Der kriselnde Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger hat wegen des Einbruchs im Kraftwerksgeschäft im vergangenen Jahr einen Rekordverlust erlitten. Der Fehlbetrag summiere sich wegen Abschreibungen, eines Verlustes in der Sparte Power und Restrukturierungskosten auf 489 Millionen Euro nach einem Minus von 71 Millionen Euro im Jahr davor, teilte Bilfinger am Donnerstag mit. Nach einem Jahr mit dem höchsten Verlust der Firmengeschichte, die bis 1880 zurückreicht, steht Bilfinger womöglich vor der Zerschlagung: Nicht nur die Krisensparte Power soll verkauft werden, auch das derzeit den Konzern stützende Bau- und Immobiliengeschäft könnte zu Geld gemacht werden.

Klarheit über die Strategie will Vorstandschef Per Utnegaard einem Sprecher zufolge so schnell wie möglich schaffen. Die nächste Gelegenheit dazu ist die Bilanzpressekonferenz am 16. März. Der mit Hilfe des Großaktionärs Cevian, einem schwedischen Finanzinvestor, eingesetzte Norweger hatte im Herbst erst eine Zwei-Säulen-Strategie mit den Sparten "Industrial" und "Building and Facility" als neue Marschrichtung vorgestellt. Dass dies nach der überraschenden Ankündigung des möglichen Verkaufs im Januar schon wieder über den Haufen geworfen wurde, bringt die Gewerkschaften gegen das Management auf.

IG Metall und IG Bauen-Agrar-Umwelt forderten auf Flugblättern, die sie am Mittwoch vor der Zentrale in Mannheim verteilten, vom Vorstand ein neues Konzept und eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung. Zudem pochen sie darauf, Verkaufserlöse zu investieren und nicht an die Eigner auszuschütten. Davon hätte in erster Linie der mit gut 25 Prozent beteiligte Großaktionär Cevian etwas. Seit dem Einstieg vor fünf Jahren hat Cevian Bilfinger-Aktien für 600 Millionen Euro gekauft und damit nach Reuters-Berechnungen auf dem Papier 100 Millionen Euro Minus gemacht.

Bilfinger würde mit dem Bau- und Immobiliengeschäft seine Ertragsperle aufgeben: Der Umsatz stieg 2015 um neun Prozent auf 2,9 Milliarden Euro und damit stärker als der Gesamtumsatz, der um vier Prozent auf knapp 6,5 Milliarden Euro kletterte. Die Sparte ist mit einem Plus beim Auftragseingang von 57 Prozent derzeit der Wachstumsmotor im Konzern. Das Geschäftsfeld hielt die operative Rendite stabil bei 5,1 Prozent, während die Marge im größeren Industriegeschäft um anderthalb Prozentpunkte auf 3,5 Prozent schrumpfte. Die stagnierende Sparte leidet unter zögerlichen Investitionen der Chemie- sowie der Öl- und Gas-Industrie.

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BILFINGER WÜRDE ERTRAGSPERLE AUFGEBEN



Die Nordbadener stecken seit zwei Jahren in einer schweren Krise, die den früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch den Posten als Vorstandschef gekostet hat. Das Geschäft mit Bau und Instandhaltung von Kraftwerken ist wegen der Energiewende, aber auch wegen Fehlern im Projektmanagement eingebrochen. Die Sparte soll bis Mitte des Jahres den Besitzer wechseln. Auch andere Geschäftsfelder, zuletzt die Wassertechnologie, wurden verkauft. Der Umsatz verringert sich so um eine Milliarde Euro, die Mitarbeiterzahl sinkt um 15.000 auf gut 56.000, davon arbeiten fast 20.000 in Deutschland.

Der Nettoverlust war im vergangenen Jahr allerdings nicht so hoch wie angekündigt. Im Herbst hatte Bilfinger noch mit einem Minus von 530 bis 540 Millionen Euro gerechnet. Auch ohne die zum Verkauf stehende Kraftwerkssparte schnitt der Mannheimer Konzern nicht so schlecht ab wie befürchtet. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen brach im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent auf 186 Millionen Euro ein. In Aussicht gestellt waren 150 bis 170 Millionen Euro.

"Neben dem notwendigen Umbau des Konzerns werden wir gezielt in Wachstumsinitiativen investieren, um Bilfinger fit für die Zukunft zu machen", erklärte Utnegaard. Einen genauen Ausblick auf das laufende Jahr wird der Vorstandschef im März geben. Er hatte früher erklärt, 2016 werde ein Übergangsjahr, Wachstum sei erst wieder 2017 zu erwarten.

Reuters