Zumindest bis Ende Februar brummte bei Wirecard das Geschäft. Stark steigende Online-Transaktionen in Asien und Europa kompensierten die negativen Auswirkungen im Flug- und Reisegeschäft. Allerdings dürfte auch Wiecard nicht immun sein gegen den Konjunktureinbruch. Wegen der Schließung vieler Geschäfte schwächt sich der Wachstumstrend des Zahlungsanbieters wahrscheinlich ab - zumindest kurzfristig.

Nicht nur in Deutschland nutzen zunehmend mehr Menschen die Möglichkeit, kontaktlos zu bezahlen. Die Liebe zum Bargeld lässt in Zeiten von Corona spürbar nach. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Pandemie das Thema "Mobile Payment" kräftig anschiebt. Nahezu täglich erscheinen im Internet neue Beiträge, wie das Smartphone zur Geldbörse wird. Zuletzt wurden bereits gut die Hälfte aller Girocard-Zahlungen über mobile Services abgewickelt, im Dezember waren es lediglich 35 Prozent. Der Trend dürfte auch nach der Krise anhalten und die Verbreitung sowie Akzeptanz von kontaktlosem Bezahlen massiv beschleunigen. In einigen Ländern haben digitale Zahlungsvorgänge schon jetzt die Bargeldzahlung überholt.

Breites Fundament an Wachstumsfaktoren


Wirecard sollte mittelfristig vor allem von den gezielten Übernahmen der vergangenen Jahre profitieren. Basierend auf der globalen Zunahme bargeldloser Zahlungen, dem anhaltenden Trend datengetriebener Dienstleistungen und digitalen Finanzdiensten, zunehmenden Größenvorteilen und neuen Kooperationen ist auch künftig mit dynamischen Wachstumsraten zu rechnen. Zuletzt bestätigte Wirecard die Ebitda-Prognose für 2020 von 1,0 bis 1,12 Mrd. Euro, was einem Plus von 26 bis 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeuten würde. Ob die Guidance aber erreicht wird, ist inzwischen fraglich. Langfristig mit Blick auf 2025 kalkuliert das Management derzeit mit Umsätzen von über zehn Mrd. Euro und einem Ebitda von mehr als 3,3 Mrd. Euro.

Auch die von der Financial Times erhobenen Vorwürfe könnten bald zu den Akten gelegt werden. Nach Angaben von KPMG besteht kein Korrekturbedarf der Jahresabschlüsse für 2016, 2017 und 2018. Offen ist noch die Untersuchung des Drittpartnergeschäfts, hier sollten die Ergebnisse voraussichtlich bis spätestens 22. April vorliegen.

Schnäppchen im Branchenvergleich


Wegen den Anschuldigungen partizipierte die Aktie aber auch nicht an der Rally im vergangenen Jahr - und ist daher deutlich günstiger bewertet als die Konkurrenz. Auf Basis der Gewinnschätzungen von Börse Online wird für Wirecard derzeit ein 2021er-KGV von 14 verlangt. Obwohl der Konzern überdurchschnittlich wächst und somit viel Fantasie bietet, sind andere Titel aus der Vergleichsgruppe wesentlich teurer.

Interessant ist dies vor allem, weil sich die Branche im Umbruch befindet und die Zahl der Fusionen steigt. Nach Einschätzung der Analysten der DZ Bank könnte Wirecard daher auf dem aktuellen Bewertungsniveau Begehrlichkeiten von strategischen oder Finanzinvestoren wecken. Da lediglich Unternehmenschef Markus Braun ein größeres Aktienpaket von mehr als sieben Prozent hält und es sonst keinen Ankeraktionär gibt, könnte der DAX-Konzern durchaus Ziel einer Übernahme werden.

Unter dem Strich bietet die Aktie somit einen interessanten Mix für spekulative Anleger. Vor allem wenn der finale Bericht von KPMG in wenigen Tagen endlich einen Befreiungsschlag liefern sollte, dürften wieder stärker die Wachstumsperspektiven und somit fundamentale Fakten in den Vordergrund rücken. Technisch ist die Aktie bisher solide abgesichert zwischen 80 bis 100 Euro. Rücksetzer bieten sich somit für sehr spekulative Naturen zum Einstieg an.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.
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