In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und womöglich auch in Italien stehen Wahlen an, die Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien gehen in die heiße Phase und die Wirtschaftspolitik unter US-Präsident Donald Trump könnte einige Überraschungen zu Tage fördern. "Im Superwahljahr 2017 wird die Politik ein bestimmender Unsicherheitsfaktor an den Märkten sein", prognostiziert DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.

Von Reuters befragte Analysten rechnen im Schnitt damit, dass der europäische Auswahlindex EuroStoxx50 bis Ende 2017 nur minimal auf 3255 Punkte von derzeit knapp 3200 Zählern steigt. Den Dax sehen sie bei 11.470 Punkten, ebenfalls kaum über dem derzeitigen Niveau. 2016 dümpelte der Index der 30 größten börsennotierten Firmen in Deutschland trotz Kursrekorde an der Wall Street lange vor sich hin, ehe er Anfang Dezember doch noch die Marke von 11.000 Punkten knackte. Damit hat der Dax seit Jahresbeginn vier Prozent zugelegt.

Für Turbulenzen an den Börsen sorgte im Juni das Votum der Briten für den Ausstieg aus der Europäischen Union (EU). Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und das gescheiterte Verfassungsreferendum in Italien, das Ministerpräsident Matteo Renzi zum Rücktritt bewegte, steckten Investoren dagegen mit einem Schulterzucken weg.

RECHTSPOPULISTEN AUF DEM VORMARSCH



Experten befürchten, dass bei den Wahlen im kommenden Jahr Rechtspopulisten und Euro-Kritiker Aufwind bekommen - auch ausgelöst durch den unerwarteten Wahlsieg Trumps. "Wie sich Europa in den kommenden Jahren entwickeln wird, hängt von den politischen Weichenstellungen ab und diese sind nicht vorhersehbar", sagt Rabobank-Volkswirt Wim Boonstra. Ein Erstarken der Anti-EU-Parteien könne das Vertrauen in die Grundidee Europas zerstören und im schlimmsten Fall zu einem Auseinanderbrechen der Gemeinschaft führen.

"Die Welle der populistischen Ergebnisse ist für Europa 2017 eine große Bedrohung", sagt Marktanalyst Craig Erlam vom Brokerhaus Oanda. In Italien liegt die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung mit ihrem Anführer Beppe Grillo in Umfragen vorn. In Frankreich fordert die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen mit ihrer Partei Front National bei den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr den konservativen Kandidaten Francois Fillon heraus. Und in den Niederlanden könnte der Islam-Kritiker Geert Wilders künftig mehr zu sagen haben. "Vor allem angelsächsische Investoren werden sich die Frage stellen, ob es angesichts der politischen Risiken überhaupt lohnenswert erscheint, in Europa zu investieren", betont Volkswirt Carsten Klude von M.M. Warburg.

DIVIDENDEN-RENDITE SO HOCH WIE SEIT JAHRZEHNTEN NICHT



Als positiv bewerten die Experten dagegen die konjunkturelle Lage, die die Aktienmärkte stützen dürfte. Frühindikatoren zeigten, dass die deutsche Wirtschaft auch 2017 solide wachsen werde, sagt Klude. Der Chefanlage-Stratege der Deutschen Asset Management, Stefan Kreuzkamp, erwartet für die Euro-Zone ein Plus von 1,3 Prozent, weltweit sogar von 3,5 Prozent. Damit wäre 2017 das achte Jahr in Folge mit einem globalen Wachstum von mehr als drei Prozent. Dies habe es zuletzt in den 1960er Jahren gegeben.

Aufholpotenzial haben nach Meinung von M.M. Warburg daher vor allem Unternehmen aus konjunkturabhängigen Branchen wie der Chemie-, Automobil- und Elektroindustrie. Fidelity-Fondsmanager Matthew Siddle sieht auch Unternehmen aus dem Energiesektor im Kommen. Dank des anziehenden Ölpreises hätten sie wieder Rückenwind. Generell sei das Gewinnwachstum der Unternehmen in Ordnung, konstatiert auch Lars Thörs, Aktien-Chef der Fondsgesellschaft Danske Capital. "Die Dividendenrendite ist im Vergleich zu den Anleihe-Renditen weiterhin so hoch wie seit Jahrzehnten nicht."

rtr