Donner&Reuschel-Chefvolkswirt Carsten Mumm zur milliardenschweren Rettungsaktion für die Schweizer Krisenbank Credit Suisse

Börse Online: Auf staatlichen Druck übernimmt die größte Schweizer Bank UBS die angeschlagene Nummer zwei, die Credit Suisse, um den internationalen Finanzsektor zu beruhigen. Wie bewerten Sie diese für Schweizer Verhältnisse geradezu abenteuerliche Übernahme?

Carsten Mumm: Aus Sicht der Kapitalmärkte ist diese Maßnahme sehr positiv zu bewerten. Sie relativiert eines der größten Risiken für eine weitere Ausbreitung und Verschärfung der anhaltend hohen Verunsicherung und sichert damit die Stabilität des Finanzsystems. Es kommt derzeit vor allem darauf an, das Vertrauen in den Finanzsektor wieder vollständig herzustellen. Dabei helfen schnelle und konsequente Maßnahmen vonseiten der Regulierer, Notenbanken und Regierungen.

Wäre eine staatliche Übernahme nicht die bessere Alternative gewesen, statt eine geschwächte Großbank von einer anderen Großbank übernehmen zu lassen und so möglicherweise ein neues fragiles Bankhaus zu schaffen?

Staatliche Beteiligungen sollten nur das Mittel letzter Wahl sein. Der Staat kann eine Bank nicht besser managen. Zudem wäre die Zukunft der Credit Suisse damit noch lange fraglich gewesen. Mit der Übernahme durch die UBS besteht Klarheit, zumal diese durch staatliche Garantien und Liquiditätshilfen unterstützt wird.

Das Bankensystem gilt insgesamt als besser kapitalisiert und wesentlich strenger reguliert als 2008. Dennoch muss wieder eine Bank mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Woran ist es diesmal gescheitert?

Bei der Credit Suisse handelt es sich um einen besonderen Fall. Die Bank war durch sehr schwierige Jahre schon länger in einer stark geschwächten Position. Die allgemeine Verunsicherung im Zuge der Turbulenzen im Bankensektor in den USA hat dann zusammen mit einer unglücklichen Kommunikation eines der Hauptanteilseigner für einen weiteren Vertrauensschwund gesorgt und damit zum Kurssturz geführt. Solche Konstellationen können durch die Aufsicht und die Regulierung nie ganz ausgeschlossen werden. Wenn es sich um systemrelevante Banken handelt, braucht es einen Lender of last resort, einer letzten Instanz, die einen Schutzschirm aufspannt, um Ansteckungseffekte zu vermeiden. Diese Rolle kann nur der Staat bzw. die Notenbank übernehmen. Das gesamte Bankensystem in Europa hat sich aktuell als sehr stabil erwiesen. Daher sollte man nicht von einem Einzelfall auf den gesamten Markt schließen, auch wenn man natürlich wie nach jeder Krise im Nachgang klären muss, ob es sinnvolle Maßnahmen zur Vermeidung künftiger ähnlich gelagerter Fälle gibt.

Die Banken stecken in einer schwierigen Situation. Könnte das die Kreditvergabe insgesamt einschränken und die Konjunktur dämpfen und das Wirtschaftswachstum bremsen?

Der Auslöser der aktuellen Turbulenzen war letztlich die historisch beispiellose Zinswende vieler Notenbanken im Laufe des letzten Jahres. Einerseits wurde die Ertragskraft der Banken durch höhere Zinsen gestärkt. Andererseits entstanden aber teilweise enorme unrealisierte Verluste auf Anleihebestände durch den Renditeanstieg am Markt. Zudem sind die Möglichkeiten der Fristentransformation angesichts der sehr flachen Zinsstruktur mit höheren Zinsen bei kürzeren Laufzeiten deutlich begrenzt und die stark steigenden Refinanzierungskosten sorgen für einbrechende Kreditnachfrage, einen stockenden Immobilienmarkt und dürften auch die Anzahl der künftigen Unternehmensinsolvenzen anschieben. Entsprechend haben Banken ihre Kreditvergabestandards bereits deutlich angehoben und sind weniger bereit, Risiken einzugehen. Das bremst die Kreditvergabe und damit auch die Konjunkturdynamik zusätzlich zum allgemein höheren Zinsniveau und der globalen konjunkturellen Abkühlung der letzten Monate.

Die Notenbanken haben koordinierte Maßnahmen angekündigt, um die Dollar-Liquidität im Markt zu erhalten. Was müssen die Notenbanken noch tun, um eine Eskalation der Krise zu verhindern?

Die Notenbanken stehen vor einer schwierigen Gratwanderung. Einerseits müssen die Zinsen weiter angehoben werden, um der noch immer zu hohen Inflation zu begegnen. Andererseits zeigen sich schon jetzt massive Nebenwirkungen des neuen Zinsregimes und die volle Wirkung in der Realwirtschaft werden bisherige Zinsanhebungen erst in einigen Monaten entfalten. Wichtig ist jetzt, möglichst transparent vorzugehen, indem die nächsten geldpolitischen Schritte gut erläutert werden. Zudem müssen sie angesichts der hohen Verunsicherung und der dynamischen Entwicklungen schnell auf sich verändernde Gegebenheiten reagieren, also auf Sicht fahren.