Die Corona-Rally: Verstehen Sie schon oder staunen Sie noch?" Diese plakative Frage setzten die Analysten der Bank M.M. Warburg bereits vor drei Wochen über ihren Konjunkturausblick. Damals, am 20. Mai, notierte der deutsche Standardwerteindex DAX bei rund 11.000 Punkten. Im Vergleich zum Jahrestief am 18. März bei 8.442 Punkten war das Börsenbarometer damit schon um um rund 30 Prozent gestiegen.

Stand Dienstag, 9. Juni, notierte der DAX um die 12.600 Punkte, was einem Plus seit dem Tiefstand von knapp 50 Prozent entspricht. Eine blitzsaubere Rally, die in gerade mal zwölf Wochen über die Bühne ging. Und es sieht nicht so aus, als ob schon bald Schluss damit wäre. Mit großen Schritten steuert der DAX auf sein Allzeithoch bei 13.790 Punkten zu. Damit hinkt er allerdings dem Index der US-Technologiebörse Nasdaq hinterher. Der konnte in der vergangenen Woche ein neues Allzeithoch erzielen. Gerade einmal zweieinhalb Monate brauchte der Nasdaq 100, um den Crash infolge der Corona-Krise wieder wettzumachen. Historisch gesehen eine der schnellsten Erholungen an den Aktienmärkten überhaupt.

Auch der breite globale Aktienindex MSCI World ist seit den Kurseinbrüchen im März bereits wieder um mehr als 40 Prozent gestiegen. Der Definition nach befinden sich viele Börsen damit längst in einem Bullenmarkt. Von einem solchen ist die Rede, wenn seit dem Tiefpunkt der Notierungen ein mindestens 20-prozentiger Anstieg erfolgt ist.

Ein Bullenmarkt - in einem Umfeld, in dem der Strom von negativen Nachrichten aus der Realwirtschaft nicht abreißt. In der Kalenderwoche 24 vermeldeten die Statistiker, dass die deutschen Exporte im April um 31 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat eingebrochen sind. So stark waren die Ausfuhren noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen 1950 zurückgegangen. Tags zuvor dasselbe Bild bei der deutschen Industrieproduktion: ein Rückgang im April von mehr als 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Ebenfalls ein Rekord.

In zahlreichen Branchen sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der Lockdowns massiv, und vielen Firmen stehen die schlimmsten Gewinneinbrüche noch bevor. Fest steht jetzt schon, dass eine große Zahl von Volkswirtschaften im zweiten Quartal um zehn Prozent oder mehr schrumpfen wird.

Mühsame Erholung der Wirtschaft


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Es ist die schärfste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg, und die Erholung wird wohl nicht in Form eines symmetrischen V verlaufen, sondern sehr viel länger dauern. Wegen der globalen Folgen der Pandemie kann ein Land wie Deutschland auch nicht darauf bauen, sich nach der Krise wieder gesundzuexportieren. Und wie schnell die Stimmung bei den heimischen Verbrauchern steigt, ist fraglich. Wer gerade erst in Kurzarbeit geschickt wurde oder um seinen Job fürchten muss, denkt vielleicht nicht als Erstes an einen Autokauf.

So ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ziemlich unsicher, welche Wirkung die von den Staaten aufgelegten Konjunkturpakete entfalten werden. Allein Deutschland nimmt 130 Milliarden Euro in die Hand, um die heimische Wirtschaft aufzupäppeln. Dieses Geld fließt zusätzlich zu den bisher beschlossenen 1,2 Billionen Euro an haushaltswirksamen Maßnahmen und Garantien. Auch auf europäischer Ebene will man klotzen statt kleckern: Für ihr Konjunkturprogramm möchte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 750 Milliarden Euro mobilisieren. Gar an die drei Billionen US-Dollar reichen die Beträge heran, mit denen die US-Regierung Unternehmen und Bürger in der Corona-Krise unterstützt.

Innerhalb kurzer Zeit haben Regierungen gewaltige Summen aufgerufen, um die heimische Wirtschaft zu retten. Von "Bazookas" ist die Rede und vom "Wumms", mit dem man aus der Krise kommen will. Das hinterlässt Eindruck und bestärkt Investoren in ihrem Beschluss, auf eine schnelle Wende zum Besseren zu setzen.

