Fehlende Richtungsvorgaben führender Notenbanken sowie die Angst vor den Folgen eines britischen Austritts aus der EU haben am Donnerstag die europäischen Aktienbörsen belastet. Der Dax verlor bis zum Nachmittag 1,5 Prozent auf 9459 Punkte und notierte damit so niedrig wie zuletzt Ende Februar. Der EuroStoxx50 büßte 1,4 Prozent ein. "Die Leute sind hypernervös", sagte ein Händler. "Crash-Propheten haben Hochkonjunktur." Wenig hilfreich sei auch das Fehlen einer klaren Richtungsvorgabe der Notenbanken, die offenbar auch nicht mehr weiter wüssten. Für die Wall Street signalisierten die US-Futures ebenfalls fallende Kurse.

Sollten sich die Briten in der kommenden Woche für einen Austritt ihres Landes aus der EU entscheiden, wird ein weltweites Börsenbeben und eine Abkühlung der Weltwirtschaft erwartet.

Die US-Notenbank hatte am Mittwochabend die Zinsen wie erwartet unverändert gelassen und gewarnt, dass die Folgen eines britischen EU-Austritts auch die US-Wirtschaft treffen könnte. "Die US-Notenbank bewegt sich mittlerweile nur noch wie ein Segel im Wind, der eigene Antrieb scheint ausgefallen zu sein", kommentierte CMC-Markets-Analyst Jochen Stanzl. "Eigentlich sollten die Währungshüter den Finanzmärkten eine Art von Fahrplan an die Hand geben, stattdessen rudert man in Washington vor und zurück", sagte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. Obwohl Yellen eine Zinserhöhung im Juli nicht ausschloss, sehen Anleger die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schritt bei gerade einmal sieben Prozent.

INVESTMENTS WIE GOLD, YEN UND BUNDESANLEIHEN GEFRAGT



Dazu sei noch die Bank of Japan gekommen, die keine weitere Lockerung der Goldpolitik kommunizierte, fügte Gregor Kuhn von IG Markets hinzu. Die Enttäuschung der Anleger stärkte den Yen, wie der Schweizer Franken als besonders krisenfest gilt. Der Dollar fiel um 2,3 Prozent auf ein Zwei-Jahres-Tief von 103,61 Yen. Der Euro verbilligte sich um 2,4 Prozent auf 116,51 Yen und erreichte damit den tiefsten Stand seit Januar 2013. Da dies Waren japanischer Firmen auf dem Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig macht, rutschte die Tokioter Börse um drei Prozent ab.

Das Pfund Sterling nahm seine Talfahrt nach der Sitzung der Bank of England (BOE) wieder auf und fiel um 0,7 Prozent auf 1,4101 Dollar. Die Notenbanker hielten die Zinsen ebenfalls unverändert, warnten aber vor den Folgen eines Brexits und diskutierten Notfallpläne. Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) hielt mit Blick auf die Abstimmung in Großbritannien ihr Pulver trocken.

Die Verunsicherung der Anleger ließ viele ins Gold investieren: Die "Antikrisen-Währung" verteuerte sich um bis zu 1,7 Prozent auf 1313,60 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) und kostete damit so viel wie zuletzt im August 2014. Auch Bundesanleihen waren gefragt, was im Gegenzug die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Titel erneut auf ein Rekordtief von minus 0,035 Prozent drückte.

SPEKULATION UM CS UND UBS BELASTET FINANZWERTE



Zu den größten Verlierern am Aktienmarkt zählten wieder einmal die Finanzwerte. Neben den Brexit-Sorgen verhagelten Spekulationen auf mögliche Kapitalerhöhungen der beiden Schweizer Großbanken Credit Suisse (CS) und UBS den Investoren die Laune. Die Titel der Credit Suisse verloren bis zu 5,3 Prozent auf ein Rekordtief von 11,00 Franken. UBS fielen um 2,3 Prozent. Im Dax sanken Deutsche Bank um bis zu 3,6 Prozent und markierten mit 12,81 Euro ebenfalls einen neuen historischen Tiefststand. Commerzbank büßten 3,2 Prozent auf 6,21 Euro ein.

Reuters