"München will Hanf anbauen." Diese Schlagzeile einer Lokalzeitung im noch jungen Jahr mag viele überraschen. Denn Bayern ist nicht gerade bekannt für eine lockere Politik in puncto Cannabis. Doch geht es hier auch gar nicht um regionalen Nachschub für Kiffer. Es geht um Patienten, deren Schmerzen durch den Konsum von Medizinalhanf gelindert werden können.

Seit April 2017 ist Cannabis in Deutschland als Medizin verschreibungsfähig. Doch in Apotheken kommt es immer wieder zu Lieferengpässen, da die Nachfrage steigt und Medizinalhanf aus Kanada und den Niederlanden importiert werden muss. München will nun einen Modellversuch für ein Cannabisanbauprojekt auf den Stadtgütern beantragen.

Das Vorhaben der bayerischen Landeshauptstadt ist nur einer von vielen Belegen für den Bewusstseinswandel im Hinblick auf Hanf. Lange Zeit als ­Kifferkraut verschrien, werden zunehmend die Vorteile und vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der jahrtausende­alten Kulturpflanze (wieder-)entdeckt. Derzeit entsteht ein gewaltiger Markt, der auch Anlegern attraktive Chancen bietet. Aktuell sind die Investitionsmöglichkeiten noch begrenzt und von oftmals spekulativer Natur. Doch bereits heute wird Hanf in mehr als 50.000 Produkten verarbeitet und entwickelt sich zusehends zu einem milliardenschweren, legalen Wirtschaftsfaktor. Noch sind jedoch einige Hürden zu nehmen.

Nördlingen im Landkreis Donau-Ries. In einem unscheinbaren Fabrikkomplex im Industriegebiet sitzt die Firma Thermo Natur, eines der führenden Unternehmen für ökologische Dämmstoffe in Europa. Groß geworden sind die Nördlinger, deren Hauptgesellschafter der Schokoladenriese Ritter ist, mit ihren Dämmmatten aus Hanf. "Das Naturmaterial bietet viele Vorteile", schwärmt Geschäftsführer Kurt Hogh. "Es sorgt für ein gutes Feuchtigkeitsmanagement im Haus, ist schimmelresistent, und es gibt keine ausdampfenden Zusätze." Die Hanfpflanze selbst wachse ohne Dünger und müsse nicht durch Pestizide geschützt werden. Zudem regeneriere sie die Böden, auf denen sie gedeihe.

Eigentlich eine prima Sache. "Unser Problem sind nur die hohen Kosten für Hanffasern", sagt Hogh. Denn der Rohstoff werde auch in der Automobilin­dustrie immer häufiger eingesetzt, etwa bei Tür- und Kofferraumauskleidungen oder Armaturenbrettern. Rund 15 Prozent beträgt der Marktanteil der Autobauer derzeit am Hanffasermarkt. "Die gestiegene Nachfrage durch die Kfz-Hersteller hat Hanf natürlich verteuert und hält die Preise hoch", erklärt Hogh. Überwiegend müsse der Rohstoff aus Frankreich importiert werden.

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Deutschland fehlen die Maschinen

Um das Angebot an Hanffasern auszuweiten und damit für günstigere Preise zu sorgen, wäre eine stärkere heimische Produktion wünschenswert. "Durch eine regionale Versorgung könnten wir etwa 20 bis 25 Prozent einsparen", so Hogh. Doch noch gebe es in Deutschland nicht die nötige Anbaumenge und den Bestand an Maschinen, um Fasern aus Hanfstroh zu gewinnen, beklagt er. Solche Verarbeitungsbetriebe befänden sich überwiegend in Frankreich und den Niederlanden.

Dass auch in Deutschland die Vorteile von Hanf wieder stärker genutzt werden und eine entsprechende Infrastruktur entsteht, dafür macht sich Daniel Stehr stark. Er ist zusammen mit seinem Kollegen Christian Pacholleck nach Nördlingen gekommen, um sich ein aktuelles Bild von den Entwicklungen und ­Problemen in der Hanfbranche zu machen. Der Finanzexperte ist einer der Gründer der Hamburger Beratungsfirma Werkhausen & Stehr Hanf Consulting. Er hat im Kundenauftrag bereits zahlreiche Investitionen in die Hanfbranche Nordamerikas begleitet.

Stehr möchte jedoch künftig auch auf dem alten Kontinent entsprechende Anlagemöglichkeiten finden. Ein nachvollziehbarer Wunsch, schließlich hat der 47-Jährige mit seinem Unternehmen im Dezember 2018 den ersten aktiv gemanagten Hanfaktienfonds in Deutschland auf den Markt gebracht. Mit dem Portfolio sollen Anleger von der gesamten Wertschöpfungskette bei dem Rohstoff profitieren: Anbau, Lizenzen und Patente, Distribution, Forschung, Technologie und Pharmazie.

Aktuell spielt die Musik bei dem Fonds fast ausschließlich bei nordamerikanischen Aktien. "Diese Märkte sind in puncto Cannabislegalisierung am weitesten fortgeschritten", so Stehr. Derzeit versammelt er im Portfolio vor allem kanadische Titel, die im Bereich Medizinalhanf tätig sind. Bereits seit 2001 ist in Kanada die medizinische Nutzung von Cannabis legal. Das ist auch der Grund, warum es dort so viele Unternehmen dieser Ausrichtung gibt. Im Oktober 2018 legalisierte das Land schließlich auch den sogenannten Freizeitkonsum von Marihuana.

