BÖRSE-ONLINE.de: Sie haben nicht nur gute Quartalszahlen vorgelegt, sondern auch die bereits angehobenen Prognosen bestätigt. Woran machen Sie Ihren Optimismus fest?
Thomas Toepfer: Wir haben früh im Jahr auf die Corona-Krise reagiert und mit Effizienz- und Kostenmaßnahmen klar gegengesteuert. Das zahlt sich jetzt aus. Gleichzeitig erholen sich unsere Absatzmärkte auf breiter Front. Diese Kombination verschafft uns Ergebnis-Spielräume, um neue Chancen zu ergreifen - wie die Akquisition der DSM-Beschichtungssparte, mit der wir zu einem der führenden Anbieter nachhaltiger Beschichtungsharze aufsteigen.

Werden Sie angesichts steigender Corona-Zahlen nicht langsam nervös?
Nein. Wir haben die Prognose zwar formal unter den Vorbehalt gestellt, dass es nicht doch noch zu einem globalen Lockdown kommt. Das erwarten wir aktuell aber nicht. Dennoch bleiben wir wachsam, da unser Umfeld längere Zeit herausfordernd bleiben wird. Wir rechnen für das Gesamtjahr mit einem Vorsteuer (Ebitda-)-Ergebnis von rund 1,2 Milliarden Euro und sind mit gutem Momentum in das vierte Quartal gestartet.

Derzeit werden Einschränkungen des öffentlichen Lebens diskutiert, um einen erneuten Lockdown zu vermeiden. Wie weit kann man gehen, ohne die Wirtschaft abzuwürgen?
Es ist Aufgabe der Politik, diese Entscheidungen abzuwägen. Ich halte es aber für richtig, über Maßnahmen nachzudenken, um weiter wirtschaftliche Aktivitäten zu ermöglichen und eben gerade nicht übergangslos in einen Lockdown zu laufen, wie das im Frühjahr der Fall war.
Sie haben die DSM-Akquisition angesprochen. Wie weit ist sie fortgeschritten?
Wir haben die Transaktion am 30.9. verkündet und rechnen mit einem Abschluss im ersten Quartal 2021. Derzeit befinden wir uns in den administrativen Schritten wie die Anmeldung bei den Wettbewerbsbehörden, wir erwarten da aber keine kritischen Hürden.

Können Sie sich weitere Übernahmen vorstellen?
Anorganisches Wachstum ist Teil unserer Strategie, das haben wir immer gesagt. Die DSM-Beschichtungssparte war ein wichtiger Schritt, um unsere Geschäftsfeld CAS mit Blick auf Nachhaltigkeit zu stärken und unabhängiger von der Autoindustrie zu werden. Vor allem die nachhaltigen Beschichtungsharze versprechen überproportionale Wachstumschancen. Zumindest für die Zeit der Integration der DSM-Sparte werden wir aber keine größeren Zukäufe ins Auge fassen.

Es gab Spekulationen, dass Sie den Bereich CAS stärken, um ihn dann abzuspalten und auszugliedern. Ist das eine Option?
Ganz klar nein. Wir haben ein sehr homogenes Portfolio aus drei Geschäftsbereichen, die sehr viele Synergien aufweisen und auf die gleichen chemischen Prozesse und Anlagen zugreifen. Mit dieser Aufstellung fühlen wir uns sehr wohl und haben keine Pläne, daran etwas zu ändern.

Können Sie sich im Gegenzug vorstellen, das Portfolio auf neue Geschäftsbereiche zu erweitern?
Ich will es mal so formulieren: Unser Augenmerk liegt darauf unser Produktportfolio nachhaltig auszurichten. Dies unterstützt unsere Strategie, uns vollständig auf die Kreislaufwirtschaft auszurichten und wird uns die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschäftigen. Gleichzeitig eröffnen sich uns dadurch wirtschaftliche Chancen.. Beim Lackgeschäft etwa sind es gerade die nachhaltigen, wasser- oder pulverbasierten Lösungen, die deutlich stärker wachsen werden als das traditionelle Geschäft.

Welche Meilensteine streben Sie bei der Nachhaltigkeit denn konkret an?
Wir haben vier Felder im Fokus: Nachwachsende Rohstoffe zu verwenden. Außerdem Energie aus nichtfossilen Brennstoffen zu verwenden, zum Beispiel Windenergie. Der dritte Fokus ist Recycling unserer eigenen Produkte - da können wir einen entscheidenden Beitrag leisten, über ein rein mechanisches Recycling hinauszudenken, also etwa chemisches Recycling. Der vierte Punkt sind industrieübergreifende Kooperationen. Denn ein Unternehmen allein kann diese Ziele nicht erreichen.

Im Sommer gab es Spekulationen, dass der Finanzinvestor Apollo bei Covestro einsteigt. Ist Covestro mit seiner Ausrichtung und seinem Marktwert von gut acht Milliarden Euro nicht auch selbst ein schönes Übernahmeziel?
Dazu möchte ich nur soviel sagen: Wir sind nicht in Übernahmegesprächen mit Apollo.

Im Sommer galt Covestro vorübergehend als Wackelkandidat im DAX, konnte aber im Leitindex verbleiben. Wie wichtig ist für Sie die DAX-Zugehörigkeit auch vor dem Hintergrund der anstehenden DAX-Reform?
Die Zugehörigkeit zu einem Index ist für uns kein Selbstziel. Uns kommt es vielmehr darauf an, Wert für unsere Aktionäre zu schaffen. Wenn wir es damit in den DAX schaffen, finden wir das natürlich positiv, weil es unsere Visibilität verbessert. Unser Fokus bleibt jedoch das operative Geschäft und die Wertschaffung für unsere Aktionäre.

Bei der geplanten DAX-Reform geht es insbesondere um strengere Zugangsregeln und eine Ausweitung von 30 auf 40 Mitglieder. Halten Sie das für sinnvoll?
Es gibt Gründe, über eine Reform nachzudenken, das hat die Situation um Wirecard gezeigt. Ein insolventes Unternehmen längere Zeit im DAX zu haben, ergibt keinen Sinn. Die möglichen Reformschritte möchte ich nicht kommentieren, das überlasse ich der Deutschen Börse.