"Wir wollen damit gegenüber unseren Investoren deutlich machen, dass die Risiken des Glyphosat-Rechtstreits angemessen in der Bilanz abgebildet sind und sich die finanzielle Lage durch eine vorteilhafte Entscheidung des Supreme Courts sogar signifikant besser darstellen kann", sagte Vorstandschef Werner Baumann am Donnerstag. Bei einer Niederlage muss sich der Konzern allerdings auch langfristig noch auf mögliche Klagen von Glyphosatnutzern in den USA einstellen.

Die Klagewelle hatte sich Bayer mit der 63 Milliarden Dollar schweren Übernahme des amerikanischen Glyphosat-Entwicklers Monsanto ins Haus geholt. Sie hat den Aktienkurs schwer gebeutelt und lässt Management und Investoren schon seit 2018 keine Ruhe. "Für unser Unternehmen, seine Eigentümer und unsere Kunden ist es wichtig, dass wir die Unsicherheit der Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten hinter uns lassen", sagte Baumann.

Bislang hat der Konzern drei Prozesse in erster Instanz mit millionenschweren Schadenersatzzahlungen verloren und in zwei der Berufungsverfahren Niederlagen erlitten - darunter im Fall des Klägers Edwin Hardeman. In diesem Fall will Bayer nun vor den Supreme Court ziehen und den Berufungsantrag dort im August einreichen. Sollte das Gericht den Fall annehmen, rechnet Baumann mit einem Urteil im Laufe des kommenden Jahres. Eine Entscheidung zugunsten Bayers würde nach Einschätzung Baumanns mögliche künftige Rechtsstreitigkeiten im Grunde beenden. Der Bayer-Chef sieht dafür gute Gründe, da die US-Umweltbehörde EPA selbst Warnhinweise vor möglichen Krebsgefahren verboten hat. Aus Sicht der EPA stellt Glyphosat kein bedenkliches Risiko für die menschliche Gesundheit dar.

Angesichts der möglichem Überprüfung des Falls Hardeman durch den Supreme Court will Bayer in den kommenden Monaten nur "sehr selektiv" auf weitere Vergleiche eingehen, wie Baumann ankündigte. Wenn das Gericht den Fall annimmt, will Bayer keine weiteren Vergleichsverhandlungen mehr führen. Zuletzt standen noch für knapp 30.000 der zuletzt bekannten insgesamt 125.000 eingereichten und drohenden Klagen Einigungen aus.

BAYER KALKULIERTE SCHON MIT 11,6 MILLIARDEN DOLLAR


Um die Klagewelle vom Tisch zu bekommen, hatte Bayer im Sommer letzten Jahres einen milliardenschweren Vergleichsplan auf den Tisch gelegt. Für die Produkthaftungsverfahren zu Glyphosat erwartete Baumann bisher Gesamtkosten für vorgesehene Vergleiche bestehender Klagen von bis zu 9,6 Milliarden US-Dollar. Für Regelungen zu zukünftigen Klagen rechnete er mit etwa zwei Milliarden. Bei dem entscheidenden Teil des Vergleichs für den Umgang mit künftigen Klagen hatte der Konzern allerdings Ende Mai einen Rückschlag einstecken müssen, da der zuständige Richter diesen ablehnte. Bayer hatte darauf angekündigt, sein Vorgehen bei laufenden und künftigen Klagen zu überprüfen.

Bei einer Niederlage vor dem Supreme Court will Bayer ein Programm zum Umgang mit künftigen Ansprüchen aufsetzen, das voraussichtlich eine Laufzeit von 15 Jahren hat. Dieses soll vordefinierte Entschädigungssummen enthalten, die sich an den aktuellen Vergleichen orientieren - abzüglich der Gebühren für Anwälte. Da die überwiegende Mehrheit der Kläger die glyphosathaltigen Roundup-Produkte zur Unkrautvernichtung privat eingesetzt hat, hatte Bayer den Verkauf an diese schon vor kurzem auf den Prüfstand gestellt. Baumann kündigte nun an, dass diese Produkte von 2023 an durch Produkte mit neuen Formulierungen ersetzt werden sollen, die kein Glyphosat mehr enthalten.

Das Geschäft mit Privatkunden macht nur einen geringen Teil des Roundup-Umsatzes aus. Wesentlich wichtiger ist für Bayer das Geschäft mit der Landwirtschaft. Glyphosat ist seit Jahren das Standardprodukt für Farmer in den USA und Lateinamerika, weil es breit wirkt und das Saatgut der Nutzpflanzen dagegen resistent gemacht wurde. Insgesamt erzielte der Konzern im vorigen Jahr mehr als die Hälfte seiner Herbizid-Umsätze von rund fünf Milliarden Euro mit Roundup-Produkten.

rtr