Was für ein Jahr! 2015 hat das Zeug zu einem spannenden Börsenkrimi. In den ersten Monaten kletterte der DAX unbeeindruckt von sämtlichen Krisenherden rund um den Globus auf immer neue Höhen. Im Mai gipfelte die Klettertour bei 12 390 Zählern - ein Plus von 26,4 Prozent. Wichtigste Triebfeder war das Wertpapierkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Geldflut drückte die Anleiherenditen teilweise sogar in den negativen Bereich. Kein Wunder, dass an den Märkten die Meinung vorherrschte, Aktien seien "alternativlos" und "Dividenden die neuen Zinsen".

Nach einer ersten Welle von Gewinnmitnahmen im Zuge der Griechenland-Krise sah es bis weit in den Sommer hinein so aus, als könne der DAX die Marke von 12 000 Punkten zurückerobern. Doch die Börsianer hatten die Rechnung ohne China gemacht. Weil sich im Reich der Mitte die Konjunktur immer weiter eintrübte, wuchs bei den Anlegern die Furcht vor einem weltweiten Konjunktureinbruch. Nun ist auch noch der Abgasskandal in der Automobilbranche als Belastungsfaktor hinzugekommen. Ergebnis: Die kompletten Jahresgewinne des DAX wurden aufgezehrt. Angesichts dessen fragen sich viele Anleger, wie es nun weitergehen wird.

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Gute Zeiten brechen an



Zumindest historisch betrachtet kann es eigentlich nur noch besser werden. Denn mit dem September ging gerade der saisonal gesehen schlechteste Börsenmonat zu Ende. Bezieht man die Vorgängerindizes des DAX - den "Hardy-Index" ab 1959 und den Index der Börsen-Zeitung ab 1981 - mit ein, hat der deutsche Aktienmarkt im September durchschnittlich 1,96 Prozent verloren. Zudem ist der September einer von lediglich vier Monaten, die über diesen langen Zeitraum gesehen überhaupt Verluste brachten.



Wiederholt sich die Geschichte, können die Anleger bis zum Jahresende mit Gewinnen rechnen. Denn in den Monaten Oktober bis Dezember ging es mit dem deutschen Leitbarometer in der Regel nach oben. Seit Gründung des DAX im Jahr 1988 hat der deutsche Leitindex 19 Mal mit positiven Vorzeichen abgeschlossen. In 18 dieser 19 Jahre hat der Index im vierten Quartal zugelegt.

Die Gründe, warum es so oft zu einer Jahresendrally kommt, liegen vor allem im Verhalten der professionellen Marktteilnehmer: Viele Fondsmanager nutzen die letzten Wochen und Monate des Jahres, um ihre Depots "aufzuhübschen". Beim sogenannten "Window Dressing" werden die Verliererpapiere des laufenden Börsenjahrgangs noch vor Silvester aus den Depots verbannt, Gewinneraktien hingegen gekauft. Auf diese Weise können die Profis ihren Kunden in der Jahresendabrechnung vorgaukeln, schon das ganze Jahr über richtig gelegen zu haben.

Zwar liegt der Leitindex aktuell verglichen mit dem letztjährigen Schlussstand im Minus. Doch dieses Phänomen ist nicht neu. 2014 beispielsweise stieg der DAX von rund 9400 Punkten auf über 10 000 Punkte, bevor er im Herbst auf gut 8350 Punkte absackte. Doch in der anschließenden Erholung hatte er bereits Ende November seine Verluste komplett wieder wettgemacht. Am Jahresende notierte er über 9800 Punkten.



Wesentlich besser als beim DAX sieht es 2015 übrigens bei den anderen Indizes aus. MDAX und SDAX haben seit Silvester bis dato um 11,5 beziehungsweise 13,3 Prozent zugelegt. Der Spitzenreiter TecDAX liegt sogar mit fast 24 Prozent in der Gewinnzone. Entsprechend könnten die Window-Dressing-Effekte bei den Nebenwerte-Indizes besonders groß ausfallen.

Wir haben uns bei unseren Empfehlungen hauptsächlich auf Aktien konzentriert, die seit Jahresbeginn bereits im Plus liegen. Zudem haben wir gerade im DAX den Schwerpunkt auf Papiere von Unternehmen mit vergleichsweise konjunkturresistenten Geschäftsmodellen gelegt. Denn China bleibt neben dem weiterhin unklaren Zeitpunkt der Zinserhöhung in den USA ein permanenter Unsicherheitsfaktor. Ausgenommen sind auch Aktien von Autokonzernen und -zulieferern, da das Ausmaß des Abgasskandals noch nicht abzusehen ist.