Dazu kommen überraschende Lichtblicke wie die jüngsten Zahlen vom amerikanischen Jobmarkt: So sind in den USA im Mai 2,5 Millionen Menschen wieder in Arbeit gekommen, statt dass wie erwartet neun Millionen Arbeitsplätze verloren gingen. Dazu haben die Lockerungen von Pandemiebeschränkungen "wahrscheinlich ebenso beigetragen wie großzügige Rettungsprogramme der Regierung", meint Volkswirt Christian Scherrmann von der Fondsgesellschaft DWS. Seiner Ansicht nach könnte die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt auch auf temporäre Effekte und weniger auf wirtschaftliche Dynamik zurückzuführen sein.

"Zugedröhnte Märkte"

Generell darf bezweifelt werden, dass die Börsenrally der vergangenen Wochen viel mit der Aussicht auf bald wieder einsetzende wirtschaftliche Dynamik zu tun hat. Albert Edwards, Marktstratege bei der Société Générale, meint dazu in einem Interview mit der Schweizer Zeitung "Finanz und Wirtschaft": "Eine Rezession ist immer mit einem Schock verbunden. Hat man jemals gesehen, dass die Märkte ihn einfach ignorieren? Dieses Mal hat die Erholung eingesetzt, bevor die Folgen der Rezession überhaupt absehbar sind. Die Märkte sind mit geldpolitischen Drogen zugedröhnt." Was der Skeptiker Edwards mit einem eindrücklichen Bild beschreibt, kommt der Realität ziemlich nahe.

Denn überall auf der Welt haben die Notenbanken ihre Geldpolitik massiv gelockert. In den USA senkte die Federal Reserve die Zinsen auf einen Schlag auf fast null. Und sie kauft nicht nur in atemberaubendem Umfang US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherte Papiere auf, sondern dehnt ihr Programm auch auf Schuldtitel von Unternehmen aus. Damit blähte sie in den vergangenen Monaten ihre Bilanzsumme von vier auf gut sieben Billionen Dollar auf. Allein Negativzinsen wollen die US-Währungshüter (noch) nicht einführen.

Notenbanken als Verbündete

In Europa dagegen sind Negativzinsen - zumindest für Banken - bereits Realität. An der Zinsschraube drehen kann die EZB kaum noch. Also konzentrieren sich die Währungshüter um Christine Lagarde auf ihr Instrumentarium der unkonventionellen Geldpolitik. Erst vergangene Woche stockten sie ihr Programm zum Anleihekauf um 600 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro auf. Macht die EZB im bisherigen Tempo weiter, wird sie bis Jahresende Schuldtitel von Staaten und Unternehmen für rund eine Billion Euro erworben haben.

Klar ist: Ohne die immer unkonventionellere Mithilfe der Währungshüter wären Wirtschaft und Finanzmärkte seit der Finanzkrise in einer schlechteren Verfassung. Dass die Geldpolitik seit vielen Jahren das Wachstum stützt, hat auch zu einem Gewöhnungseffekt geführt. So schnell kommen die Notenbanken da nicht mehr raus. Und die Nullzinsen scheinen für sehr lange Zeit zementiert.

Die Analysten der Bank M.M. Warburg sind deshalb überzeugt: "In einer Welt, in der Staaten und Notenbanken die Wirtschaft mit Liquidität schon fast zwangsbeatmen, verlieren Bewertungsüberlegungen an Bedeutung." So ist es zu erklären, dass Anleger derzeit zu Aktien greifen, auch wenn diese nach klassischen Maßstäben längst überteuert sind. Denn in vielen Fällen sind die Gewinnschätzungen der Analysten immer noch im freien Fall. Das Kurs-Gewinn- Verhältnis des breiten US-Aktienindex S & P 500 liegt mittlerweile bei über 20. Teurer waren US-Aktien in den vergangenen 20 Jahren nur während der Technologieblase Anfang des Jahrtausends.

Angst vor verpassten Chancen

Für Michael Heise, den langjährigen Chefvolkswirt der Allianz, kein Grund zur Beunruhigung. "Sie müssen die Bewertung der Aktien ins Verhältnis zur Bewertung von Anleihen setzen", sagt er. "In der neuen Niedrigzinswelt werfen Anleihen fast keine Erträge ab. Die höheren Bewertungen von Aktien sind damit gerechtfertigt." Privatanlegern empfiehlt er, schrittweise wieder in Risikoanlagen einzusteigen. "Ich rate davon ab, auf weitere Rückschläge an den Börsen zu warten. Sich aktuell daran zu versuchen, die Märkte zu timen, ist keine gute Idee", so der Volkswirt.

