Mehr als 45 Prozent Plus seit Jahresbeginn und deutlich besser als der mit plus 27 ebenfalls starke breite US-­Index S & P 500: Von einem Abschwung ist im Philadelphia Semiconductor Index (SOX), dem viel beachteten Kurs­barometer der Chipbranche, bisher nichts zu spüren. Trotz Verunsicherung der Investoren über die weiteren Entwicklungen im Zollstreit der USA mit China bleibt das Kursbarometer der Chip­industrie in der Nähe neuer ­Rekordstände, obwohl die Branche von Zyklen geprägt ist und auf konjunkturelle Schwankungen sensibel reagiert.

Drei der fünf Top-Performer im SOX, die Firmen Teradyne, Lam Research und KLA, sind dominierende Akteure im Anlagenbau für die Chipbranche. Vor allem zwei Trends, die nächstes Jahr deutlich Fahrt aufnehmen werden, bescheren diesen Unternehmen schon jetzt volle Auftragsbücher: leistungsfähigere Grafikchips für die neue Generation der Videospielkonsolen sowie Halbleiter und Chipsysteme für Smartphones, die auch den künftigen Mobilfunkstandard 5G unterstützen. Der wurde für einen besonders schnellen Transport hoher Datenmengen entwickelt und soll der Mobilfunkbranche starke Impulse liefern.

Milliarden für neue Technologien


Weil 5G für den Datentransport optimiert wurde, ist der Standard in vielen Firmen ein wichtiger Baustein für die digitale Vernetzung der Produktion. Gemeint ist damit die Anbindung von Maschinen an das Web, bekannt unter den Schlagworten "Internet der Dinge" und "Industrie 4.0". Hierzulande können Unternehmen für ihr Firmengelände 5G-Betreiberlizenzen erwerben.

Der weltweit führende Auftragsfertiger in der Chipindustrie, Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC), hat sein Budget für Kapazitäten zum Bau von 5G-Halbleitern und -Chipsets deutlich erhöht. Das taiwanesische Unternehmen, zu dessen Kunden auch Apple und die dominierenden Spezialisten für Grafikchips AMD und Nvidia zählen, profitiert von vielen Trends in der Branche.

Weil Chipfertigungen teuer sind und viel Kapital in der Bilanz binden, leisten sich nur noch wenige Konzerne eine ­eigene Produktion. Sie bevorzugen stattdessen Dienstleister wie TSMC, die sich bei ihren Technologien, auch bei Spezialfertigungen, den neuesten Stand der Technik leisten. Getrieben von der starken Nachfrage großer Kunden hat TSMC in diesem Jahr 14 bis 15 Milliarden Dollar investiert, 40 Prozent mehr als geplant.

Zweistelliges Gewinnwachstum


Die gut gefüllten Auftragsbücher des Auftragsfertigers sind auch ein Indikator für die Stimmung im Chipsektor. Es überwiegt die Zuversicht, auch bei Anlegern an den Börse. Beim größten Risiko, dem Handelsstreit zwischen den USA und China, wird erwartet, dass US-Präsident Donald Trump mit Rücksicht auf seine Wiederwahl im November zumindest nicht überzieht.

Fundamental sieht es in vielen Bereichen der Chipbranche gut aus. Für die Unternehmen aus den stark beachteten Börsenindizes Philadelphia Semi­conductor und Bloomberg World Semiconductor erwarten Analysten für 2020 durchschnittliche Gewinnsteigerungen von zwölf Prozent. Das durchschnitt­liche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der beiden Indizes liegt bei rund 16.

Damit sind die Chipwerte trotz der Rally immer noch günstiger bewertetet als die Bluechips im S & P 500. Für 2020 werden hier im Schnitt nur fünf Prozent mehr Gewinn pro Aktie erwartet. Das KGV liegt bei 17. In einem freundlichen Börsenumfeld sollten Chipaktien deshalb auch 2020 stärker zulegen.

Deutlich höher bewertet als der Branchenindex sind Anlegerfavoriten wie Chipentwickler Nvidia. Allerdings steht die Wachstumsstory von Intels Nachbar in Santa Clara im Silicon Valley auf einem breiteren Fundament als noch vor einigen Jahren.

Die Kalifornier haben ihre Technologie für Grafikchips weiterentwickelt, um sich neue Märkte zu erschließen. Sie haben heute auch zentrale Steuerungschips für Server in Rechenzentren im Portfolio. Nvidias Tensor-Chip bietet nach Angaben der Kalifornier im Vergleich zu Server-Chips von Intel und AMD das 40-Fache der Rechenleistung bei bis zu 40 Prozent weniger Stromverbrauch.