Trotz der Unsicherheitsfaktoren stehen die Chancen für eine Jahresendrally aus fundamentaler Sicht gut. Zum einen hat die EZB bereits durchblicken lassen, dass sie die Geldschleusen noch weiter öffnen wird. Somit dürften die Anleiherenditen im Keller bleiben. Das Hauptargument für Aktien, das zum Jahresbeginn die Kurse nach oben getrieben hat, ist also weiterhin intakt - zumal der Mini-Crash die Bewertungen oft wieder auf Normalmaß zurechtgestutzt hat.

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Starke Bluechips



Der deutsche Leitindex bietet einige Einzelstorys - mit einem attraktiven Chance-Risiko-Verhältnis bis zum Jahresende 2015.

Als wäre die Berg- und Talfahrt des DAX nicht schon genug, ist es bei einigen Einzelwerten noch turbulenter zugegangen. Am unteren Ende der Performance-Rangliste 2015 finden sich mit RWE (minus 62 Prozent) und Eon (minus 49 Prozent) zwei altbekannte Namen. An Spitzenreiter Fresenius haben sich die Anleger ebenso bereits gewöhnt. 2015 hat die Aktie bislang rund 44 Prozent zugelegt. Die starke Performance ist der Übernahme eines Großteils des Geschäfts von Rhön-Klinikum zu verdanken. Dadurch sind Umsatz und Gewinn im ersten Halbjahr stärker gewachsen als erwartet. Folgerichtig hat der Gesundheitskonzern seine Prognosen angehoben. Das mittelfristige Ergebnisziel von 1,4 bis 1,5 Milliarden Euro für 2017 wird bereits 2015 erreicht - zwei Jahre früher als geplant. Aufgrund des vergleichsweise konjunkturresistenten Geschäftsmodells dürften Anleger mit der Aktie auch weiterhin gut durch turbulente Zeiten kommen.

Der DAX-Neuling Vonovia hat sein aktuelles Wachstum ebenfalls einem Zukauf zu verdanken. Demnach profitiert der Immobilienkonzern stärker von der Gagfah-Übernahme als gedacht. Das operative Ergebnis soll von 287 Millionen Euro auf 560 bis 580 Millionen Euro steigen. Ohne Gagfah waren es nur 340 bis 360 Millionen Euro. Zudem rechnet Vonovia aus der 4,3 Milliarden Euro teuren Übernahme mit deutlich höheren Einsparungen als bisher angenommen. Und: Die Serie guter Nachrichten dürfte anhalten.

Trumpf im Ärmel



Als vergleichsweise sicher gilt auch die Aktie der Deutschen Telekom. Der Telekommunikationskonzern erzielt hohe Barmittelüberschüsse, die für die Ausschüttung von üppigen Dividenden verwendet werden können. Zudem haben die Bonner mit der amerikanischen Mobilfunktochter T-Mobile US einen Trumpf im Ärmel. Das schnell wachsende Unternehmen dürfte bei einem jederzeit möglichen Verkauf einen hohen Erlös einspielen.

Bei Bayer erreicht der laufende Konzernumbau mit dem Börsengang der Kunststoffsparte Covestro einen neuen Höhepunkt. Sofern der IPO gelingt - das Börsenumfeld könnte Bayer einen Strich durch die Rechnung machen -, will sich der Konzern fortan auf das Pharma- und Agrochemiegeschäft konzentrieren. Analysten erwarten sich davon langfristig erhebliche Margensteigerungen.

Nach einer längeren Leidensphase kehrt Adidas allmählich in die Erfolgsspur zurück. Der Umsatz zog im ersten Halbjahr kräftig an. Die Aktionäre können mit Blick auf den bisherigen Jahresverlauf zufrieden sein: Mit einem Plus von mehr als 20 Prozent gehören die Papiere zu den gefragtesten DAX-Werten. Zuletzt haben starke Zahlen des Konkurrenten Nike der Adidas-Aktie auf die Sprünge geholfen. Analysten zufolge ist vor allem das gute China-Geschäft als positives Signal für Adidas zu werten.



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Solider Mittelstand



Der deutsche Mittelstandsindex ist für Value-Investoren ein Dorado. Fünf Werte sollten in keinem gut sortierten Depot fehlen.

Der MDAX gilt als Aushängeschild des deutschen Mittelstands. Entsprechend stark ist das Auswahlbarometer wegen seiner zahlreichen Mitglieder aus Industriebranchen vom VW-Abgasskandal in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch der Mid-Cap-Index ist auch mit Anteilscheinen aus anderen interessanten Sektoren bestückt. Mit Axel Springer und ProSiebenSat.1 ist etwa die Medienbranche prominent vertreten. Für mehr Aufsehen sorgt dieser Tage Axel Springer. Offenbar stehen die Berliner kurz vor der Übernahme des US-Wirtschaftsportals "Business Insider" für 560 Millionen Dollar. Obwohl die Akquisition kein Schnäppchen ist, würde sie ins Konzept passen. Denn Springer wandelt sich mehr und mehr zum Internetkonzern.

