lymphdrüsenkrebs, dem so genannten Non-Hodgkin-Lymphom, erkrankt zu sein. Da es aber durchschnittlich bis zu zehn Jahre dauern kann, bis dieses zu Tage tritt, erhöht das die Wahrscheinlichkeit von Klagen auch nach einer Einigung. Die Vergleiche bei Produkthaftungsklagen sehen in der Regel jedoch einen Stichtag für künftige Kläger vor und müssen angemessen finanziert sein. So lange Roundup ohne Veränderungen an seinem Label weiterverkauft werde, könnten womöglich weitere Klagen eingereicht werden, sagt die Rechtswisssenschaftlerin Elizabeth Burch von der Universität Georgia.

Könnte Bayer eine Krebswarnung anbringen?


Die Klägeranwälte dringen darauf, dass Bayer einen Krebs-Warnhinweis an den Roundup-Produkten anbringt. Darauf würden sie bei einem Vergleich bestehen, erklärten sie gegenüber Reuters. Ein solcher Warnhinweis wird bislang jedoch von der US-Umweltbehörde EPA zurückgewiesen. Sie hatte zuletzt erklärt, dass sie keine Produktetiketten mehr genehmigen werde, die darauf hinweisen, dass Glyphosat Krebs verursachen könne. Das sei eine falsche Behauptung, hatte sie die Forderung solcher Warnhinweise durch den US-Bundesstaat Kalifornien zurückgewiesen. Die Klägeranwälte werfen Monsanto dagegen vor, wissenschaftliche Daten manipuliert zu haben. Sollte Bayer trotz des ausdrücklichen Widerspruchs durch die EPA einen Warnhinweis anbringen, würde man damit juristisches Neuland betreten, sagt der Rechtswissenschaftler David Noll von der Rutgers Law School.

Wie könnte sich ein Vergleich gestalten?


Bei der Beilegung von Produkthaftungsstreitigkeiten richten Unternehmen in der Regel einen Fonds ein. Zudem werden Kriterien festgelegt, die aktuelle und künftige Kläger erfüllen müssen, um eine Entschädigung zu erhalten. Im Fall von Roundup könnten die Kläger in Gruppen eingeteilt werden - abhängig davon, wie häufig sie den Unkrautvernichter eingesetzt haben und abhängig von der Schwere und Dauer ihrer Erkrankung. Adam Zimmerman, Professor an der Loyola Law School, weist allerdings darauf hin, dass es schwierig sei, diese Gruppen zu definieren. Denn anders als etwa bei den Klagen wegen Asbest, bei denen eine Erkrankung an der Krebsart Mesotheliom eindeutig mit dem Baustoff in Zusammenhang gebracht wurde, gibt es bislang keine solche festgestellte Verbindung zwischen Roundup und Lymphdrüsenkrebs.

Nach Einschätzung von Ärzten gibt es verschiedene Risikofaktoren, die zu Lymphdrüsenkrebs führen können. Nach Angaben der amerikanischen Krebsgesellschaft dürfte das Non-Hodgkin-Lymphom 2019 etwa bei 74.000 Menschen in den USA diagnostiziert werden. Und selbst bei einem Vergleich ist Bayer vor künftigen Klagen nicht sicher, sollte dem aufgelegten Fonds das Geld ausgehen. Im Fall von Agent Orange konnten Veteranen des Vietnamkrieges, bei dem das Entlaubungsmittel eingesetzt worden war, Chemiefirmen noch Jahrzehnte nach einem Vergleich verklagen, da die Kasse zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Krankheit entwickelten, bereits leer war.

rtr