Tatsächlich könnte der Kursauftrieb an den Börsen noch einige Zeit anhalten. Dies ist neben der massiven Liquiditätszufuhr und den Nullzinsen auch "Fomo" zu verdanken. Die Abkürzung steht für "Fear of missing out" und bedeutet, dass auch jetzt noch Anleger in den Markt einsteigen, aus Angst noch mehr vom Kursaufschwung zu verpassen. Insbesondere viele institutionelle Investoren haben sich bisher zurückgehalten. Diese könnten nun verstärkt Kursrückschläge zum Kauf nutzen.

Das alles bedeutet, dass die aktuellen Notierungen gut unterstützt sind und noch Luft nach oben besteht. Davon profitieren neben den großen US-Techkonzernen als Gewinner beschleunigter Digitalisierung zunehmend auch Aktien von zyklischen Unternehmen. Wie sich Anleger, passend zu ihrer Risikobereitschaft, in diesem Umfeld positionieren können, dazu geben wir in der Investor-Info unten. Eine Möglichkeit sind auch ETF-Strategien, die auf sogenannte Faktoren setzen.
 


INVESTOR-INFO

Offensive

Wette gegen das Virus

Wird die Pandemie überwunden, sollten Zykliker großes Aufwärtspotenzial haben. Die Aktie des Chemiekonzerns BASF ist rund 40 Prozent vom alten Höchststand entfernt. Auch der Chiphersteller Infineon, für den die Autoindustrie wichtiger Kunde ist, sollte in einem positiven Gesamtmarkt überdurchschnittlich zulegen können. Die heißeste Wette bleibt die Luftfahrt mit Aktien wie der des Triebwerkherstellers MTU.

Defensive

Sicherheit geht vor

Als die Kurse abstürzten, hat sich Beiersdorf deutlich besser gehalten als der DAX. Die starke Bilanz und das defensive Geschäftsmodell eines Kosmetikkonzerns stützen in schweren Zeiten. Symrise, ein Spezialist für Duft- und Geschmacksstoffe, ist Zulieferer für defensive Branchen wie die Nahrungsmittelindustrie. Der Immobilienkonzern Vonovia verdient mit der Vermietung von Wohnraum, deckt also einen Grundbedarf.

Dividende

Bares ist Wahres

Für Dividendenjäger bleiben die Versicherungskonzerne erste Wahl. Die Munich Re hat ihre Ausschüttung seit einem halben Jahrhundert nicht gesenkt, wirft aktuell etwas mehr als vier Prozent ab. Ebenfalls zuverlässig ist der Industrieriese Siemens. Bayer sollte trotz Monsanto-Klagen seine Dividende zumindest konstant halten.

Prévoir Gestion Actions

Mutig in die Börsenrally

In der jüngsten Phase der Börsenerholung haben sich europäische Aktienindizes besser entwickelt als ihre US-Pendants. Denn in DAX und Co sind zyklische Aktien, für die sich Anleger nun mehr interessieren, stärker vertreten. Breit gestreut lässt sich mit diesem Fonds an der Aufholjagd teilnehmen. Er zählt zu den sportlicheren und auf lange Sicht ertragreichsten Europafonds. Den Kurssturz hat er schon fast wieder ausgebügelt und steht seit Jahresanfang fünf Prozent im Plus.

Luxtopic Flex

Auf Nummer sicher gehen

Von weiterhin anziehenden Aktienkursen profitieren, aber bei einem Einbruch sicher aufgefangen werden - wer so denkt, sollte sich den Luxtopic Flex genauer ansehen. Der Fonds investiert in internationale Unternehmen, die über solide Substanz und hohe Ertragskraft verfügen. Zugleich sichert er sein Portfolio immer wieder ab. Den Corona-Kurssturz meisterte er so ohne Blessuren. In starken Aufwärtsphasen kann er dafür hinterherhinken (die FondsNote reflektiert diesen Umstand für die vergangenen vier Jahre).

M & W Privat

Für Schwarzseher

Wer überzeugt ist, dass das Gelddrucken der Notenbanken nicht davor schützt, dass als Krisenfolge doch noch viele Unternehmen insolvent gehen und Wirtschaft und Börse final abstürzen, ist bei diesem Fonds gut aufgehoben. Er wird von zwei expliziten Kritikern der modernen Geldpolitik verwaltet, die im Portfolio auf Edelmetalle und die Aktien von Minenbetreibern als letzte Fluchtburg setzen. Ein Fonds, der dann (und meist nur dann) anspringt, wenn alles nach Gold drängt.