Aufgrund ihrer Defensivqualitäten hat die Aktie von Rhön-Klinikum die jüngsten Börsenturbulenzen gut überstanden. Derzeit wird der Kurs von einem Aktienrückkaufprogramm gestützt. Abgesehen davon ist der Titel interessant. Als Klinikbetreiber generiert Rhön stabile Einnahmen, wodurch der Konzern zu einem verlässlichen Dividendenzahler im MDAX werden dürfte. Zudem schwingt ein Schuss Übernahmefantasie mit.

Zwei Lieblinge und ein Zock



Zu den Dauerfavoriten von BÖRSE ONLINE gehört Gerresheimer. Die Düsseldorfer legen am 8. Oktober die Zahlen zum dritten Quartal vor. Nach Ansicht der Commerzbank-Analysten könnte der Konzern dann seine Jahresprognose anheben. Denn die Geschäfte des kürzlich zugekauften Konzerns Centor könnten noch im vierten Quartal in die Zahlen einfließen. Generell zeigten sich die Analysten von der Akquisition begeistert, da Centor ideal zu Gerresheimer passt.

Die Aktie des Börsenneulings Deutsche Pfandbriefbank hat ebenfalls das Zeug, ein Liebling der Redaktion zu werden. Bei der Spezialbank für Immobilienfinanzierung und öffentliche Investitionsfinanzierung zieht das Neugeschäft kräftig an, allein im ersten Halbjahr 2015 von 4,3 auf sechs Milliarden Euro. Im Gesamtjahr will der Konzern den Vorjahresgewinn leicht übertreffen. Bei dieser Prognose besteht noch Spielraum nach oben.

Die vielleicht heißeste Spekulation im MDAX ist Südzucker. Der Zuckerproduzent sieht nach einer langen Flaute Licht am Ende des Tunnels. Denn die Preise für den Ökokraftstoff Bioethanol steigen wieder. Statt eines Rückgangs von 181 Millionen Euro auf 50 bis 150 Millionen Euro erwartet der Konzern nun für das laufende Geschäftsjahr ein operatives Ergebnis von 180 bis 230 Millionen Euro. Mutige Anleger setzen auf einen Turnaround.



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Technologie ist Trumpf



Mit einem Plus von 26,5 Prozent hat der TecDAX 2015 alle anderen Indizes getoppt. Unsere fünf Favoriten bis zum Jahreswechsel.

Von minus 46 Prozent bis plus 216 Prozent: In keinem anderen Auswahlindex ist die Kursbandbreite der Einzelaktien größer als im TecDAX. Dennoch konnten Anleger im Index für Technologiewerte wenig falsch machen. Denn seit Jahresbeginn gibt es bis dato nur sechs Verlierer. Dagegen legten 24 Aktien zu - darunter Nordex mit einem Plus von rund 60 Prozent. Die vollzogene Restrukturierung des Konzerns spiegelt sich in einem prall gefüllten Auftragsbuch wider. Nach einem starken zweiten Quartal rechnet Nordex für 2015 mit einem Umsatz von 2,0 bis 2,2 Milliarden Euro statt 1,9 bis 2,1 Milliarden Euro. Wegen der guten Perspektiven bleibt die Aktie ein Kauf. Neueinsteiger sollten den Stopp bei 19 Euro platzieren.

Vor dem Turnaround



Eine Spur riskanter ist SMA Solar. Der Anbieter von Wechselrichtern für Solaranlagen ist eine der spannendsten Turnaround-Storys des Jahres. Weil die Nachfrage spürbar anzieht, hat der Konzern kürzlich die Jahresprognose angehoben. 2016 will SMA Solar in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Für zusätzliche Fantasie sorgt eine kürzlich geschlossene Kooperation mit Siemens im Bereich dezentraler Photovoltaik-Großkraftwerke.

Evotec wartet ebenfalls mit einer Progoseanhebung auf: Der Umsatz soll 2015 gegenüber dem Vorjahresniveau von 73,4 Millionen Euro um 45 Prozent steigen. Zuvor hatte die Biotechfirma ein Plus von 35 Prozent erwartet. Grundlage für den Optimismus ist unter anderem die bessere Entwicklung im Geschäftsbereich Forschungsdienstleistungen. Zudem hat Evotec zuletzt zahlreiche neue Kooperationen zur Wirkstoffsuche abgeschlossen.

