Volkswagen bleibt mutig. Trotz erheblicher Risiken aus dem spannungsgeladenen politischen Umfeld bringt der weltweit größte Fahrzeugbauer seine Lkw-Tochter Traton an die Börse. Am 28. Juni wurden die Aktien des Münchner Börsendebütanten erstmals zu Kursen von 27 Euro gehandelt - auf dem Niveau des Emissionspreises. Sollten sich nach dem verhalten Börsendebüt im Verlauf des Jahres weitere aussichtsreiche Möglichkeiten ergeben, will der Lastwagenhersteller weitere Aktien platzieren - bis zu 24,9 Prozent der Anteile, die ursprünglich bereits zum IPO avisiert waren. An der Börse werden derzeit erst 11,5 Prozent der Papiere gehandelt.

Mit gezeichneten Aktien im Wert von 200 Millionen Euro ist der schwedische Pensionsfonds AMF der erste Ankeraktionär der Münchner. Traton ist mit seinen Truckmarken MAN und Scania in Europa und Volkswagen Caminhões e Ônibus in Südamerika weltweit die Nummer 8 im Truckmarkt.

Der IPO-Erlös von 1,55 Milliarden Euro fließt zunächst komplett in die Kasse der Traton-Mutter Volkswagen, um dort die Elektromobilität der Autosparte mitzufinanzieren. Mittelfristig soll das Börsendebüt jedoch auch Tratons finanziellen Spielraum vergrößern, auch um die Beteiligung der Münchner am amerikanischen Truckkonzern Navistar zu erhöhen. Der Partner ist nach einem Umbau wieder gut in Fahrt. Zusammen wollen die Unternehmen in den USA ihren Abstand auf den großen Rivalen Daimler verkürzen (siehe auch Seite 34). Dieser ist mit Marken wie Freightliner in den USA die Nummer 1 und fährt auch weltweit an der Spitze. In der Traton-Zentrale wird die Aufbruchstimmung durch den verhaltenen Verlauf des IPOs nicht getrübt. Traton ist gut ins Jahr gestartet: sechs Prozent mehr Umsatz, 6,4 Milliarden Euro im ersten Quartal und 470 Millionen Euro operativer Gewinn, fast 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Trotz Tratons Mut, den Schritt an die Börse zu wagen, ist die IPO-Bilanz in Europa in diesem Jahr bisher bescheiden.

Frankfurt hofft, New York feiert


Nach etwas mehr als zehn Milliarden Dollar Emissionsvolumen im ersten Halbjahr dürfte der europäische IPO-Markt 2019 klar unter den knapp 42 Milliarden Dollar des Vorjahres bleiben.

Als Nächster will Global Fashion Group, eine defizitäre Firma aus dem Portfolio des Berliner Start-up-Finanzierers Rocket Internet, Aktien in Frankfurt zu je 4,50 Euro platzieren, deutlich niedriger als die zuvor angestrebten sechs bis acht Euro. Am Dienstag sollen die Papiere erstmals gehandelt werden.

Für Spannung im europäischen IPO-Markt in der zweiten Jahreshälfte dürfte indes ein möglicher Börsengang von Teamviewer sorgen, ein Entwickler von Software für Fernwartung via Screensharing, Datentransfer oder Videokonferenzen. Der IPO-Erlös der Firma mit einem geschätzten Börsenwert zwischen vier und fünf Milliarden Euro wird bei mehr als eine Milliarde erwartet.

Die Cloud-Software des Göppinger Unternehmens wird nach Firmenangaben weltweit auf mehr als zwei Millionen Geräten und von 90 Prozent der 500 größten US-Konzerne genutzt.

Teamviewers Debüt könnte deshalb ähnlich erfolgreich werden wie die IPOs von Tech-Firmen in den USA. Einige der besten Börsenneulinge an der Wall Street glänzen mit dreistelligen Wertzuwächsen (siehe Tabelle unten). Klar vorn liegt Beyond Meat. Die vegetarischen Burger der Kalifornier kommen bei Verbrauchern gut an und sind als Ge­schäftsmodell auch bei Investoren begehrt. Allerdings wird die Firma inzwischen mit dem 42-Fachen des geschätzten Umsatzes für 2019 bewertet. Damit sind die Papiere sehr anfällig für deut­liche Gewinnmitnahmen.

Zu den Favoriten zählt auch Debütant Zoom Video Communications, den €uro am Sonntag im Mai empfohlen hatte. Der Entwickler einer cloudbasierten Technologie zur Videoübertragung ist einer der wenigen mit Profit arbeitenden Neulinge.

