DAS IST LOS BEI DAIMLER:

Daimler-Chef Dieter Zetsche hat mit dem "Projekt Zukunft" einen Großumbau vor Augen: Den Traditionskonzern von einem großen Ganzen in ein Holding-Konstrukt mit drei flexiblen Teileinheiten zu formen. Die Pkw-Sparte soll zusammen mit den kleinen Nutzfahrzeugen eigenständig werden, das Lkw-Geschäft mit den Bussen, daneben noch das Geschäft mit Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen. Offiziell befindet sich der Umbau noch in der Prüfung, aber wenn alle Gremien zustimmen, sollen die Aktionäre auf der Hauptversammlung 2019 ihr Okay geben. Teilbörsengänge sind ebenfalls eine Option. Daimler will aber über alle Geschäftsfelder die Oberhand behalten.

Doch die Störfeuer reißen nicht ab: Anfang des Jahres stieg der Eigentümer des aufstrebenden chinesischen Autobauers Geely bei den Schwaben mit fast 10 Prozent ein. Seitdem rätseln Experten und Anleger, was Li Shufu mit dem Paket vorhat. Wegen des Vorwurfs unzulässiger Abgastechnik muss Daimler zudem europaweit 774 000 Fahrzeuge zurückrufen. Bereits vergangenen Sommer hatte Daimler Softwareupdates für drei Millionen Dieselautos angekündigt, um das Abgasverhalten zu verbessern.

Nun fährt auch noch der drohende Handelskrieg zwischen den USA und China dem Konzern in die Parade. Vor allem wegen voraussichtlicher chinesischer Importzölle auf in den USA hergestellte Autos kappten die Stuttgarter jüngst ihre Jahresprognose für das Ergebnis. Daimler produziert in den USA große SUVs, die auch im Reich der Mitte verkauft werden. Die höheren Zölle könnten nicht vollständig an Kunden weitergegeben werden. Zudem belaste der neue Abgasteststandard WLTP sowie eine niedrigere Bus-Nachfrage in Lateinamerika, hieß es zur Begründung.

Obendrein drohen auch im transatlantischen Handel mit den USA neue Zölle. US-Präsident Donald Trump drischt wegen des US-Handelsdefizits bei Autos immer wieder verbal auf die deutschen Hersteller ein. Sollten hohe Zölle auf Importe eingeführt werden, wie es das US-Handelsministerium derzeit prüft, dann könnte eine Spirale aus Handelsbeschränkungen und Gegenmaßnahmen der EU die so erfolgreiche Verkaufsbilanz der Stuttgarter auch in den USA bremsen.

DAS ERWARTET DAS UNTERNEHMEN:

Der Gewinn vor Zinsen und Steuern dürfte in diesem Jahr den wegen neuer Rechnungslegungsvorschriften angepassten Vorjahreswert von 14,3 Milliarden Euro nun nicht mehr übertreffen, sondern leicht darunter liegen. Das kann einen Rückgang von bis zu 10 Prozent bedeuten. In der Prognose sind schon verschiedene Sondereffekte enthalten, Kosten für den Toll-Collect-Vergleich in Höhe von rund 0,6 Milliarden Euro etwa, aber auch ein bedeutender positiver Bewertungseffekt in der Finanzsparte, falls das Joint Venture für Mobilitätsdienste mit BMW noch 2018 den Segen der Kartellwächter erhält.

Den Pkw-Absatz der wichtigen Sparte Mercedes-Benz Cars will Daimler in diesem Jahr leicht steigern, bei den schweren Nutzfahrzeugen von Daimler Trucks und den Transportern von Daimler Vans soll es ein deutliches Absatzplus geben. Insgesamt soll der Umsatz vom angepassten Vorjahreswert 164,2 Milliarden Euro um bis zu 10 Prozent wachsen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die chinesischen Zölle auf Einfuhren aus den USA bedeuteten für Mercedes-Benz gegenüber den Rivalen wie Porsche und Audi zwar einen Nachteil, weil diese vorwiegend aus Europa nach China lieferten, schrieb Societe-Generale-Analyst Stephen Reitman zuletzt. Doch das Kerngeschäft bei Daimler bleibe robust. Das zeige sich trotz des Gegenwinds von Währungen, Zöllen und höheren Rohstoffpreisen.

Skeptischer ist Kristina Church von der britischen Bank Barclays. Mercedes fehle Schwung bei neuen Modellen, was negativ auf Absatzvolumen und die erzielbaren Preise durchschlagen dürfte. Die Marke mit dem Stern hatte 2016 ihren Rivalen BMW beim Verkauf von Premiumautos überholt. Bis 2020 will BMW-Chef Harald Krüger aber zurück an die Weltspitze. Stockt bei Daimler der Nachschub an Modellen, könnte das auch Bremsspuren beim Absatz bedeuten.

Die von Bloomberg zuletzt befragten 20 Analysten rechnen in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von knapp 4 Prozent auf 170,1 Milliarden Euro, das operative Ergebnis dürfte demnach dagegen um 0,8 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro abschmelzen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Daimler gehört wie die anderen deutschen Autobauer auch zu den am Markt eher niedrig bewerteten Aktientiteln - Premium hin oder her. Wirkliche Wachstumsfantasie sehen Kapitalmarktexperten lediglich in denjenigen Teilen, die mit der Mobilität der Zukunft zu tun haben: der Technik für autonomes Fahren sowie digitaler Vernetzung.

Nach Berechnungen von Autosektor-Experte Jürgen Schlangenotto, der bei der Credit Suisse für das europäische Investmentbanking in dem Bereich zuständig ist, bringen die beiden deutschen Premiumhersteller BMW und Daimler beim Unternehmenswert im Kerngeschäft gerade mal rund das Vierfache ihres operativen Gewinns (Ebit) auf die Waage. Das ist nur halb so viel wie der Zulieferer Continental und nur ein Zehntel dessen, was der Kameraspezialist Mobileye vor der Übernahme durch Intel wert war.

Auf die Stimmung drücken zudem die nachrichtenträchtigen Turbulenzen rund um mutmaßlich unzulässige Abgassysteme, um Diesel-Fahrverbote und Probleme mit dem neuen Abgastestzyklus WLTP. Auch die nach wie vor gute Absatzentwicklung Daimlers vor allem in China kann das nicht ausmerzen.

Die Daimler-Aktie kostet derzeit gut 55 Euro und hat im laufenden Jahr rund 22 Prozent verloren, während der Branchenindex der europäischen Autobauer und -zulieferer um fast 14 Prozent zugelegt hat. Der deutsche Aktienindex Dax (DAX 30) hat seit Jahresbeginn um knapp 6 Prozent nachgegeben. Von seinem Rekordhoch im März 2015 bei 96,07 Euro ist das Daimler-Papier damit weit entfernt - da tröstet die Aktionäre wohl auch kaum, dass die Dividendenrendite derzeit fast bei 7 Prozent liegt.

Im dpa-AFX-Analyzer raten sieben Analysten zum Kauf des Papiers. Fünf empfehlen den Verkauf, zehn sind für ein Halten der Aktie. Das durchschnittliche Kursziel von 20 Analysten beträgt 74,05 Euro - das wäre gut ein Drittel mehr als der aktuelle Kurs. Am meisten traut UBS-Experte Patrick Hummel den Stuttgartern mit 92 Euro zu, am pessimistischsten ist NordLB-Analyst Wolfgang Donie mit 57 Euro./men/stw/jha/