Worin liegt also der Unterschied? Man muss feiner graduieren: Cannabispflanzen enthalten mindestens 113 Stoffe, sogenannte Cannabinoide. Das Bekannteste ist Tetrahydrocannabinol, kurz THC. Der Stoff für Rebellen mit der traurig berühmten, berauschenden Wirkung. Aber es gibt auch eine gemäßigte Variante, das Cannabidiol, kurz CBD. Dieses wirkt beruhigend und birgt deshalb das Potential für eine breite legale Nutzung. Die krampflösende, entzündungshemmende und schmerzstillende Wirkung dieses Cannabinoids war ausschlaggebend dafür, dass der wenig psychoaktive Stoff mit seinen positiven Eigenschaften Eingang in die Arzneimittelindustrie fand. Auch bei Kosmetik- und Pflegeprodukten sowie Nahrungsergänzungsmitteln kommt CBD mittlerweile zum Einsatz.

In einigen wenigen Ländern wie Kanada ist Cannabis bereits vollständig legalisiert. Auch in Deutschland? Nein, gemäß dem Betäubungsmittelgesetz ist der Besitz von Cannabis grundsätzlich verboten. Aber, anders als THC, fällt das beruhigende und entkrampfende Cannabidiol nicht unter die Regelungen des Suchtmittelgesetzes. CBD kann legal gekauft und konsumiert werden, sofern es den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Diese Legalisierung in kleinen Schritten wird für ganz Europa, aber auch für die USA unter der Regierung von Joe Biden erwartet und könnte vielen Cannabis-Unternehmen zusätzlichen Schub verleihen.

Am Aktienmarkt hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur eine beruhigende, sondern eher eine ernüchternde Wirkung eingestellt: Nach dem anfänglichen Hype vieler nordamerikanischer Aktien wie Aphria, Aurora Cannabis, Canopy Growth, CRONOS, Tilray oder der britischen GW Pharmaceuticals folgte eine dramatische Talfahrt. Überproduktion und daraus resultierende hohe Lagerbestände sowie hohe Kosten und mangelnde Vertriebsstrukturen machten den Weed-Unternehmen zu schaffen. Für diese volatilen Titel brauchte man also gute Nerven. Jetzt zeigt sich laut Analysten ein Silberstreif am Horizont. Die Umsätze der Cannabis-Unternehmen sind im vergangenen Quartal wieder gestiegen, manche schafften sogar den Sprung in die Gewinnzone. Der North American Cannabis Index des deutschen Indexproviders Solactive liegt mit 1.092 Punkten rund 30 Prozent höher als zu Jahresbeginn. Ist das der lang erwartete Turnaround? Wer grundsätzlich entspannt mit stärkeren Kursschwankungen umgehen kann, entdeckt vielleicht seinen Favoriten.

Aber nicht immer ist Stock Picking die beste Vorgehensweise. Entlang der Wertschöpfungskette aus Forschung, Anbau, Verarbeitung, Vertrieb, Medizin und Konsum existieren eine Vielzahl von Unternehmen. Setzt man auf eine Gesellschaft, die nur eines der Felder bedient, greift man womöglich daneben. Natürlich können börsengehandelte, breit diversifizierte Indexfonds, kurz ETFs, eine gute Wahl sein. Bleibt noch das Währungsrisiko, denn die Titel sind zumeist in US-Dollar, kanadischen Dollar oder britischen Pfund notiert. Wer sich auf die Suche nach deutschen Investmentmöglichkeiten macht, liest erstaunt, dass prominente Fußballer und Künstler in hiesige Cannabis-Unternehmen investieren.

Ein Unternehmen, das seit Ende April 2020 an der Börse Düsseldorf notiert ist, ist die SynBiotic SE aus München. Die Plattform Company verfolgt eine Buy-and-Build-Strategie, um eine breit diversifizierte Unternehmensgruppe im Cannabis-Sektor aufzubauen. Systematisch soll durch Zukäufe und strategische Partnerschaften das Firmenportfolio erweitert werden. "Durch diesen Wachstumskurs entsteht", laut CEO Lars Müller, "ein Unternehmen, das nahezu entlang der gesamten Wertschöpfungskette agieren wird." Und das wiederum reduziert das Risiko im Vergleich zu Nischenplayern. SynBiotic konzentriert sich derzeit insbesondere auf die synthetische Produktion von Cannabinoiden, die Arzneimittelentwicklung, die Entwicklung von Nahrungsergänzungsmitteln und Kosmetikprodukten. Eine große Bandbreite, die die Münchener abdecken wollen. Aber die Massentauglichkeit wird letztendlich über Erfolg oder Misserfolg der Branche entscheiden. "Und vielleicht können wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass CBD-Produkte als ‚Beyond Cannabis‘ gesehen werden", erklärt CEO Müller.

Ein Gastbeitrag von Lars Müller, CEO der SynBiotic SE