Für die Betreiber großer Rechenzen­tren wie Apple, Alphabet, Amazon, Face­book oder Microsoft, die dort die aufwendigen Berechnungen für ihre Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) laufen lassen, sind das wichtige Kenngrößen. Nvidia ist im Zukunftsmarkt damit eine Alternative zum Primus Intel.

Neue Technologie für Konsolen

Auch mit Grafikchips will Nvidia im nächsten Jahr für Furore sorgen. Eine neue Technologie namens Raytracing berechnet bei Computerspielen die Wege der imaginären Lichtstrahlen - sie liefert damit fotorealistische Reflexionen und Schattenspiele wie in Filmen. Möglich ist das bisher nur mit Grafikkarten von Nvidia, die mehr als 1.000 Euro kosten und in hochwertigen Spiele-PCs verbaut sind.

Für die breite Masse der Gamer soll Raytracing mit der neuen Generation der Videospielkonsolen verfügbar sein, die im nächsten Jahr rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft erwartet werden. Marktforscher von IDC gehen davon aus, dass die Technologie und die höhere Rechenleistung der Chips für den 64 Milliarden Dollar schweren Markt für Spielkonsolen starke Impulse liefern werden. Die Entwickler der Grafikchips werden gegenüber den Herstellern der Konsolen, Sony und Microsoft, höhere Preise durchsetzen, prognostizieren die Experten.

Wegen der erfolgreichen Erweiterung des Geschäftsmodells wird Nvidias Gründer und Chef Jen-Hsun "Jensen" Huang in der Branche als Visionär gefeiert. Daneben wird die Pegasus-Plattform der Firma für autonom gesteuerte Autos nicht nur von Toyota, sondern auch von Daimler und VW sowie von Zulieferkonzernen wie Bosch geschätzt.

Weniger öffentlichkeitswirksam, aber ähnlich erfolgreich erweitert In­fineon-Chef Reinhard Ploss das Geschäftsmodell des Münchner Chipkonzerns. Das gelingt dem Manager ausgerechnet mit milliardenschweren Zukäufen im Silicon Valley. Anfang des nächsten Jahres hoffen die Münchner, die neun Milliarden Dollar schwere Übernahme von Cypress Semiconductor abzuschließen. Die Verhandlungen mit den Aufsichtsbehörden kämen gut voran, heißt es.

Cypress ist ein Spezialist für Mikrocontroller - programmierbare, computerähnliche Bausteine, die im sogenannten Internet der Dinge wichtig sein werden. Mit ihm würde Infineon das Chipportfolio wertsteigernd ergänzen - auch weil gemeinsam mit Cypress künftig mehr Chipsysteme entwickelt werden können. Das würde die Profitabilität des Konzerns stark verbessern. Ihren ersten großen Überraschungsdeal hatten die Bayern vor knapp fünf Jahren mit dem Kauf von International Rectifier gelandet - ebenfalls im Silicon Valley.

Investor-Info

TSMC
Profiteur der Trends


Die Nummer 1 der Chipauftrags- fertiger gehört zu den Ersten in der Branche, die Chips mit nur noch sieben Nano­meter Abstand zwischen Leiterbahnen fertigen können. Allein das beschert TSMC nach Einschätzung von Analysten viele Aufträge für Chips, die in 5G-Handys, IT-Netzwerken und Rechen­zentren eingesetzt werden - auch Intel ist Kunde. Die US-Bank Citigroup erwartet ein starkes erstes Halbjahr 2020. Für das Ge­samtjahr und für 2021 erwarten Analysten im Schnitt ­jeweils 20 Prozent mehr Gewinn. Attraktiv.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 60,00 Euro
Stoppkurs: 39,00 Euro

Nvidia
Prima bei Grafikchips


Nach 62 Prozent Wertzuwachs seit Jahresbeginn ist Nvidia ein anspruchsvoll bewerteter Top-Performer. Das räumt auch die US-Bank Morgan Stanley ein, die den Wert jüngst auf "Kaufen" hochstufte. Grafikchips mit neuer Technologie für Konsolen und später auch für Laptops sowie Nvidias KI-Chip für Rechenzentren werden 2020 positive Impulse liefern. Das rechtfertigt die hohe Bewertung, pro­gnostizieren die Analysten. Aussichtsreich. Kursschwächen zum Kauf nutzen.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 230,00 Euro
Stoppkurs: 135,00 Euro

Infineon
Verstecktes Potenzial


Die niedrigere Auslastung der Fertigung schwächt nach Angaben des Konzerns die operative Marge. Dennoch stellt Infineon für das Geschäftsjahr (bis Ende September) mit 16 Prozent Ebit-Marge ein stabile Profitabilität in Aussicht. Hier hilft die eigene, kostengünstige Chipfertigung auf großen Wafern. Ein erfolgreicher Kauf von Cypress würde die Aktie zusätzlich beflügeln.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 23,00 Euro
Stoppkurs: 15,00 Euro