Zu den wenigen Aktien, die bereits wieder ein neues Allzeithoch erobert haben, gehört Drillisch. Dabei half eine Kaufempfehlung: Das Bankhaus Lampe hat das Kursziel von 44 auf 51 Euro angehoben. Der zur Jahresmitte gestartete Vertrieb über Shops sollte das Wachstum des Mobilfunkanbieters beschleunigen, meinen die Experten. Durch die Übernahme von 20 Prozent der Netzkapazitäten von O2 könnte das Geschäft von Drillisch in völlig neue Dimensionen vorstoßen.

Auch unter den Verlierern des Jahres ist ein interessanter Wert: Cancom. Dieses Mal könnte es sich lohnen, die aktuelle Korrektur zum Einstieg in die Anteilscheine des IT-Spezialisten zu nutzen. Die jüngsten Halbjahreszahlen waren dank Cloud-Geschäft sehr robust. Das kurzfristige Aufholpotenzial des Titels ist immens. Während die Aktie aktuell etwas mehr als 30 Euro kostet, reichen die Kursziele der Analysten bis an 50 Euro heran.



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Spannende kleine Titel



Im Kleinwerte-Index, der 2015 bislang um knapp 15 Prozent zugelegt hat, finden sich interessante Einzelstorys.

Wie im TecDAX kam es auch im SDAX nur vereinzelt zu großen Enttäuschungen, etwa bei den Modekonzernen Gerry Weber und Tom Tailor. Nach Gewinnwarnungen stürzten die beiden Aktien ab. Doch konnten Investoren in dem Kleinwerte-Index große Gewinne erzielen: Sieben Aktien legten um 50 Prozent oder mehr zu. Den Vogel schoss Koenig & Bauer ab. Das Kursplus von mehr als 150 Prozent spiegelt die Turnaround-Spekulationen bei dem Druckmaschinenhersteller wider. Wegen des aktuellen Auftragsbooms und der laufenden Stellenreduzierung im Zuge der Neuausrichtung geht der Vorstand für 2015 von einer Umsatzrendite von bis zu zwei Prozent vor Steuern aus. Die Aktie ist weiterhin aussichtsreich, allerdings sollten Anleger Risikobereitschaft mitbringen.

Ein Must-have für Fondsmanager



Ein Plus von mehr als 100 Prozent steht bei Ströer an der Kurstafel geschrieben. Anleger honorieren die Transformation des Unternehmens von einem Spezialisten für Außenwerbung hin zu einem Digitalvermarkter. Dazu hatte Ströer die Übernahmen des Internetportals T-Online und des angeschlossenen Vermarkters Interactive Media sowie des Digitalvermarkters OMS angekündigt. Damit dürfte der Konzern nach Reichweite die Spitzenposition auf dem digitalen Werbemarkt in Deutschland erobern. Wir rechnen zum Jahresende hin mit deutlich anziehenden Kursen, da es sich kaum ein auf Nebenwerte spezialisierter Fondsmanager leisten kann, die Ströer-Aktie nicht im Depot zu haben.

Ein interessanter Übernahmekandidat ist TLG Immobilien. Denn nach Ankündigung der Fusion von Deutsche Wohnen und LEG Immobilien ist die Zahl möglicher börsennotierter Kaufziele in der Branche stark geschrumpft. Es dürfte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis die Aktionäre von LEG Immobilien eine Offerte erhalten. Die Berliner sind auf Gewerbeobjekte in Ostdeutschland fokussiert.

Unter den Börsenneulingen, die den Sprung in den SDAX geschafft haben, gefällt uns Sixt Leasing. Die Börsianer sind noch nicht wirklich vom Ertragspotenzial überzeugt, das der Konzern heben will, indem er unprofitable Verträge auslaufen lässt. Wir gehen aber davon aus, dass Sixt Leasing Quartal für Quartal bessere Zahlen zeigen und die Aktie den Ausgabepreis von 20 Euro zurückerobern wird.

Im Gegensatz dazu hat das zweite Leasingunternehmen im SDAX, Grenkeleasing, die Börsianer schon längst für sich gewonnen. Die Aktie gehört zu den Dauerläufern im Small-Cap-Index. Die Gesellschaft profitiert von dem Trend, wonach Firmen ihren IT-Bedarf zunehmend durch Leasing decken, anstatt Geräte zu kaufen. Im ersten Halbjahr legte das Neugeschäft so stark zu, dass das Management die Prognose anhob. Angesichts der hervorragenden Wachstumsaussichten aufgrund der internationalen Expansion besteht noch viel Luft nach oben.