Die unklare Gemengelage macht es schwierig, konkrete Empfehlungen für Investments abzugeben, die vom Ergebnis der Bundestagswahl profitieren oder negativ beeinflusst werden können. Denn momentan deuten die Umfragen auf ein Dreierbündnis hin. Und egal, welche Kombination am Ende dabei herauskommt: In Koalitionsverhandlungen werden alle Beteiligten Zugeständnisse machen müssen, sodass eine Vorhersage, welche Vorhaben aus den Parteiprogrammen umgesetzt werden, fast unmöglich scheint. "In einer dieser Konstellationen müssten notgedrungen einige inhaltliche Kompromisse gefunden werden", sagt Tobias Burggraf, Portfoliomanager bei Ethenea Independent Investors. "Dadurch würden einschneidende Forderungen dann doch wieder verwässert werden."

Grundsätzlich halten viele Volkswirte den Einfluss der Bundestagswahl auf die Finanzmärkte für begrenzt. Dafür sind die deutschen Unternehmen viel zu stark international verflochten. "Wie schon bei vorangegangenen Wahlen sind vom Wahlergebnis keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Unternehmensstimmung zu erwarten", erklärt Claus Niegsch. Der Ökonom der DZ Bank hat den Einfluss von Wahlen auf das Ifo-Geschäftsklima untersucht. "Das Geschäftsklima der Unternehmen hängt eher von der Weltkonjunktur sowie von der tatsächlichen Wirtschaftspolitik der neuen Regierung ab", meint er. Ethenea-Manager Burggraf weist darauf hin, dass etwaige kurzfristige, auch heftige Marktreaktionen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses in der Regel genauso schnell zurückgehen, wie sie gekommen waren.

Megathema Klimaschutz

Als ziemlich sichere Gewinner jeder Parteienkonstellation sehen die meisten Investmentbanken Titel aus dem Bereich Klimaschutz und Energiewende. Je nachdem, wie stark die Grünen abschneiden und ob sie an der Regierung beteiligt sind, würde der positive Einfluss größer oder kleiner ausfallen. "Alle Parteien wollen den Umbau zur CO2-neutralen Wirtschaft, allerdings mit unterschiedlichen Maßnahmen und unterschiedlicher Geschwindigkeit", sagt Michael Heider, Analyst bei der Privatbank M.M. Warburg. Während die Linke und die Grünen CO2-Neutralität bis 2035 anstreben, ist das Ziel bei SPD und CDU 2045 und bei der FDP 2050. Solar- und Windkraftanbieter sollten davon profitieren. Wer nicht auf Einzeltitel wie 7C Solarparken oder Energiekontor setzen will, kann beispielsweise mit einem Tracker-Zertifikat von Vontobel indirekt in 19 potenzielle deutsche Gewinner der neuen Klimaziele investieren (siehe Tabelle unten). Das Zertifikat läuft bis Juni 2024, zum Aktienkorb zählen etwa der Bausoftware-Anbieter Nemetschek, Nordex, Encavis und Siemens Energy als Vertreter der erneuerbaren Energien, aber auch RWE, Eon und VW.

Die Klimaschutzmaßnahmen dürften allerdings nicht nur Gewinner hervorbringen. Energieintensive Geschäftsaktivitäten werden durch höhere CO2-Preise teurer. Möglicherweise negative Folgen sieht Warburg-Analyst Heider etwa für K + S, Aurubis, Lanxess, Evonik und BASF.

Als weiterer Bereich, für den alle Parteikonstellationen Investitionen vorsehen, gilt der Bau von Wohnungen und Infrastruktur, vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs bis hin zur Modernisierung von Schulen und Krankenhäusern. Hier könnten etwa Helma Eigenheimbau und der Wiener Baukonzern Porr profitieren. Das Thema Klimaschutz spielt auch in dieser Branche eine Rolle, stammen doch 14 Prozent der Emissionen in Deutschland aus dem Gebäudesektor. Insofern dürften neben den Neubauten auch energetische Sanierungen das Geschäft von Baukonzernen und Baustoffherstellern beleben.

Beide Trends sind nicht auf Deutschland beschränkt. Viele Regierungen wollen der Konjunktur mit Infrastrukturpaketen auf die Sprünge helfen und in Klimaschutz investieren. Es macht daher durchaus Sinn für Anleger, erst recht im Hinblick auf Risikostreuung, über Deutschland hinaus auf diese Sektoren zu setzen. Dazu eignen sich ETFs wie der Lyxor Stoxx Europe Construction & Materials. Der Ökoworld Klima Fonds investiert in nachhaltig wirtschaftende Anbieter von Klimaschutzlösungen.

Kritisch sehen viele Ökonomen die Option einer rot-rot-grünen Koalition. Hier wäre wohl mit einem schnellen Aus für Autos mit Verbrennungsmotor zu rechnen, was die deutschen Autohersteller belasten würde. Die Lufthansa wäre von höheren Preisen im innerdeutschen Flugverkehr betroffen, Immobilienkonzerne wie Vonovia von einem bundesweiten Mietendeckel.