In Amerika sollte das IPO-Interesse institutioneller Investoren auch im Gesamtjahr hoch bleiben. Im Vergleich mit dem europäischen Markt sind die professionellen Anleger dort spezialisierter und risikofreudiger. Auch dass die US-Notenbank mit Rücksicht auf die Konjunktur den Leitzins voraussichtlich für eine längere Zeit unverändert lassen und vielleicht sogar senken wird, befeuert ihr Interesse für Wachstumsfirmen. Im ersten Halbjahr wurden in den USA mit IPOs mehr als 36 Milliarden Dollar eingesammelt. Mit einer Verdopplung der Summe bis zum Ende des Jahres wäre 2019 in den USA das beste Jahr für Börsengänge seit 2014.

Mehr Schub durch Debütant Airbnb


Der IPO-Star in der zweiten Jahreshälfte wäre ohne Zweifel der weltweit aktive Wohnungsvermittler Airbnb. Exotische Domizile wie Hütten auf Bali oder Schlösser in Frankreich sind das Besondere in Airbnbs Portfolio mit weltweit sechs Millionen Objekten. Der Marktwert des Konzerns wurde zuletzt auf deutlich über 30 Milliarden Dollar taxiert. Die Onlineseiten des Unternehmens werden jährlich von mehr als 150 Millionen Menschen genutzt. 2018 schrieb Airbnb mit vier Milliarden Dollar Umsatz nach eigenen Angaben operativ schwarze Zahlen, das zweite Jahr in Folge. Experten zufolge denkt das Management über ein direktes Listing nach, also ohne Kapitalerhöhung und die von Banken organisierten Treffen mit Investoren. Musikstreamer Spotify und jüngst auch Softwarespezialist Slack Technologies waren damit erfolgreich. Den richtigen Mann für einen gut organisierten IPO hat Airbnb schon geholt: Der neue Finanzchef Dave Stephenson hat zuvor bei Amazon das globale Onlinegeschäft verantwortet.

Ipo-Kandidaten 2019 1)

Airbnb, USA, Internet, k. A.
Teamviewer, D, Software, 1,1
Douyu Intern., USA, Software, 0,5
Wanda Sports, USA, Konsum, 0,5
Global Fashion, D, Konsum, 0,3

1) nach Emissionsvolumen in Mrd. US-Dollar, erwartet Quelle: Dealogic, iposcopp.com, eigene Recherche

Investor-Info

Zoom Video Communications
Aussichtsreicher Angreifer


Dank einer cloudfähigen Software für Videoübertragungstechnik, die auch von Unternehmen gern genutzt wird, trauen Investoren dem Börsenneuling aus dem kalifornischen El Segundo zu, auch Schwergewichten wie Cisco Marktanteile abzuluchsen. Für das Gesamtjahr (bis Ende Januar) erwarten Analysten einen Umsatzzuwachs von 40 Prozent. Mit einer Verdopplung im ersten Quartal hatte Zoom die höchsten Schätzungen übertroffen. Für Risikofreudige.
Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 90,00 Euro
Stoppkurs: 63,00 Euro

Traton
VWs Trucker auf dem Parkett


Traton (ISIN: DE 000 TRA T0N 7) ist mit seinen großen Marken MAN und Scania, der Beteiligung an Navistar in den USA und einem Joint Venture in China gut aufgestellt, um im Weltmarkt jetzt schneller voranzukommen. Bei einem Zuteilungspreis von 27 Euro pro Aktie lag der Börsenwert zum Debüt unter 14 Milliarden Euro. Konkurrent Volvo, mit dem sich die Münchner in ihrem IPO-Prospekt vergleichen, kommt auf 23 Milliarden Euro. Zwischen 30 und 40 Prozent des jährlichen Ergebnisses nach Steuern sollen Anteilseigner als Dividende erhalten. Die wegen des schwierigen Umfelds moderate Aktienbewertung sollten Anleger zum Einstieg nutzen.

IPO-ETF
100 Debütanten im Paket


Für Privatanleger ist die Zeichnung von US-Aktien vor dem IPO keine Option, und nach dem Debüt sind die Schwankungen der Kurse groß. Einige Papiere werden zudem nur in den USA gehandelt (siehe auch Tabelle). Auch ist der Handel mit den Aktien der Neulinge in Frankfurt oft dünn. Vom IPO-Boom an der Wall Street profitieren können Anleger indes mit dem First-Trust-ETF auf den IPOX-100 US Index (ISIN: IE 00B YTH 623 8). Das Prinzip: Die Aktien der 100 Debütanten im Index werden an ihrem sechsten Handelstag gekauft und scheiden nach 1.000 Handels­tagen, also nach fast vier Jahren, aus. Im Vergleich zum S & P 500 lieferte der IPOX-100 US Index in zehn Jahren jährlich im Schnitt vier Prozentpunkte mehr Rendite.