Der Konsumgüterhersteller, bekannt vor allem für Zahnpasta, operiert mit negativem Buchwert. Wieso das Unternehmen trotzdem ein Investment ist. Von Michael Braun Alexander

Auf den ersten Blick ist Colgate-Palmolive mit Sitz in New York ein äußerst attraktives Unternehmen. Der Konzern ist einer der größten Anbieter von Zahncreme. Zahnpasten wie Aronal, Dentagard, Elmex, Meridol und natürlich Colgate drücken heute mehrmals täglich Hunderte Millionen Menschen auf die Bürsten. Produkte der Marken Ajax und Palmolive sind Helfer in zahllosen Haushalten, und Tierfutter des Labels Hill’s versorgt Hund und Katze.

Ein lohnendes Geschäft mit Alltäglichem: Seit Ende des 19. Jahrhunderts zahlt Colgate regelmäßig Dividenden - unbeeindruckt von Kriegen, Wirtschaftskrisen und revolutionären technischen Umwälzungen wie Strom, Telefon, Auto, Flugzeug, Internet. Seit Anfang der 50er-Jahre steigen die Ausschüttungen Jahr für Jahr.

Colgates Marktposition ist stark. 80 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet der Konzern außerhalb der USA. Selbst im 1,3 Milliarden Menschen zählenden Indien hat die Firma bei Zahncreme einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Ein großartiges, zeitlos schönes Geschäftsmodell also, scheinbar alles bestens, zumal die US-Bank Goldman Sachs Anfang Mai das Kursziel um etwa 20 Prozent auf 75 US-Dollar anhob. Gäbe es da nicht einen Haken.

Der jüngste Quartalsbericht von Colgate (per Ende März 2016) weist Vermögenswerte in Höhe von 12,45 Milliarden und Verbindlichkeiten von 12,52 Milliarden US-Dollar auf, was ein negatives Eigenkapital von 70 Millionen Dollar ergibt. Auch der Buchwert je Aktie liegt folglich im negativen Bereich, womit die Berechnung eines Kurs-Buch-Verhältnisses mathematisch ins Leere läuft.

Das könnte Anleger durchaus beunruhigen. Müsste ein Unternehmen mit derartigen Kennziffern nicht vor dem Zusammenbruch stehen oder zumindest per Kapitalerhöhung schleunigst frisches Geld reinholen, was tendenziell das Vermögen der Altaktionäre verwässern und den Kurs abrutschen lassen würde? Ein Unbehagen ist angesichts der Zahlenlage gerechtfertigt, Panik allerdings nicht. Grundsätzlich kann eine Firma mit negativem Eigenkapital problemlos operieren, solange sie ausreichend Cashflow aufweist, um alle anstehenden Zahlungen zu begleichen. Das ist der Fall bei Colgate, und dass die Liquidität demnächst versiegt, ist bei diesem Konsumgütergiganten extrem unwahrscheinlich.

Verborgene Werte

Zudem machen zwei Besonderheiten das negative Eigenkapital nachvollziehbar. Zum einen unterschätzt der in der Bilanz ausgewiesene Buchwert den wahren Wert der Unternehmens, weil er Markennamen und anderes immaterielles Vermögen nicht angemessen berücksichtigt. Zum anderen kauft Colgate massiv eigene Aktien zurück, um angesichts niedriger Zinsen den Kapitaleinsatz im Sinne der Aktionäre zu maximieren. Folglich hat Colgate mehr als 18 Milliarden US-Dollar an eigenen Aktien in der Bilanz, die rechnerisch eine Soll-Position darstellen und den Buchwert ins Rote treiben.

Anleger, die Konsumgüteraktien völlig zu Recht als zentrale Bausteine ihres Depots ansehen, sollten dieses Thema auf dem Radar behalten. Sollte Colgate eines Tages in Schwierigkeiten geraten - etwa durch einen Produktrückruf -, ist negatives Eigenkapital keine ideale Ausgangs-position. Andere Konsumgüterriesen wie Johnson & Johnson, Procter & Gamble oder Unilever weisen gesündere Eigenkapitalquoten von 30 bis 55 Prozent aus. Doch auch aus charttechnischer Sicht besteht derzeit kein Grund zur Sorge: Der seit Sommer 2015 gültige Aufwärtstrend ist weiter intakt.