Aber auch in den USA ist Kiffen bereits in zehn Bundesstaaten straffrei, und in mehr als 30 Bundesstaaten erhalten etwa Schmerz- oder Krebspatienten Gras auf Rezept. Einen entscheidenden Schub für die Branche gab Ende 2018 US-Präsident Donald Trump. Denn mit der Unterzeichnung der neuen "Farm Bill" beendete er das jahrzehntelange Anbauverbot von Nutzhanf in den USA. Entsprechende Sorten fielen bisher unter den Controlled Substances Act, obwohl sie einen nahezu unwirksamen Gehalt der berauschenden Substanz THC aufweisen. Trumps Unterschrift ermöglicht Landwirten nun den legalen Hanfanbau, was vergrößerte Anbauflächen, neue Forschung und steigende Investitionen nach sich ziehen dürfte.

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Neues Ziel für die Big Player

Bereits jetzt strecken große Konzerne ihre Fühler nach Cannabisfirmen aus. Zum Beispiel Constellation Brands, bekannt für die Biermarke Corona. Der Getränkeriese hat sich 2018 mit vier Milliarden Dollar am kanadischen Schwergewicht Canopy Growth beteiligt. Es geht um die Entwicklung von Getränken mit Cannabidiol, einem nicht psycho­aktiven Wirkstoff aus der Hanfpflanze.

Prognosen gehen davon aus, dass die weltweiten Ausgaben für legales Can­nabis bis 2022 auf 32 Milliarden US-Dollar steigen werden. 2017 waren es noch neun bis zehn Milliarden Dollar. Auch in Europa erlebt die Hanfpflanze eine Renaissance. Die Anbauflächen wachsen seit einigen Jahren deutlich. Und selbst in Deutschland sprechen sich mittlerweile viele Bürger und Politiker für eine Entkriminalisierung von Cannabis aus.

Unterstützung erhalten sie von dem Wettbewerbsökonomen Justus Haucap. Der hat in einer Studie die möglichen Vorteile einer Cannabislegalisierung für den deutschen Staatshaushalt errechnet. Er kommt zu dem Ergebnis, dass dem Staat durch zusätzliche Steuern und sinkende Polizeikosten ein Plus von rund 2,7 Milliarden Euro im Jahr bliebe. Für die USA prognostiziert eine Studie, dass schon 2019 die Steuereinnahmen aus Marihuanaverkäufen in den betreffenden Bundesstaaten jene aus Alkohol übersteigen werden.

Noch sind mit der Hanfpflanze aber viele Vorbehalte verbunden. Vor allem hierzulande. Das mussten auch Stehr und seine Kollegen bei der Auflage ihres Portfolios erleben. "Etliche Banken und Finanzmarktteilnehmer haben unser Projekt aus Angst vor Reputationsschäden abgelehnt", sagt er. Mehr als zwei Jahre habe es schließlich gedauert, bis der ws-hc Fonds Hanf Industrie Aktien Global mit Bafin-Zulassung an den Start gehen konnte.

Dass es geklappt hat, ist ebenso Ausdruck des breiten Bewusstseinswandels wie das Hanfprojekt in München.

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Investor-Info

Canopy Growth
Das Schwergewicht

Die Kanadier mit ihrer breiten Palette an medizinischem Cannabis sind der Platzhirsch in der Branche. Dank des Einstiegs von Getränkeriese Constellation Brands verfügt das Unternehmen über reichlich Cash. Jüngst erhielt es eine wichtige Lizenz für Verarbeitung und Produktion von Hanf im Bundesstaat New York. Langfristig aussichtsreich. 2019 starker Kursanstieg, eventuell Korrektur abwarten.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 50,00 Euro
Stoppkurs: 28,00 Euro

Hempco Food and Fiber
Die Essensfraktion

Das kanadische Unternehmen ist eine Tochter von Aurora Cannabis, einem der größten Cannabis-Player in Nordamerika. Es produziert und vertreibt Nahrungsmittel auf Hanfbasis in den USA, Europa, Mexiko und Kanada. Mit Verabschiedung der neuen US Farm Bill, die den Nutzhanfanbau in den USA legalisiert, ­erschließen sich dem Unternehmen neue Expansionschancen. Ein Titel für risikobewusste Anleger, die früh in einem Wachstumsmarkt investiert sein wollen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 1,20 Euro
Stoppkurs: 0,50 Euro

WS-HC Hanf Industrie Aktien
Der Pionier-Fonds

Im Dezember 2018 wurde mit diesem Produkt der erste aktiv gemanagte Hanf-Aktienfonds in Deutschland aufgelegt. Ins Leben gerufen hat ihn Daniel Stehr von Werkhausen & Stehr Hanf Consulting in Hamburg. Er und seine Kollegen wählen aus einem Universum von 350 Aktien etwa 35 fürs Portfolio aus. Im Moment dominieren ganz klar kanadische ­Unternehmen aus dem Bereich Medizinalhanf. Der Fonds bietet ein diversifiziertes Investment in Cannabis-Aktien und eignet sich für risikobewusste und langfristig agierende Anleger als Depotbeimischung. Der Fonds ist in der Startphase und das Volumen noch klein.